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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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Jhr Befehl dich zu bessern, ehe du sie um die
Ehe ansprichst, den du jetzt so empfindlich gegen sie
misbrauchst: und ihre Neigung zu dem ledigen
Stande? Wenn dieses etwas mehr ist, als ein lee-
rer Vorwand, so hast du auch vielleicht Ursache ge-
gen deine Feinde danckbar zu seyn, weil sie dir die
Fräulein in die Hände geliefert haben. Wider-
sprichst du nicht jedem Vorwande und handelst du
nicht sehr undanckbar, wenn du vorgiebest, du woll-
test sie deswegen noch mehr auf die Probe setzen,
weil sie sich aus Zuneigung zu dir übereilet habe?

Um deinen armseeligen Vorwand noch mehr in
seiner Blösse vorzustellen, lege ich dir die Frage vor:
wenn sie freywillig mit dir davon gegangen wäre,
würdest du sie denn lieber haben? Zu einer Mai-
tresse
möchte sie sich alsdenn besser schicken: allein
sie würde nur halb so sehr als jetzt verdienen deine
Frau zu werden.

Sie liebet dich gantz gewiß, das ist ausser Zwei-
fel: so gottlos du auch bist, und ob du gleich ein
Hertz wie ein Panterthier hast. Allein was für ei-
ne Herrschaft muß sie über ihre Neigungen haben,
wenn deiner scharfsichtigen Eigen-Liebe bisweilen
ein Zweifel an ihrer Zuneigung zu dir aufsteiget?
Nimm noch dazu, daß sie von ihren eigenen Anver-
wanten verfolget wird, und daß der Glantz deiner
Familie, welche sehnlich wünschet ihr ihren Nahmen
zu geben, sie locken und geschwätziger machen könnte.

Vielleicht denckst du, daß ich mein Versprechen
nicht halte, und anfange mehr um der Fräulein
willen als um deinetwillen dir die Fesseln anzura-

then.


Jhr Befehl dich zu beſſern, ehe du ſie um die
Ehe anſprichſt, den du jetzt ſo empfindlich gegen ſie
misbrauchſt: und ihre Neigung zu dem ledigen
Stande? Wenn dieſes etwas mehr iſt, als ein lee-
rer Vorwand, ſo haſt du auch vielleicht Urſache ge-
gen deine Feinde danckbar zu ſeyn, weil ſie dir die
Fraͤulein in die Haͤnde geliefert haben. Wider-
ſprichſt du nicht jedem Vorwande und handelſt du
nicht ſehr undanckbar, wenn du vorgiebeſt, du woll-
teſt ſie deswegen noch mehr auf die Probe ſetzen,
weil ſie ſich aus Zuneigung zu dir uͤbereilet habe?

Um deinen armſeeligen Vorwand noch mehr in
ſeiner Bloͤſſe vorzuſtellen, lege ich dir die Frage vor:
wenn ſie freywillig mit dir davon gegangen waͤre,
wuͤrdeſt du ſie denn lieber haben? Zu einer Mai-
treſſe
moͤchte ſie ſich alsdenn beſſer ſchicken: allein
ſie wuͤrde nur halb ſo ſehr als jetzt verdienen deine
Frau zu werden.

Sie liebet dich gantz gewiß, das iſt auſſer Zwei-
fel: ſo gottlos du auch biſt, und ob du gleich ein
Hertz wie ein Panterthier haſt. Allein was fuͤr ei-
ne Herrſchaft muß ſie uͤber ihre Neigungen haben,
wenn deiner ſcharfſichtigen Eigen-Liebe bisweilen
ein Zweifel an ihrer Zuneigung zu dir aufſteiget?
Nimm noch dazu, daß ſie von ihren eigenen Anver-
wanten verfolget wird, und daß der Glantz deiner
Familie, welche ſehnlich wuͤnſchet ihr ihren Nahmen
zu geben, ſie locken und geſchwaͤtziger machen koͤnnte.

Vielleicht denckſt du, daß ich mein Verſprechen
nicht halte, und anfange mehr um der Fraͤulein
willen als um deinetwillen dir die Feſſeln anzura-

then.
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[379/0393] Jhr Befehl dich zu beſſern, ehe du ſie um die Ehe anſprichſt, den du jetzt ſo empfindlich gegen ſie misbrauchſt: und ihre Neigung zu dem ledigen Stande? Wenn dieſes etwas mehr iſt, als ein lee- rer Vorwand, ſo haſt du auch vielleicht Urſache ge- gen deine Feinde danckbar zu ſeyn, weil ſie dir die Fraͤulein in die Haͤnde geliefert haben. Wider- ſprichſt du nicht jedem Vorwande und handelſt du nicht ſehr undanckbar, wenn du vorgiebeſt, du woll- teſt ſie deswegen noch mehr auf die Probe ſetzen, weil ſie ſich aus Zuneigung zu dir uͤbereilet habe? Um deinen armſeeligen Vorwand noch mehr in ſeiner Bloͤſſe vorzuſtellen, lege ich dir die Frage vor: wenn ſie freywillig mit dir davon gegangen waͤre, wuͤrdeſt du ſie denn lieber haben? Zu einer Mai- treſſe moͤchte ſie ſich alsdenn beſſer ſchicken: allein ſie wuͤrde nur halb ſo ſehr als jetzt verdienen deine Frau zu werden. Sie liebet dich gantz gewiß, das iſt auſſer Zwei- fel: ſo gottlos du auch biſt, und ob du gleich ein Hertz wie ein Panterthier haſt. Allein was fuͤr ei- ne Herrſchaft muß ſie uͤber ihre Neigungen haben, wenn deiner ſcharfſichtigen Eigen-Liebe bisweilen ein Zweifel an ihrer Zuneigung zu dir aufſteiget? Nimm noch dazu, daß ſie von ihren eigenen Anver- wanten verfolget wird, und daß der Glantz deiner Familie, welche ſehnlich wuͤnſchet ihr ihren Nahmen zu geben, ſie locken und geſchwaͤtziger machen koͤnnte. Vielleicht denckſt du, daß ich mein Verſprechen nicht halte, und anfange mehr um der Fraͤulein willen als um deinetwillen dir die Feſſeln anzura- then.

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/393>, abgerufen am 22.12.2024.