Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



Brief an Herrn Hickmann. Jch habe guten
Grund zu dieser Bitte: nicht zu gedencken, daß
meine Mutter noch immer sehr hart ist, ob sie mir
gleich erlaubet hat diesen Brief zu schreiben.

Jch wünschte, daß Sie an die Jhnen so em-
pfindliche Sache nicht immer gedächten. Jch kann
mir leicht vorstellen, wie nahe es Jhnen gehen muß;
allein lassen Sie sich nicht durch die Betrachtung
solcher harten Worte niederschlagen. Muntern Sie
sich auf! Vergessen Sie es, wenn Sie können, und
dencken Sie an andre Dinge, an das was Jhnen
Jhre Augen in das Gemüth bringen. Geben Sie
mir Nachricht, ob die Sache vor oder hinter sich
gehet, und was er zu dem recht teuflischen Fluche
saget. Denn diesen Theil der gehäßigen Nachricht
können Sie ihm wohl mittheilen. Jch hoffe, daß
dieses Gelegenheit zu der Haupt-Unterredung zwi-
schen Jhnen beyden geben wird, ohne daß Sie ei-
ner Mittels-Person vonnöthen haben.

Wenn alles am schlimmsten aussiehet, so pflegt
es sich zur Besserung anzulassen. Oefters kommt
unser Glück, wenn wir dem Unglück entgegen sehen:
der Fluch Jhres Vaters kann die Quelle des
Seegens werden, wo Sie ihn recht gebrauchen.
Allein wenn Sie alle Hoffnung verlohren geben, so
wird auch in der That keine Hoffnung übrig seyn.
Kräncken Sie sich nicht bis zur Verzweifelung, und
erfüllen Sie nicht die Absicht einiger Leute, die Sie
nur kräncken wollen.

Was für eine armseelige Rache, Jhnen Jhre
Bücher, Geschmeide und Geld abzuschlagen! Da

Sie



Brief an Herrn Hickmann. Jch habe guten
Grund zu dieſer Bitte: nicht zu gedencken, daß
meine Mutter noch immer ſehr hart iſt, ob ſie mir
gleich erlaubet hat dieſen Brief zu ſchreiben.

Jch wuͤnſchte, daß Sie an die Jhnen ſo em-
pfindliche Sache nicht immer gedaͤchten. Jch kann
mir leicht vorſtellen, wie nahe es Jhnen gehen muß;
allein laſſen Sie ſich nicht durch die Betrachtung
ſolcher harten Worte niederſchlagen. Muntern Sie
ſich auf! Vergeſſen Sie es, wenn Sie koͤnnen, und
dencken Sie an andre Dinge, an das was Jhnen
Jhre Augen in das Gemuͤth bringen. Geben Sie
mir Nachricht, ob die Sache vor oder hinter ſich
gehet, und was er zu dem recht teufliſchen Fluche
ſaget. Denn dieſen Theil der gehaͤßigen Nachricht
koͤnnen Sie ihm wohl mittheilen. Jch hoffe, daß
dieſes Gelegenheit zu der Haupt-Unterredung zwi-
ſchen Jhnen beyden geben wird, ohne daß Sie ei-
ner Mittels-Perſon vonnoͤthen haben.

Wenn alles am ſchlimmſten ausſiehet, ſo pflegt
es ſich zur Beſſerung anzulaſſen. Oefters kommt
unſer Gluͤck, wenn wir dem Ungluͤck entgegen ſehen:
der Fluch Jhres Vaters kann die Quelle des
Seegens werden, wo Sie ihn recht gebrauchen.
Allein wenn Sie alle Hoffnung verlohren geben, ſo
wird auch in der That keine Hoffnung uͤbrig ſeyn.
Kraͤncken Sie ſich nicht bis zur Verzweifelung, und
erfuͤllen Sie nicht die Abſicht einiger Leute, die Sie
nur kraͤncken wollen.

Was fuͤr eine armſeelige Rache, Jhnen Jhre
Buͤcher, Geſchmeide und Geld abzuſchlagen! Da

