Zweifel ein witziger Einfall meines Bruders! Er gön- net mir Tod und Verzweifelung, jenen wünsche ich mir selbst, und der Verzweifelung bin ich öfters sehr nahe.
Sie werden sich über meine finstere Ernsthaftig- keit nicht verwundern, wenn Sie hören, daß ich in meinen mißlichen Umständen noch eine neue Krän- ckung habe. Es ist mir bey den Büchern ein Brief von dem Obristen Morden übersandt worden, der mich Herrn Lovelacen sehr abgeneigt macht, und mich selbst mir sehr schwartz vorstellet. Jch lege ihn bey: lesen Sie ihn, wenn es Jhnen beliebet.
Der neun und siebenzigste Brief An Fräulein Clarissa Harlowe.
Florentz den 13ten April.
Jch bin sehr bekümmert, daß ich von einem Miß- verständniß höre, welches eine mir so liebe Familie von Jhnen, die Sie mir das Liebste in der gantzen Familie sind, trennet.
Jhr Herr Bruder hat mir Nachricht von ver- schiedenen Heyraths-Vorschlägen, und der Jhrerseits erfolgten abschlägigen Antwort gegeben. Jch wun- dere mich über keines von beyden. Bey meiner Ab- reise von Engeland waren Sie schon so reitzend, und Jhre früheste Jugend versprach schon so vieles auf das künftige: und wie ich höre, sollen Sie dennoch alle Hoffnung, die man sich von Jhnen in Absicht auf die Gestalt und das Gemüth machte, noch weit übertroffen haben. Jch kann mir daher leicht
vor-
Zweifel ein witziger Einfall meines Bruders! Er goͤn- net mir Tod und Verzweifelung, jenen wuͤnſche ich mir ſelbſt, und der Verzweifelung bin ich oͤfters ſehr nahe.
Sie werden ſich uͤber meine finſtere Ernſthaftig- keit nicht verwundern, wenn Sie hoͤren, daß ich in meinen mißlichen Umſtaͤnden noch eine neue Kraͤn- ckung habe. Es iſt mir bey den Buͤchern ein Brief von dem Obriſten Morden uͤberſandt worden, der mich Herrn Lovelacen ſehr abgeneigt macht, und mich ſelbſt mir ſehr ſchwartz vorſtellet. Jch lege ihn bey: leſen Sie ihn, wenn es Jhnen beliebet.
Der neun und ſiebenzigſte Brief An Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Florentz den 13ten April.
Jch bin ſehr bekuͤmmert, daß ich von einem Miß- verſtaͤndniß hoͤre, welches eine mir ſo liebe Familie von Jhnen, die Sie mir das Liebſte in der gantzen Familie ſind, trennet.
Jhr Herr Bruder hat mir Nachricht von ver- ſchiedenen Heyraths-Vorſchlaͤgen, und der Jhrerſeits erfolgten abſchlaͤgigen Antwort gegeben. Jch wun- dere mich uͤber keines von beyden. Bey meiner Ab- reiſe von Engeland waren Sie ſchon ſo reitzend, und Jhre fruͤheſte Jugend verſprach ſchon ſo vieles auf das kuͤnftige: und wie ich hoͤre, ſollen Sie dennoch alle Hoffnung, die man ſich von Jhnen in Abſicht auf die Geſtalt und das Gemuͤth machte, noch weit uͤbertroffen haben. Jch kann mir daher leicht
vor-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0564"n="550"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Zweifel ein witziger Einfall meines Bruders! Er goͤn-<lb/>
net mir Tod und Verzweifelung, jenen wuͤnſche ich mir<lb/>ſelbſt, und der Verzweifelung bin ich oͤfters ſehr nahe.</p><lb/><p>Sie werden ſich uͤber meine finſtere Ernſthaftig-<lb/>
keit nicht verwundern, wenn Sie hoͤren, daß ich in<lb/>
meinen mißlichen Umſtaͤnden noch eine neue Kraͤn-<lb/>
ckung habe. Es iſt mir bey den Buͤchern ein Brief<lb/>
von dem Obriſten <hirendition="#fr">Morden</hi> uͤberſandt worden, der<lb/>
mich Herrn <hirendition="#fr">Lovelacen</hi>ſehr abgeneigt macht, und<lb/>
mich ſelbſt mir ſehr ſchwartz vorſtellet. Jch lege ihn<lb/>
bey: leſen Sie ihn, wenn es Jhnen beliebet.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der neun und ſiebenzigſte Brief<lb/>
An Fraͤulein Clariſſa Harlowe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Florentz den 13ten April.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch bin ſehr bekuͤmmert, daß ich von einem Miß-<lb/>
verſtaͤndniß hoͤre, welches eine mir ſo liebe<lb/>
Familie von Jhnen, die Sie mir das Liebſte in der<lb/>
gantzen Familie ſind, trennet.</p><lb/><p>Jhr Herr Bruder hat mir Nachricht von ver-<lb/>ſchiedenen Heyraths-Vorſchlaͤgen, und der Jhrerſeits<lb/>
erfolgten abſchlaͤgigen Antwort gegeben. Jch wun-<lb/>
dere mich uͤber keines von beyden. Bey meiner Ab-<lb/>
reiſe von Engeland waren Sie ſchon ſo reitzend, und<lb/>
Jhre fruͤheſte Jugend verſprach ſchon ſo vieles auf<lb/>
das kuͤnftige: und wie ich hoͤre, ſollen Sie dennoch<lb/>
alle Hoffnung, die man ſich von Jhnen in Abſicht<lb/>
auf die Geſtalt und das Gemuͤth machte, noch weit<lb/>
uͤbertroffen haben. Jch kann mir daher leicht<lb/><fwplace="bottom"type="catch">vor-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[550/0564]
Zweifel ein witziger Einfall meines Bruders! Er goͤn-
net mir Tod und Verzweifelung, jenen wuͤnſche ich mir
ſelbſt, und der Verzweifelung bin ich oͤfters ſehr nahe.
Sie werden ſich uͤber meine finſtere Ernſthaftig-
keit nicht verwundern, wenn Sie hoͤren, daß ich in
meinen mißlichen Umſtaͤnden noch eine neue Kraͤn-
ckung habe. Es iſt mir bey den Buͤchern ein Brief
von dem Obriſten Morden uͤberſandt worden, der
mich Herrn Lovelacen ſehr abgeneigt macht, und
mich ſelbſt mir ſehr ſchwartz vorſtellet. Jch lege ihn
bey: leſen Sie ihn, wenn es Jhnen beliebet.
Der neun und ſiebenzigſte Brief
An Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Florentz den 13ten April.
Jch bin ſehr bekuͤmmert, daß ich von einem Miß-
verſtaͤndniß hoͤre, welches eine mir ſo liebe
Familie von Jhnen, die Sie mir das Liebſte in der
gantzen Familie ſind, trennet.
Jhr Herr Bruder hat mir Nachricht von ver-
ſchiedenen Heyraths-Vorſchlaͤgen, und der Jhrerſeits
erfolgten abſchlaͤgigen Antwort gegeben. Jch wun-
dere mich uͤber keines von beyden. Bey meiner Ab-
reiſe von Engeland waren Sie ſchon ſo reitzend, und
Jhre fruͤheſte Jugend verſprach ſchon ſo vieles auf
das kuͤnftige: und wie ich hoͤre, ſollen Sie dennoch
alle Hoffnung, die man ſich von Jhnen in Abſicht
auf die Geſtalt und das Gemuͤth machte, noch weit
uͤbertroffen haben. Jch kann mir daher leicht
vor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/564>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.