sich von ihm bestechen läßt, etwas niederträchtiges vorzunehmen, sich von dem mehrbietenden aber- mahls werde bestechen lassen, ihm einen eben so nie- derträchtigen Streich zu spielen: sonderlich, wenn er dabey Gelegenheit hätte, beyde zu Freunden zu be- halten? Höre Bruder, nicht die Hälfte von mei- nen Streichen wird dein Kopf errathen können.
Hier erzählt er die gantze zwischen der Fräulein und ihm vorgefallene Unterredung wegen des Joseph Lehmanns, eben so als sie in dem zwantzigsten Briefe befindlich ist.
Was für eine Geschicklichkeit hat dein Freund zu recht ruhmwürdigen Uebelthaten! Wie nahe bleibt alles dieses bey der Wahrheit! Die eintzige Abwei- chung von der Wahrheit ist, daß ich vorgab, Leh- mann habe aus Versehen Lerm gemacht, da ich es ihm doch zum voraus befohlen hatte. Wenn sie die gantze Wahrheit wüßte, so würde sie es mir nach ihrem Hochmuth nicht vergeben können, daß ich sie so überlistiget habe.
Wenn ich ein Soldat geworden wäre, so hätte ich das Schieß-Pulver unnütz gemacht. Denn ich würde alle meine Feinde durch List geschlagen, und ihre eigenen Künste zu ihrem Verderben angewandt haben.
Aber o GOtt, was sind das vor Väter und Mütter! der Himmel gebe ihnen die edle Gabe des Verstandes! Wenn ihre Natur nicht besser wäre, als ihr Verstand, und wenn die geschäftige Göttin die Bona Dea ihnen ihre Hülfe zur Fruchtbarkeit so lange versagete, bis sie im Stande wären Kinder zu erziehen: o wie wenige Leute würden denn Kin- der haben?
Jacob
ſich von ihm beſtechen laͤßt, etwas niedertraͤchtiges vorzunehmen, ſich von dem mehrbietenden aber- mahls werde beſtechen laſſen, ihm einen eben ſo nie- dertraͤchtigen Streich zu ſpielen: ſonderlich, wenn er dabey Gelegenheit haͤtte, beyde zu Freunden zu be- halten? Hoͤre Bruder, nicht die Haͤlfte von mei- nen Streichen wird dein Kopf errathen koͤnnen.
Hier erzaͤhlt er die gantze zwiſchen der Fraͤulein und ihm vorgefallene Unterredung wegen des Joſeph Lehmanns, eben ſo als ſie in dem zwantzigſten Briefe befindlich iſt.
Was fuͤr eine Geſchicklichkeit hat dein Freund zu recht ruhmwuͤrdigen Uebelthaten! Wie nahe bleibt alles dieſes bey der Wahrheit! Die eintzige Abwei- chung von der Wahrheit iſt, daß ich vorgab, Leh- mann habe aus Verſehen Lerm gemacht, da ich es ihm doch zum voraus befohlen hatte. Wenn ſie die gantze Wahrheit wuͤßte, ſo wuͤrde ſie es mir nach ihrem Hochmuth nicht vergeben koͤnnen, daß ich ſie ſo uͤberliſtiget habe.
Wenn ich ein Soldat geworden waͤre, ſo haͤtte ich das Schieß-Pulver unnuͤtz gemacht. Denn ich wuͤrde alle meine Feinde durch Liſt geſchlagen, und ihre eigenen Kuͤnſte zu ihrem Verderben angewandt haben.
Aber o GOtt, was ſind das vor Vaͤter und Muͤtter! der Himmel gebe ihnen die edle Gabe des Verſtandes! Wenn ihre Natur nicht beſſer waͤre, als ihr Verſtand, und wenn die geſchaͤftige Goͤttin die Bona Dea ihnen ihre Huͤlfe zur Fruchtbarkeit ſo lange verſagete, bis ſie im Stande waͤren Kinder zu erziehen: o wie wenige Leute wuͤrden denn Kin- der haben?
Jacob
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ſich von ihm beſtechen laͤßt, etwas niedertraͤchtiges
vorzunehmen, ſich von dem mehrbietenden aber-
mahls werde beſtechen laſſen, ihm einen eben ſo nie-
dertraͤchtigen Streich zu ſpielen: ſonderlich, wenn
er dabey Gelegenheit haͤtte, beyde zu Freunden zu be-
halten? Hoͤre Bruder, nicht die Haͤlfte von mei-
nen Streichen wird dein Kopf errathen koͤnnen.
Hier erzaͤhlt er die gantze zwiſchen der Fraͤulein und ihm
vorgefallene Unterredung wegen des Joſeph Lehmanns, eben
ſo als ſie in dem zwantzigſten Briefe befindlich iſt.
Was fuͤr eine Geſchicklichkeit hat dein Freund zu
recht ruhmwuͤrdigen Uebelthaten! Wie nahe bleibt
alles dieſes bey der Wahrheit! Die eintzige Abwei-
chung von der Wahrheit iſt, daß ich vorgab, Leh-
mann habe aus Verſehen Lerm gemacht, da ich es
ihm doch zum voraus befohlen hatte. Wenn ſie
die gantze Wahrheit wuͤßte, ſo wuͤrde ſie es mir
nach ihrem Hochmuth nicht vergeben koͤnnen, daß
ich ſie ſo uͤberliſtiget habe.
Wenn ich ein Soldat geworden waͤre, ſo haͤtte
ich das Schieß-Pulver unnuͤtz gemacht. Denn ich
wuͤrde alle meine Feinde durch Liſt geſchlagen, und
ihre eigenen Kuͤnſte zu ihrem Verderben angewandt
haben.
Aber o GOtt, was ſind das vor Vaͤter und
Muͤtter! der Himmel gebe ihnen die edle Gabe des
Verſtandes! Wenn ihre Natur nicht beſſer waͤre,
als ihr Verſtand, und wenn die geſchaͤftige Goͤttin
die Bona Dea ihnen ihre Huͤlfe zur Fruchtbarkeit ſo
lange verſagete, bis ſie im Stande waͤren Kinder
zu erziehen: o wie wenige Leute wuͤrden denn Kin-
der haben?
Jacob
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/221>, abgerufen am 22.12.2024.
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