Zeitvertreib hat ihn verdorbrn. Er ist ohngefähr dreyßig Jahre alt. Sein Gesicht ist feuer-roth, und dabey etwas zu starck, und voller Finnen. Seine unordentliche Lebens-Art wird die Dauer seines sinn- lichen Traumes von Vergnügen sehr abkürtzen: denn er hat einen kurtzen und schwindsüchtigen Husten. Allein durch allerhand Spaß über diesen gefährli- chen Vorboten, der ihn ernsthafter machen sollte, pflegt er sich und seine Freunde aufzu- muntern.
Herr Mowbray ist viel auf Reisen gewesen, und redet eben so viele Sprachen als Herr Lovelace, allein nicht so flüchtig. Er ist von sehr guter Fami- lie, und scheint drey bis vier und dreyßig Jahr alt zu seyn. Er ist groß von Person, und hat eine an- ständige Leibes-Bildung: er hat starcke Knochen: ein dreistes und wagendes Gesichte: eine grosse Nar- be über den Vor-Kopf, und ein solches Merckmahl als wenn die Hirn-Schale verletzt wäre, nebst noch einer Narbe über den rechten Backen. Er pflegt sich ebenfalls kostbar zu kleiden: seine Bedienten müssen unaufhörlich um ihn stehen; er ruft sie alle Augenblicke, ob er ihnen gleich nichts als Kleinig- keiten zu befehlen hat. Jn der kurtzen Zeit, da ich ihn habe kennen lernen, habe ich dieses mehrmahls bemercket. Sie gaben ihm beständig auf seine feu- rigen Augen Achtung, und wandten schon mit Furcht und Zittern den Rücken, seine Befehle auszurichten, wenn er kaum halb ausgeredet hatte. Gegen seines gleichen scheint er eine erträgliche Aufführung zu ha- ben: er kann von den öffentlichen Lustbarkeiten,
son-
Dritter Theil. J i
Zeitvertreib hat ihn verdorbrn. Er iſt ohngefaͤhr dreyßig Jahre alt. Sein Geſicht iſt feuer-roth, und dabey etwas zu ſtarck, und voller Finnen. Seine unordentliche Lebens-Art wird die Dauer ſeines ſinn- lichen Traumes von Vergnuͤgen ſehr abkuͤrtzen: denn er hat einen kurtzen und ſchwindſuͤchtigen Huſten. Allein durch allerhand Spaß uͤber dieſen gefaͤhrli- chen Vorboten, der ihn ernſthafter machen ſollte, pflegt er ſich und ſeine Freunde aufzu- muntern.
Herr Mowbray iſt viel auf Reiſen geweſen, und redet eben ſo viele Sprachen als Herr Lovelace, allein nicht ſo fluͤchtig. Er iſt von ſehr guter Fami- lie, und ſcheint drey bis vier und dreyßig Jahr alt zu ſeyn. Er iſt groß von Perſon, und hat eine an- ſtaͤndige Leibes-Bildung: er hat ſtarcke Knochen: ein dreiſtes und wagendes Geſichte: eine groſſe Nar- be uͤber den Vor-Kopf, und ein ſolches Merckmahl als wenn die Hirn-Schale verletzt waͤre, nebſt noch einer Narbe uͤber den rechten Backen. Er pflegt ſich ebenfalls koſtbar zu kleiden: ſeine Bedienten muͤſſen unaufhoͤrlich um ihn ſtehen; er ruft ſie alle Augenblicke, ob er ihnen gleich nichts als Kleinig- keiten zu befehlen hat. Jn der kurtzen Zeit, da ich ihn habe kennen lernen, habe ich dieſes mehrmahls bemercket. Sie gaben ihm beſtaͤndig auf ſeine feu- rigen Augen Achtung, und wandten ſchon mit Furcht und Zittern den Ruͤcken, ſeine Befehle auszurichten, wenn er kaum halb ausgeredet hatte. Gegen ſeines gleichen ſcheint er eine ertraͤgliche Auffuͤhrung zu ha- ben: er kann von den oͤffentlichen Luſtbarkeiten,
ſon-
Dritter Theil. J i
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0511"n="497"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Zeitvertreib hat ihn verdorbrn. Er iſt ohngefaͤhr<lb/>
dreyßig Jahre alt. Sein Geſicht iſt feuer-roth, und<lb/>
dabey etwas zu ſtarck, und voller Finnen. Seine<lb/>
