Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



Rache gereitzet werde. Sie sollen sehen, wie viel
ich um ihrentwillen erdulden kann. Wir wollen
beyde sehen, ob eine vernünftige Vorstellung, und
eine solche Aufführung, wie man sie irgend von
einem Cavallier fodern kann, sie nicht zwingen
soll, mir so zu begegnen, wie man einem Caval-
lier begegnen muß.

Wenn er gedrohet hätte, sich selbst Leyd anzu-
thun, so hatte ich mir schon vorgenommen, ihn
damit höhnisch aufzuziehen, daß er mich für so tumm
ansehe, und mit einer so gewöhnlichen Drohung
schrecken wollte. Allein diese Entschließung, die
sein gantzes Gesicht zu bekräftigen schien, machte
daß ich aus Schrecken kaum Athem hohlen
konnte.

Was ist ihr Endzweck, Herr Lovelace? Jch
bitte sie, gehen sie von mir. Gehen sie weg, ich
bitte sie recht sehr.

Jch bitte sie, Fräulein, entschuldigen sie mich,
wenn ich dieses mahl nicht Gehorsam leiste. Lan-
ge, lange genug bin ich um diese einsamen Mau-
ren herumgeschlichen. Mehr als zu lange habe
ich alle Beschimpfungen von ihrem Bruder, und
von ihren übrigen Anverwanten ertragen. Allein
oft wird die Bosheit giftiger, wenn man ihr nicht
unter die Augen tritt. Jch habe nichts mehr zu
verlieren; ich bin desperat. Jch habe weiter
nichts zu hoffen, als diesen Tag. Denn ist nicht
übermorgen der Mittewochen. Jch habe durch
Geduld die Bosheit dreiste gemacht. Aber den-
noch will ich geduldig seyn. Sie sollen sehen wie

viel



Rache gereitzet werde. Sie ſollen ſehen, wie viel
ich um ihrentwillen erdulden kann. Wir wollen
beyde ſehen, ob eine vernuͤnftige Vorſtellung, und
eine ſolche Auffuͤhrung, wie man ſie irgend von
einem Cavallier fodern kann, ſie nicht zwingen
ſoll, mir ſo zu begegnen, wie man einem Caval-
lier begegnen muß.

Wenn er gedrohet haͤtte, ſich ſelbſt Leyd anzu-
thun, ſo hatte ich mir ſchon vorgenommen, ihn
damit hoͤhniſch aufzuziehen, daß er mich fuͤr ſo tumm
anſehe, und mit einer ſo gewoͤhnlichen Drohung
ſchrecken wollte. Allein dieſe Entſchließung, die
ſein gantzes Geſicht zu bekraͤftigen ſchien, machte
daß ich aus Schrecken kaum Athem hohlen
konnte.

Was iſt ihr Endzweck, Herr Lovelace? Jch
bitte ſie, gehen ſie von mir. Gehen ſie weg, ich
bitte ſie recht ſehr.

Jch bitte ſie, Fraͤulein, entſchuldigen ſie mich,
wenn ich dieſes mahl nicht Gehorſam leiſte. Lan-
ge, lange genug bin ich um dieſe einſamen Mau-
ren herumgeſchlichen. Mehr als zu lange habe
ich alle Beſchimpfungen von ihrem Bruder, und
von ihren uͤbrigen Anverwanten ertragen. Allein
oft wird die Bosheit giftiger, wenn man ihr nicht
unter die Augen tritt. Jch habe nichts mehr zu
verlieren; ich bin deſperat. Jch habe weiter
nichts zu hoffen, als dieſen Tag. Denn iſt nicht
uͤbermorgen der Mittewochen. Jch habe durch
Geduld die Bosheit dreiſte gemacht. Aber den-
noch will ich geduldig ſeyn. Sie ſollen ſehen wie

