sich Reden entfallen liessen, die zwar zu versteckt wa- ren, als daß man sie ihnen hätte verweisen können, allein dennoch eine geheime Bedeutung hatten, wel- che sie in einer wohlgezogenen Gesellschaft unanstän- dig machte: so fieng dieses Kind an, zu mercken, und vermehrte durch Lächeln die Dreistigkeit der Leu- te, etwas in den Tag hinein zu schwatzen, das ent- weder ein nichts-bedeutender Unsinn war, oder eine böse Bedeutung haben mußte.
Jch habe freylich manches Frauenzimmer gese- hen, von welchem ich eine bessere Meinung hatte als von der Frau Sinclair, das den jungen Her- ren solche Freyheiten im Reden erlaubte, ja sich wol selbst diese Freyheiten nahm, die meiner Meinung nach mit dem, was die Schönheit eines jüngferli- chen Hertzens ausmacht, nicht bestehen können. Denn was sind die Worte anders als das Kleid der Gedancken? Sollte sich nicht das Gemüth durch die- se Kleidung sehr verrathen?
Jch komme auf die Cavalliers; Denn so muß ich sie wegen ihrer Geburth nennen, ob ich sie gleich sonst schwerlich dafür würde gehalten haben.
Herr Belton ist auf der Universität gewesen, und er sollte ein Geistlicher werden. Weil ihm aber diese Lebens-Art nicht anständig war, und er von seinem Onckle ein schönes Gut erbete, so gieng er nach London, und fieng an als ein Cavallier zu leben. Er soll guten Verstand haben. Er macht Staat in der Kleidung, jedoch vermeidet er die Eitelkeit der bunten Phantasten: er trinckt starck: er ist ein Spieler, und dieser unglückliche
Zeit-
ſich Reden entfallen lieſſen, die zwar zu verſteckt wa- ren, als daß man ſie ihnen haͤtte verweiſen koͤnnen, allein dennoch eine geheime Bedeutung hatten, wel- che ſie in einer wohlgezogenen Geſellſchaft unanſtaͤn- dig machte: ſo fieng dieſes Kind an, zu mercken, und vermehrte durch Laͤcheln die Dreiſtigkeit der Leu- te, etwas in den Tag hinein zu ſchwatzen, das ent- weder ein nichts-bedeutender Unſinn war, oder eine boͤſe Bedeutung haben mußte.
Jch habe freylich manches Frauenzimmer geſe- hen, von welchem ich eine beſſere Meinung hatte als von der Frau Sinclair, das den jungen Her- ren ſolche Freyheiten im Reden erlaubte, ja ſich wol ſelbſt dieſe Freyheiten nahm, die meiner Meinung nach mit dem, was die Schoͤnheit eines juͤngferli- chen Hertzens ausmacht, nicht beſtehen koͤnnen. Denn was ſind die Worte anders als das Kleid der Gedancken? Sollte ſich nicht das Gemuͤth durch die- ſe Kleidung ſehr verrathen?
Jch komme auf die Cavalliers; Denn ſo muß ich ſie wegen ihrer Geburth nennen, ob ich ſie gleich ſonſt ſchwerlich dafuͤr wuͤrde gehalten haben.