unordentliche Lebens-Art wird die Dauer ſeines ſinn-<lb/>
lichen Traumes von Vergnuͤgen ſehr abkuͤrtzen: denn<lb/>
er hat einen kurtzen und ſchwindſuͤchtigen Huſten.<lb/>
Allein durch allerhand Spaß uͤber dieſen gefaͤhrli-<lb/>
chen Vorboten, der ihn ernſthafter machen<lb/>ſollte, pflegt er ſich und ſeine Freunde aufzu-<lb/>
muntern.</p><lb/><p>Herr <hirendition="#fr">Mowbray</hi> iſt viel auf Reiſen geweſen,<lb/>
und redet eben ſo viele Sprachen als Herr <hirendition="#fr">Lovelace,</hi><lb/>
allein nicht ſo fluͤchtig. Er iſt von ſehr guter Fami-<lb/>
lie, und ſcheint drey bis vier und dreyßig Jahr alt<lb/>
zu ſeyn. Er iſt groß von Perſon, und hat eine an-<lb/>ſtaͤndige Leibes-Bildung: er hat ſtarcke Knochen:<lb/>
ein dreiſtes und wagendes Geſichte: eine groſſe Nar-<lb/>
be uͤber den Vor-Kopf, und ein ſolches Merckmahl<lb/>
als wenn die Hirn-Schale verletzt waͤre, nebſt noch<lb/>
einer Narbe uͤber den rechten Backen. Er pflegt<lb/>ſich ebenfalls koſtbar zu kleiden: ſeine Bedienten<lb/>
muͤſſen unaufhoͤrlich um ihn ſtehen; er ruft ſie alle<lb/>
Augenblicke, ob er ihnen gleich nichts als Kleinig-<lb/>
keiten zu befehlen hat. Jn der kurtzen Zeit, da ich<lb/>
ihn habe kennen lernen, habe ich dieſes mehrmahls<lb/>
bemercket. Sie gaben ihm beſtaͤndig auf ſeine feu-<lb/>
rigen Augen Achtung, und wandten ſchon mit Furcht<lb/>
und Zittern den Ruͤcken, ſeine Befehle auszurichten,<lb/>
wenn er kaum halb ausgeredet hatte. Gegen ſeines<lb/>
gleichen ſcheint er eine ertraͤgliche Auffuͤhrung zu ha-<lb/>
ben: er kann von den oͤffentlichen Luſtbarkeiten,<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Dritter Theil.</hi> J i</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſon-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[497/0511]
Zeitvertreib hat ihn verdorbrn. Er iſt ohngefaͤhr
dreyßig Jahre alt. Sein Geſicht iſt feuer-roth, und
dabey etwas zu ſtarck, und voller Finnen. Seine
unordentliche Lebens-Art wird die Dauer ſeines ſinn-
lichen Traumes von Vergnuͤgen ſehr abkuͤrtzen: denn
er hat einen kurtzen und ſchwindſuͤchtigen Huſten.
Allein durch allerhand Spaß uͤber dieſen gefaͤhrli-
chen Vorboten, der ihn ernſthafter machen
ſollte, pflegt er ſich und ſeine Freunde aufzu-
muntern.
Herr Mowbray iſt viel auf Reiſen geweſen,
und redet eben ſo viele Sprachen als Herr Lovelace,
allein nicht ſo fluͤchtig. Er iſt von ſehr guter Fami-
lie, und ſcheint drey bis vier und dreyßig Jahr alt
zu ſeyn. Er iſt groß von Perſon, und hat eine an-
ſtaͤndige Leibes-Bildung: er hat ſtarcke Knochen:
ein dreiſtes und wagendes Geſichte: eine groſſe Nar-
be uͤber den Vor-Kopf, und ein ſolches Merckmahl
als wenn die Hirn-Schale verletzt waͤre, nebſt noch
einer Narbe uͤber den rechten Backen. Er pflegt
ſich ebenfalls koſtbar zu kleiden: ſeine Bedienten
muͤſſen unaufhoͤrlich um ihn ſtehen; er ruft ſie alle
Augenblicke, ob er ihnen gleich nichts als Kleinig-
keiten zu befehlen hat. Jn der kurtzen Zeit, da ich
ihn habe kennen lernen, habe ich dieſes mehrmahls
bemercket. Sie gaben ihm beſtaͤndig auf ſeine feu-
rigen Augen Achtung, und wandten ſchon mit Furcht
und Zittern den Ruͤcken, ſeine Befehle auszurichten,
wenn er kaum halb ausgeredet hatte. Gegen ſeines
gleichen ſcheint er eine ertraͤgliche Auffuͤhrung zu ha-
ben: er kann von den oͤffentlichen Luſtbarkeiten,
ſon-
Dritter Theil. J i
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/511>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.