viel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="18"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Rache gereitzet werde. Sie &#x017F;ollen &#x017F;ehen, wie viel<lb/>
ich um ihrentwillen erdulden kann. Wir wollen<lb/>
beyde &#x017F;ehen, ob eine vernu&#x0364;nftige Vor&#x017F;tellung, und<lb/>
eine &#x017F;olche Auffu&#x0364;hrung, wie man &#x017F;ie irgend von<lb/>
einem Cavallier fodern kann, &#x017F;ie nicht zwingen<lb/>
&#x017F;oll, mir &#x017F;o zu begegnen, wie man einem Caval-<lb/>
lier begegnen muß.</p><lb/>
          <p>Wenn er gedrohet ha&#x0364;tte, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Leyd anzu-<lb/>
thun, &#x017F;o hatte ich mir &#x017F;chon vorgenommen, ihn<lb/>
damit ho&#x0364;hni&#x017F;ch aufzuziehen, daß er mich fu&#x0364;r &#x017F;o tumm<lb/>
an&#x017F;ehe, und mit einer &#x017F;o gewo&#x0364;hnlichen Drohung<lb/>
&#x017F;chrecken wollte. Allein die&#x017F;e Ent&#x017F;chließung, die<lb/>
&#x017F;ein gantzes Ge&#x017F;icht zu bekra&#x0364;ftigen &#x017F;chien, machte<lb/>
daß ich aus Schrecken kaum Athem hohlen<lb/>
konnte.</p><lb/>
          <p>Was i&#x017F;t ihr Endzweck, Herr <hi rendition="#fr">Lovelace?</hi> Jch<lb/>
bitte &#x017F;ie, gehen &#x017F;ie von mir. Gehen &#x017F;ie weg, ich<lb/>
bitte &#x017F;ie recht &#x017F;ehr.</p><lb/>
          <p>Jch bitte &#x017F;ie, Fra&#x0364;ulein, ent&#x017F;chuldigen &#x017F;ie mich,<lb/>
wenn ich die&#x017F;es mahl nicht Gehor&#x017F;am lei&#x017F;te. Lan-<lb/>
ge, lange genug bin ich um die&#x017F;e ein&#x017F;amen Mau-<lb/>
ren herumge&#x017F;chlichen. Mehr als zu lange habe<lb/>
ich alle Be&#x017F;chimpfungen von ihrem Bruder, und<lb/>
von ihren u&#x0364;brigen Anverwanten ertragen. Allein<lb/>
oft wird die Bosheit giftiger, wenn man ihr nicht<lb/>
unter die Augen tritt. Jch habe nichts mehr zu<lb/>
verlieren; ich bin de&#x017F;perat. Jch habe weiter<lb/>
nichts zu hoffen, als die&#x017F;en Tag. Denn i&#x017F;t nicht<lb/>
u&#x0364;bermorgen der Mittewochen. Jch habe durch<lb/>
Geduld die Bosheit drei&#x017F;te gemacht. Aber den-<lb/>
noch will ich geduldig &#x017F;eyn. Sie &#x017F;ollen &#x017F;ehen wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">viel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0032] Rache gereitzet werde. Sie ſollen ſehen, wie viel ich um ihrentwillen erdulden kann. Wir wollen beyde ſehen, ob eine vernuͤnftige Vorſtellung, und eine ſolche Auffuͤhrung, wie man ſie irgend von einem Cavallier fodern kann, ſie nicht zwingen ſoll, mir ſo zu begegnen, wie man einem Caval- lier begegnen muß. Wenn er gedrohet haͤtte, ſich ſelbſt Leyd anzu- thun, ſo hatte ich mir ſchon vorgenommen, ihn damit hoͤhniſch aufzuziehen, daß er mich fuͤr ſo tumm anſehe, und mit einer ſo gewoͤhnlichen Drohung ſchrecken wollte. Allein dieſe Entſchließung, die ſein gantzes Geſicht zu bekraͤftigen ſchien, machte daß ich aus Schrecken kaum Athem hohlen konnte. Was iſt ihr Endzweck, Herr Lovelace? Jch bitte ſie, gehen ſie von mir. Gehen ſie weg, ich bitte ſie recht ſehr. Jch bitte ſie, Fraͤulein, entſchuldigen ſie mich, wenn ich dieſes mahl nicht Gehorſam leiſte. Lan- ge, lange genug bin ich um dieſe einſamen Mau- ren herumgeſchlichen. Mehr als zu lange habe ich alle Beſchimpfungen von ihrem Bruder, und von ihren uͤbrigen Anverwanten ertragen. Allein oft wird die Bosheit giftiger, wenn man ihr nicht unter die Augen tritt. Jch habe nichts mehr zu verlieren; ich bin deſperat. Jch habe weiter nichts zu hoffen, als dieſen Tag. Denn iſt nicht uͤbermorgen der Mittewochen. Jch habe durch Geduld die Bosheit dreiſte gemacht. Aber den- noch will ich geduldig ſeyn. Sie ſollen ſehen wie viel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/32
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/32>, abgerufen am 22.12.2024.