Herr Belton iſt auf der Univerſitaͤt geweſen, und er ſollte ein Geiſtlicher werden. Weil ihm aber dieſe Lebens-Art nicht anſtaͤndig war, und er von ſeinem Onckle ein ſchoͤnes Gut erbete, ſo gieng er nach London, und fieng an als ein Cavallier zu leben. Er ſoll guten Verſtand haben. Er macht Staat in der Kleidung, jedoch vermeidet er die Eitelkeit der bunten Phantaſten: er trinckt ſtarck: er iſt ein Spieler, und dieſer ungluͤckliche
Zeit-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0510"n="496"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſich Reden entfallen lieſſen, die zwar zu verſteckt wa-<lb/>
ren, als daß man ſie ihnen haͤtte verweiſen koͤnnen,<lb/>
allein dennoch eine geheime Bedeutung hatten, wel-<lb/>
che ſie in einer wohlgezogenen Geſellſchaft unanſtaͤn-<lb/>
dig machte: ſo fieng dieſes Kind an, zu mercken,<lb/>
und vermehrte durch Laͤcheln die Dreiſtigkeit der Leu-<lb/>
te, etwas in den Tag hinein zu ſchwatzen, das ent-<lb/>
weder ein nichts-bedeutender Unſinn war, oder eine<lb/>
boͤſe Bedeutung haben mußte.</p><lb/><p>Jch habe freylich manches Frauenzimmer geſe-<lb/>
hen, von welchem ich eine beſſere Meinung hatte<lb/>
als von der Frau <hirendition="#fr">Sinclair,</hi> das den jungen Her-<lb/>
ren ſolche Freyheiten im Reden erlaubte, ja ſich wol<lb/>ſelbſt dieſe Freyheiten nahm, die meiner Meinung<lb/>
nach mit dem, was die Schoͤnheit eines juͤngferli-<lb/>
chen Hertzens ausmacht, nicht beſtehen koͤnnen.<lb/>
Denn was ſind die Worte anders als das Kleid der<lb/>
Gedancken? Sollte ſich nicht das Gemuͤth durch die-<lb/>ſe Kleidung ſehr verrathen?</p><lb/><p>Jch komme auf die <hirendition="#fr">Cavalliers;</hi> Denn ſo muß<lb/>
ich ſie wegen ihrer Geburth nennen, ob ich ſie gleich<lb/>ſonſt ſchwerlich dafuͤr wuͤrde gehalten haben.</p><lb/><p>Herr <hirendition="#fr">Belton</hi> iſt auf der Univerſitaͤt geweſen,<lb/>
und er ſollte ein Geiſtlicher werden. Weil ihm aber<lb/>
dieſe Lebens-Art nicht anſtaͤndig war, und er von<lb/>ſeinem Onckle ein ſchoͤnes Gut erbete, ſo gieng<lb/>
er nach <hirendition="#fr">London,</hi> und fieng an als ein <hirendition="#fr">Cavallier</hi><lb/>
zu leben. Er ſoll guten Verſtand haben. Er<lb/>
macht Staat in der Kleidung, jedoch vermeidet er<lb/>
die Eitelkeit der bunten Phantaſten: er trinckt ſtarck:<lb/>
er iſt ein Spieler, und dieſer ungluͤckliche<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Zeit-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[496/0510]
ſich Reden entfallen lieſſen, die zwar zu verſteckt wa-
ren, als daß man ſie ihnen haͤtte verweiſen koͤnnen,
allein dennoch eine geheime Bedeutung hatten, wel-
che ſie in einer wohlgezogenen Geſellſchaft unanſtaͤn-
dig machte: ſo fieng dieſes Kind an, zu mercken,
und vermehrte durch Laͤcheln die Dreiſtigkeit der Leu-
te, etwas in den Tag hinein zu ſchwatzen, das ent-
weder ein nichts-bedeutender Unſinn war, oder eine
boͤſe Bedeutung haben mußte.
Jch habe freylich manches Frauenzimmer geſe-
hen, von welchem ich eine beſſere Meinung hatte
als von der Frau Sinclair, das den jungen Her-
ren ſolche Freyheiten im Reden erlaubte, ja ſich wol
ſelbſt dieſe Freyheiten nahm, die meiner Meinung
nach mit dem, was die Schoͤnheit eines juͤngferli-
chen Hertzens ausmacht, nicht beſtehen koͤnnen.
Denn was ſind die Worte anders als das Kleid der
Gedancken? Sollte ſich nicht das Gemuͤth durch die-
ſe Kleidung ſehr verrathen?
Jch komme auf die Cavalliers; Denn ſo muß
ich ſie wegen ihrer Geburth nennen, ob ich ſie gleich
ſonſt ſchwerlich dafuͤr wuͤrde gehalten haben.
Herr Belton iſt auf der Univerſitaͤt geweſen,
und er ſollte ein Geiſtlicher werden. Weil ihm aber
dieſe Lebens-Art nicht anſtaͤndig war, und er von
ſeinem Onckle ein ſchoͤnes Gut erbete, ſo gieng
er nach London, und fieng an als ein Cavallier
zu leben. Er ſoll guten Verſtand haben. Er
macht Staat in der Kleidung, jedoch vermeidet er
die Eitelkeit der bunten Phantaſten: er trinckt ſtarck:
er iſt ein Spieler, und dieſer ungluͤckliche
Zeit-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/510>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.