ihm seine Schelmerey: und es war mir leicht ihn durch Anbietung mehreres Geldes, und durch Vor- stellung meiner aufrichtigen Liebe gegen sie, zu bewe- gen, daß er sich von mir gebrauchen ließ; sonder- lich da er nicht nöthig hatte es um meinet willen mit ihrem Onckle und Bruder zu verderben, und ich nichts zu wissen verlangte, als was sie, Fräu- lein, und mich anbetraf, um uns gegen den Groll der Jhrigen in Sicherheit zu setzen, dessen Unbil- ligkeit er einsahe, und gestand, daß ihn die übri- gen Bedienten auch für unbillig hielten.
Jch gestehe ihnen, daß ich die Jhrigen [ö]fters durch ihn nach meinem Willen gelenckt habe, ohne daß sie wußten, was die Folgen ihrer Handlungen waren: der Kerl pflegte sich immer einen einfälti- gen Mann zu nennen, und auf sein Gewissen zu beruffen, und war desto ruhiger, weil ich ihm öf- ters die Versicherung gab, daß ich es aufrichtig mit ihnen meinete; und er selbst merckte, daß durch seine Nachrichten manchem Unglück vorge- beuget ward.
Jch hatte desto mehr Ursache, mit seinen Dien- sten zufrieden zu seyn, weil er ihnen ohne ihr Wis- sen die Freyheit zu wege brachte, und erhielt, nach ihrem Willen in den Garten und nach dem Holtz- stall zu gehen: eine Freyheit, die ihnen sonst schwer- lich so lange würde gelassen seyn. Denn er ver- sprach, auf alle ihre Gänge ein wachsames Auge zu haben; und das that er desto lieber, weil andere dadurch gehindert wurden, sich allzu viel um sie zu bekümmern. Denn der Kerl hat sie lieb.
(Auf
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ihm ſeine Schelmerey: und es war mir leicht ihn durch Anbietung mehreres Geldes, und durch Vor- ſtellung meiner aufrichtigen Liebe gegen ſie, zu bewe- gen, daß er ſich von mir gebrauchen ließ; ſonder- lich da er nicht noͤthig hatte es um meinet willen mit ihrem Onckle und Bruder zu verderben, und ich nichts zu wiſſen verlangte, als was ſie, Fraͤu- lein, und mich anbetraf, um uns gegen den Groll der Jhrigen in Sicherheit zu ſetzen, deſſen Unbil- ligkeit er einſahe, und geſtand, daß ihn die uͤbri- gen Bedienten auch fuͤr unbillig hielten.
Jch geſtehe ihnen, daß ich die Jhrigen [oͤ]fters durch ihn nach meinem Willen gelenckt habe, ohne daß ſie wußten, was die Folgen ihrer Handlungen waren: der Kerl pflegte ſich immer einen einfaͤlti- gen Mann zu nennen, und auf ſein Gewiſſen zu beruffen, und war deſto ruhiger, weil ich ihm oͤf- ters die Verſicherung gab, daß ich es aufrichtig mit ihnen meinete; und er ſelbſt merckte, daß durch ſeine Nachrichten manchem Ungluͤck vorge- beuget ward.
Jch hatte deſto mehr Urſache, mit ſeinen Dien- ſten zufrieden zu ſeyn, weil er ihnen ohne ihr Wiſ- ſen die Freyheit zu wege brachte, und erhielt, nach ihrem Willen in den Garten und nach dem Holtz- ſtall zu gehen: eine Freyheit, die ihnen ſonſt ſchwer- lich ſo lange wuͤrde gelaſſen ſeyn. Denn er ver- ſprach, auf alle ihre Gaͤnge ein wachſames Auge zu haben; und das that er deſto lieber, weil andere dadurch gehindert wurden, ſich allzu viel um ſie zu bekuͤmmern. Denn der Kerl hat ſie lieb.
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ihm ſeine Schelmerey: und es war mir leicht ihn
durch Anbietung mehreres Geldes, und durch Vor-
ſtellung meiner aufrichtigen Liebe gegen ſie, zu bewe-
gen, daß er ſich von mir gebrauchen ließ; ſonder-
lich da er nicht noͤthig hatte es um meinet willen
mit ihrem Onckle und Bruder zu verderben, und
ich nichts zu wiſſen verlangte, als was ſie, Fraͤu-
lein, und mich anbetraf, um uns gegen den Groll
der Jhrigen in Sicherheit zu ſetzen, deſſen Unbil-
ligkeit er einſahe, und geſtand, daß ihn die uͤbri-
gen Bedienten auch fuͤr unbillig hielten.
Jch geſtehe ihnen, daß ich die Jhrigen oͤfters
durch ihn nach meinem Willen gelenckt habe, ohne
daß ſie wußten, was die Folgen ihrer Handlungen
waren: der Kerl pflegte ſich immer einen einfaͤlti-
gen Mann zu nennen, und auf ſein Gewiſſen zu
beruffen, und war deſto ruhiger, weil ich ihm oͤf-
ters die Verſicherung gab, daß ich es aufrichtig
mit ihnen meinete; und er ſelbſt merckte, daß
durch ſeine Nachrichten manchem Ungluͤck vorge-
beuget ward.
Jch hatte deſto mehr Urſache, mit ſeinen Dien-
ſten zufrieden zu ſeyn, weil er ihnen ohne ihr Wiſ-
ſen die Freyheit zu wege brachte, und erhielt, nach
ihrem Willen in den Garten und nach dem Holtz-
ſtall zu gehen: eine Freyheit, die ihnen ſonſt ſchwer-
lich ſo lange wuͤrde gelaſſen ſeyn. Denn er ver-
ſprach, auf alle ihre Gaͤnge ein wachſames Auge
zu haben; und das that er deſto lieber, weil andere
dadurch gehindert wurden, ſich allzu viel um ſie zu
bekuͤmmern. Denn der Kerl hat ſie lieb.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/209>, abgerufen am 22.12.2024.
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