Endlich ward Jhre Frau Mutter müde, oder sie schämte sich der Sache stillschweigend zu zusehen: sie sagte deswegen zu Jhrer Fräulein Schwester: sie wollte ein für allemahl wieder Frieden im Hause ha- ben, und sie würde sich bemühen, Jhren Onckle Harlowe zu bewegen, daß er ihr beystünde. Zu dieser Erklärung machten Jhr Bruder und Jhre Schwester große Augen, und entschlossen sich, an- ders zu verfahren. Solmesens Bedingungen wa- ren indessen noch immer allzu vortheilhaft, als daß man sie ausschlagen konnte: sie wollten aber weiter kein Mittel anwenden, (so gaben sie vor) als die- ses, daß Jhr Vater sie auf eine herabgelassene Wei- se bäte. Dieses sollte der letzte Versuch seyn. Wenn ich die Wahrheit schreiben soll, so glaube ich nicht daß eine solche Tochter, wie Sie sind, würde haben widerstehen können, wenn ein Vater, der nie in seinem Leben gekniet haben mag, als nur vor unsern Herrn GOtt, sich so weit überwun- den hätte, als Jhre Frau Base vorgiebt.
Allein was würde alles dieses gefruchtet haben? Vielleicht würden Sie sich doch mit Lovelacen unterredet haben, um ihn zu besänftigen und Un- glück zu verhüten: wenn man Jhnen anders so viel Zeit gelassen, und mit dem Prediger nicht gleich bey der Hand gewesen wäre. Hätten Sie ihn aber nicht gesprochen, so sehen Sie, in was für Beglei- tung er Jhrem Hause hat zusprechen wollen. Was würden davon die Folgen gewesen seyn?
Vielleicht haben Sie also das Beste gewählet: obgleich dieses Beste sehr unerträglich ist.
Jch
D d 3
Endlich ward Jhre Frau Mutter muͤde, oder ſie ſchaͤmte ſich der Sache ſtillſchweigend zu zuſehen: ſie ſagte deswegen zu Jhrer Fraͤulein Schweſter: ſie wollte ein fuͤr allemahl wieder Frieden im Hauſe ha- ben, und ſie wuͤrde ſich bemuͤhen, Jhren Onckle Harlowe zu bewegen, daß er ihr beyſtuͤnde. Zu dieſer Erklaͤrung machten Jhr Bruder und Jhre Schweſter große Augen, und entſchloſſen ſich, an- ders zu verfahren. Solmeſens Bedingungen wa- ren indeſſen noch immer allzu vortheilhaft, als daß man ſie ausſchlagen konnte: ſie wollten aber weiter kein Mittel anwenden, (ſo gaben ſie vor) als die- ſes, daß Jhr Vater ſie auf eine herabgelaſſene Wei- ſe baͤte. Dieſes ſollte der letzte Verſuch ſeyn. Wenn ich die Wahrheit ſchreiben ſoll, ſo glaube ich nicht daß eine ſolche Tochter, wie Sie ſind, wuͤrde haben widerſtehen koͤnnen, wenn ein Vater, der nie in ſeinem Leben gekniet haben mag, als nur vor unſern Herrn GOtt, ſich ſo weit uͤberwun- den haͤtte, als Jhre Frau Baſe vorgiebt.
Allein was wuͤrde alles dieſes gefruchtet haben? Vielleicht wuͤrden Sie ſich doch mit Lovelacen unterredet haben, um ihn zu beſaͤnftigen und Un- gluͤck zu verhuͤten: wenn man Jhnen anders ſo viel Zeit gelaſſen, und mit dem Prediger nicht gleich bey der Hand geweſen waͤre. Haͤtten Sie ihn aber nicht geſprochen, ſo ſehen Sie, in was fuͤr Beglei- tung er Jhrem Hauſe hat zuſprechen wollen. Was wuͤrden davon die Folgen geweſen ſeyn?
Vielleicht haben Sie alſo das Beſte gewaͤhlet: obgleich dieſes Beſte ſehr unertraͤglich iſt.