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0422" n="408"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Brief an Herrn <hi rendition="#fr">Hickmann.</hi> Jch habe guten<lb/>
Grund zu die&#x017F;er Bitte: nicht zu gedencken, daß<lb/>
meine Mutter noch immer &#x017F;ehr hart i&#x017F;t, ob &#x017F;ie mir<lb/>
gleich erlaubet hat die&#x017F;en Brief zu &#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß Sie an die Jhnen &#x017F;o em-<lb/>
pfindliche Sache nicht immer geda&#x0364;chten. Jch kann<lb/>
mir leicht vor&#x017F;tellen, wie nahe es Jhnen gehen muß;<lb/>
allein la&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich nicht durch die Betrachtung<lb/>
&#x017F;olcher harten Worte nieder&#x017F;chlagen. Muntern Sie<lb/>
&#x017F;ich auf! Verge&#x017F;&#x017F;en Sie es, wenn Sie ko&#x0364;nnen, und<lb/>
dencken Sie an andre Dinge, an das was Jhnen<lb/>
Jhre Augen in das Gemu&#x0364;th bringen. Geben Sie<lb/>
mir Nachricht, ob die Sache vor oder hinter &#x017F;ich<lb/>
gehet, und was er zu dem recht teufli&#x017F;chen Fluche<lb/>
&#x017F;aget. Denn die&#x017F;en Theil der geha&#x0364;ßigen Nachricht<lb/>
ko&#x0364;nnen Sie ihm wohl mittheilen. Jch hoffe, daß<lb/>
die&#x017F;es Gelegenheit zu der Haupt-Unterredung zwi-<lb/>
&#x017F;chen Jhnen beyden geben wird, ohne daß Sie ei-<lb/>
ner Mittels-Per&#x017F;on vonno&#x0364;then haben.</p><lb/>
          <p>Wenn alles am &#x017F;chlimm&#x017F;ten aus&#x017F;iehet, &#x017F;o pflegt<lb/>
es &#x017F;ich zur Be&#x017F;&#x017F;erung anzula&#x017F;&#x017F;en. Oefters kommt<lb/>
un&#x017F;er Glu&#x0364;ck, wenn wir dem Unglu&#x0364;ck entgegen &#x017F;ehen:<lb/>
der Fluch Jhres Vaters kann die Quelle des<lb/>
Seegens werden, wo Sie ihn recht gebrauchen.<lb/>
Allein wenn Sie alle Hoffnung verlohren geben, &#x017F;o<lb/>
wird auch in der That keine Hoffnung u&#x0364;brig &#x017F;eyn.<lb/>
Kra&#x0364;ncken Sie &#x017F;ich nicht bis zur Verzweifelung, und<lb/>
erfu&#x0364;llen Sie nicht die Ab&#x017F;icht einiger Leute, die Sie<lb/>
nur kra&#x0364;ncken wollen.</p><lb/>
          <p>Was fu&#x0364;r eine arm&#x017F;eelige Rache, Jhnen Jhre<lb/>
Bu&#x0364;cher, Ge&#x017F;chmeide und Geld abzu&#x017F;chlagen! Da<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[408/0422] Brief an Herrn Hickmann. Jch habe guten Grund zu dieſer Bitte: nicht zu gedencken, daß meine Mutter noch immer ſehr hart iſt, ob ſie mir gleich erlaubet hat dieſen Brief zu ſchreiben. Jch wuͤnſchte, daß Sie an die Jhnen ſo em- pfindliche Sache nicht immer gedaͤchten. Jch kann mir leicht vorſtellen, wie nahe es Jhnen gehen muß; allein laſſen Sie ſich nicht durch die Betrachtung ſolcher harten Worte niederſchlagen. Muntern Sie ſich auf! Vergeſſen Sie es, wenn Sie koͤnnen, und dencken Sie an andre Dinge, an das was Jhnen Jhre Augen in das Gemuͤth bringen. Geben Sie mir Nachricht, ob die Sache vor oder hinter ſich gehet, und was er zu dem recht teufliſchen Fluche ſaget. Denn dieſen Theil der gehaͤßigen Nachricht koͤnnen Sie ihm wohl mittheilen. Jch hoffe, daß dieſes Gelegenheit zu der Haupt-Unterredung zwi- ſchen Jhnen beyden geben wird, ohne daß Sie ei- ner Mittels-Perſon vonnoͤthen haben. Wenn alles am ſchlimmſten ausſiehet, ſo pflegt es ſich zur Beſſerung anzulaſſen. Oefters kommt unſer Gluͤck, wenn wir dem Ungluͤck entgegen ſehen: der Fluch Jhres Vaters kann die Quelle des Seegens werden, wo Sie ihn recht gebrauchen. Allein wenn Sie alle Hoffnung verlohren geben, ſo wird auch in der That keine Hoffnung uͤbrig ſeyn. Kraͤncken Sie ſich nicht bis zur Verzweifelung, und erfuͤllen Sie nicht die Abſicht einiger Leute, die Sie nur kraͤncken wollen. Was fuͤr eine armſeelige Rache, Jhnen Jhre Buͤcher, Geſchmeide und Geld abzuſchlagen! Da Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/422
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/422>, abgerufen am 22.12.2024.