[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.zu lassen, weil er sehr reich gewesen wäre. Er hätte nie vorgegeben, daß er sie heyrathen wolte. Jhre Freunde hätten in der That eine Klage deswegen anfangen wollen, allein sie hätte nicht gewollt: dar- über wären sie ihr so schlimm begegnet, daß es gros- sen Theils ihren Todt verursachet hätte. Der klei- ne Junge wäre ein artig Kind, dessen sich kein Va- ter schämen dürfte. Seiner Mutter Schwester hätte das Kind bey sich, und er hätte es ein paar mahl ge- sehen ohne daß sie etwas davon wüste. Wenn sich einige Gelegenheit gezeigt hätte, so würde er sich des Kindes angenommen haben: allein die gantze Familie hätte den Jungen lieb, ob sie gleich so gott- los wären und auf den Vater schimpften. Er sagt dieses wären seine Regeln im Liebhaben: Sein Hals und sein Kopf sey gantz sicher "Was "Leb-
zu laſſen, weil er ſehr reich geweſen waͤre. Er haͤtte nie vorgegeben, daß er ſie heyrathen wolte. Jhre Freunde haͤtten in der That eine Klage deswegen anfangen wollen, allein ſie haͤtte nicht gewollt: dar- uͤber waͤren ſie ihr ſo ſchlimm begegnet, daß es groſ- ſen Theils ihren Todt verurſachet haͤtte. Der klei- ne Junge waͤre ein artig Kind, deſſen ſich kein Va- ter ſchaͤmen duͤrfte. Seiner Mutter Schweſter haͤtte das Kind bey ſich, und er haͤtte es ein paar mahl ge- ſehen ohne daß ſie etwas davon wuͤſte. Wenn ſich einige Gelegenheit gezeigt haͤtte, ſo wuͤrde er ſich des Kindes angenommen haben: allein die gantze Familie haͤtte den Jungen lieb, ob ſie gleich ſo gott- los waͤren und auf den Vater ſchimpften. Er ſagt dieſes waͤren ſeine Regeln im Liebhaben: Sein Hals und ſein Kopf ſey gantz ſicher „Was „Leb-
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zu laſſen, weil er ſehr reich geweſen waͤre. Er haͤtte
nie vorgegeben, daß er ſie heyrathen wolte. Jhre
Freunde haͤtten in der That eine Klage deswegen
anfangen wollen, allein ſie haͤtte nicht gewollt: dar-
uͤber waͤren ſie ihr ſo ſchlimm begegnet, daß es groſ-
ſen Theils ihren Todt verurſachet haͤtte. Der klei-
ne Junge waͤre ein artig Kind, deſſen ſich kein Va-
ter ſchaͤmen duͤrfte. Seiner Mutter Schweſter haͤtte
das Kind bey ſich, und er haͤtte es ein paar mahl ge-
ſehen ohne daß ſie etwas davon wuͤſte. Wenn ſich
einige Gelegenheit gezeigt haͤtte, ſo wuͤrde er ſich
des Kindes angenommen haben: allein die gantze
Familie haͤtte den Jungen lieb, ob ſie gleich ſo gott-
los waͤren und auf den Vater ſchimpften.
Er ſagt dieſes waͤren ſeine Regeln im Liebhaben:
vor gemeinen Huren huͤte er ſich, er verheyrathete
ſeine Liebſte an Jemand ehe er ſich eine neue anſchaf-
fe: wenn ein Maͤdchen von ihm ſchwanger wuͤrde,
und ihre Freunde waͤren hart, ſo lieſſe er es keine
Noth leyden, und beſorgete inſonderheit, daß es
ihr im Kind-Bette an nichts mangelte. Vor das
Kind ſorge er ſo wie es dem Stande der Mutter
gemaͤß waͤre; und wenn die Mutter im Kind-
Bette ſtuͤrbe, ſo traurete er ordentlich um ſie. Er
fragt Joſeph auf ſein Gewiſſen, ob er ei-
nen nennen koͤnnte, der rechtſchaffener mit den
Maͤdgens umginge; es ſey daher kein Wunder, daß
ihn alle Maͤdgens lieb haͤtten.
Sein Hals und ſein Kopf ſey gantz ſicher „Was
„meint ihr Joſeph? vor anderthalb Jahren iſt
„die Jungfer im Kindbette geſtorben, bey ihren
„Leb-
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