Jch
D d 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0435"n="421"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Endlich ward Jhre Frau Mutter muͤde, oder ſie<lb/>ſchaͤmte ſich der Sache ſtillſchweigend zu zuſehen:<lb/>ſie ſagte deswegen zu Jhrer Fraͤulein Schweſter: ſie<lb/>
wollte ein fuͤr allemahl wieder Frieden im Hauſe ha-<lb/>
ben, und ſie wuͤrde ſich bemuͤhen, Jhren Onckle<lb/><hirendition="#fr">Harlowe</hi> zu bewegen, daß er ihr beyſtuͤnde. Zu<lb/>
dieſer Erklaͤrung machten Jhr Bruder und Jhre<lb/>
Schweſter große Augen, und entſchloſſen ſich, an-<lb/>
ders zu verfahren. <hirendition="#fr">Solmeſens</hi> Bedingungen wa-<lb/>
ren indeſſen noch immer allzu vortheilhaft, als daß<lb/>
man ſie ausſchlagen konnte: ſie wollten aber weiter<lb/>
kein Mittel anwenden, (ſo gaben ſie vor) als die-<lb/>ſes, daß Jhr Vater ſie auf eine herabgelaſſene Wei-<lb/>ſe baͤte. Dieſes ſollte der letzte Verſuch ſeyn. Wenn<lb/>
ich die Wahrheit ſchreiben ſoll, ſo glaube ich<lb/>
nicht daß eine ſolche Tochter, wie Sie ſind,<lb/>
wuͤrde haben widerſtehen koͤnnen, wenn ein Vater,<lb/>
der nie in ſeinem Leben gekniet haben mag, als<lb/>
nur vor unſern Herrn GOtt, ſich ſo weit uͤberwun-<lb/>
den haͤtte, als Jhre Frau Baſe vorgiebt.</p><lb/><p>Allein was wuͤrde alles dieſes gefruchtet haben?<lb/>
Vielleicht wuͤrden Sie ſich doch mit <hirendition="#fr">Lovelacen</hi><lb/>
unterredet haben, um ihn zu beſaͤnftigen und Un-<lb/>
gluͤck zu verhuͤten: wenn man Jhnen anders ſo viel<lb/>
Zeit gelaſſen, und mit dem Prediger nicht gleich<lb/>
bey der Hand geweſen waͤre. Haͤtten Sie ihn aber<lb/>
nicht geſprochen, ſo ſehen Sie, in was fuͤr Beglei-<lb/>
tung er Jhrem Hauſe hat zuſprechen wollen. Was<lb/>
wuͤrden davon die Folgen geweſen ſeyn?</p><lb/><p>Vielleicht haben Sie alſo das <hirendition="#fr">Beſte</hi> gewaͤhlet:<lb/>
obgleich dieſes <hirendition="#fr">Beſte</hi>ſehr unertraͤglich iſt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">D d 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[421/0435]
Endlich ward Jhre Frau Mutter muͤde, oder ſie
ſchaͤmte ſich der Sache ſtillſchweigend zu zuſehen:
ſie ſagte deswegen zu Jhrer Fraͤulein Schweſter: ſie
wollte ein fuͤr allemahl wieder Frieden im Hauſe ha-
ben, und ſie wuͤrde ſich bemuͤhen, Jhren Onckle
Harlowe zu bewegen, daß er ihr beyſtuͤnde. Zu
dieſer Erklaͤrung machten Jhr Bruder und Jhre
Schweſter große Augen, und entſchloſſen ſich, an-
ders zu verfahren. Solmeſens Bedingungen wa-
ren indeſſen noch immer allzu vortheilhaft, als daß
man ſie ausſchlagen konnte: ſie wollten aber weiter
kein Mittel anwenden, (ſo gaben ſie vor) als die-
ſes, daß Jhr Vater ſie auf eine herabgelaſſene Wei-
ſe baͤte. Dieſes ſollte der letzte Verſuch ſeyn. Wenn
ich die Wahrheit ſchreiben ſoll, ſo glaube ich
nicht daß eine ſolche Tochter, wie Sie ſind,
wuͤrde haben widerſtehen koͤnnen, wenn ein Vater,
der nie in ſeinem Leben gekniet haben mag, als
nur vor unſern Herrn GOtt, ſich ſo weit uͤberwun-
den haͤtte, als Jhre Frau Baſe vorgiebt.
Allein was wuͤrde alles dieſes gefruchtet haben?
Vielleicht wuͤrden Sie ſich doch mit Lovelacen
unterredet haben, um ihn zu beſaͤnftigen und Un-
gluͤck zu verhuͤten: wenn man Jhnen anders ſo viel
Zeit gelaſſen, und mit dem Prediger nicht gleich
bey der Hand geweſen waͤre. Haͤtten Sie ihn aber
nicht geſprochen, ſo ſehen Sie, in was fuͤr Beglei-
tung er Jhrem Hauſe hat zuſprechen wollen. Was
wuͤrden davon die Folgen geweſen ſeyn?
Vielleicht haben Sie alſo das Beſte gewaͤhlet:
obgleich dieſes Beſte ſehr unertraͤglich iſt.
Jch
D d 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/435>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.