Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



als Pflicht und Vernunft. Je unangenehmer Jh-
nen der Mann ist, desto mehr Lob verdient Jhre
Verleugnung. Bedencken Sie, daß es ein ordent-
licher und stiller Mann ist, der noch Ehre hat, die
er verlieren könnte, und der, um seinen guten Nah-
men nicht einzubüssen, Jhnen wohl begegnen
wird.

Sie haben jetzt eine Gelegenheit, die stärckste
Probe des Gehorsams und der kindlichen Liebe zu ge-
ben. Ergreiffen Sie diese Gelegenheit: sie ist wür-
dig, von Jhnen ergriffen zu werden, und jedermann
erwartet dieses von Jhnen: wiewohl es mir leyd thut,
daß Sie wider Jhre Neigung eine solche Probe able-
gen sollen. Allein wie schön wird es klingen, wenn
man sagen darf, daß Jhre Eltern Jhnen verpflichtet
sind? Ein recht stoltzes Lob! das Sie aber nicht er-
halten könnten, wenn nichts wider Jhre Neigung
von Jhnen begehret würde. Bedencken Sie:
solche Eltern sollen Jhnen verpflichtet werden,
denen Sie unendlich verpflichtet sind; denen
an dieser Sache so vieles gelegen ist, und
die nicht nachgeben wollen, nachdem sie so oft in glei-
chen Anfoderungen nachgegeben haben; Eltern, die
nun einmal erwarten, daß Sie aus Gehorsam und
aus Zutrauen auf ihre Einsichten und Erfahrung
ihnen wider nachgeben sollen!

Jch hoffe Sie bald zu sehen, und Jhren so lie-
benswürdigen Gehorsam gegenwärtig an Jhnen
zu rühmen. Es ist eine der vornehmsten Absichten
meiner Reise, daß ich mich von den Verbindun-

gen



als Pflicht und Vernunft. Je unangenehmer Jh-
nen der Mann iſt, deſto mehr Lob verdient Jhre
Verleugnung. Bedencken Sie, daß es ein ordent-
licher und ſtiller Mann iſt, der noch Ehre hat, die
er verlieren koͤnnte, und der, um ſeinen guten Nah-
men nicht einzubuͤſſen, Jhnen wohl begegnen
wird.

Sie haben jetzt eine Gelegenheit, die ſtaͤrckſte
Probe des Gehorſams und der kindlichen Liebe zu ge-
ben. Ergreiffen Sie dieſe Gelegenheit: ſie iſt wuͤr-
dig, von Jhnen ergriffen zu werden, und jedermann
erwartet dieſes von Jhnen: wiewohl es mir leyd thut,
daß Sie wider Jhre Neigung eine ſolche Probe able-
gen ſollen. Allein wie ſchoͤn wird es klingen, wenn
man ſagen darf, daß Jhre Eltern Jhnen verpflichtet
ſind? Ein recht ſtoltzes Lob! das Sie aber nicht er-
halten koͤnnten, wenn nichts wider Jhre Neigung
von Jhnen begehret wuͤrde. Bedencken Sie:
ſolche Eltern ſollen Jhnen verpflichtet werden,
denen Sie unendlich verpflichtet ſind; denen
an dieſer Sache ſo vieles gelegen iſt, und
die nicht nachgeben wollen, nachdem ſie ſo oft in glei-
chen Anfoderungen nachgegeben haben; Eltern, die
nun einmal erwarten, daß Sie aus Gehorſam und
aus Zutrauen auf ihre Einſichten und Erfahrung
ihnen wider nachgeben ſollen!

Jch hoffe Sie bald zu ſehen, und Jhren ſo lie-
benswuͤrdigen Gehorſam gegenwaͤrtig an Jhnen
zu ruͤhmen. Es iſt eine der vornehmſten Abſichten
meiner Reiſe, daß ich mich von den Verbindun-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0574" n="560"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
als Pflicht und Vernunft. Je unangenehmer Jh-<lb/>
nen der Mann i&#x017F;t, de&#x017F;to mehr Lob verdient Jhre<lb/>
Verleugnung. Bedencken Sie, daß es ein ordent-<lb/>
licher und &#x017F;tiller Mann i&#x017F;t, der noch Ehre hat, die<lb/>
er verlieren ko&#x0364;nnte, und der, um &#x017F;einen guten Nah-<lb/>
men nicht einzubu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, Jhnen wohl begegnen<lb/>
wird.</p><lb/>
          <p>Sie haben jetzt eine Gelegenheit, die &#x017F;ta&#x0364;rck&#x017F;te<lb/>
Probe des Gehor&#x017F;ams und der kindlichen Liebe zu ge-<lb/>
ben. Ergreiffen Sie die&#x017F;e Gelegenheit: &#x017F;ie i&#x017F;t wu&#x0364;r-<lb/>
dig, von Jhnen ergriffen zu werden, und jedermann<lb/>
erwartet die&#x017F;es von Jhnen: wiewohl es mir leyd thut,<lb/>
daß Sie wider Jhre Neigung eine &#x017F;olche Probe able-<lb/>
gen &#x017F;ollen. Allein wie &#x017F;cho&#x0364;n wird es klingen, wenn<lb/>
man &#x017F;agen darf, daß Jhre Eltern Jhnen verpflichtet<lb/>
&#x017F;ind? Ein recht &#x017F;toltzes Lob! das Sie aber nicht er-<lb/>
halten ko&#x0364;nnten, wenn nichts wider Jhre Neigung<lb/>
von Jhnen begehret wu&#x0364;rde. Bedencken Sie:<lb/>
&#x017F;olche Eltern &#x017F;ollen Jhnen verpflichtet werden,<lb/>
denen Sie unendlich verpflichtet &#x017F;ind; denen<lb/>
an die&#x017F;er Sache &#x017F;o vieles gelegen i&#x017F;t, und<lb/>
die nicht nachgeben wollen, nachdem &#x017F;ie &#x017F;o oft in glei-<lb/>
chen Anfoderungen nachgegeben haben; Eltern, die<lb/>
nun einmal erwarten, daß Sie aus Gehor&#x017F;am und<lb/>
aus Zutrauen auf ihre Ein&#x017F;ichten und Erfahrung<lb/>
ihnen wider nachgeben &#x017F;ollen!</p><lb/>
          <p>Jch hoffe Sie bald zu &#x017F;ehen, und Jhren &#x017F;o lie-<lb/>
benswu&#x0364;rdigen Gehor&#x017F;am gegenwa&#x0364;rtig an Jhnen<lb/>
zu ru&#x0364;hmen. Es i&#x017F;t eine der vornehm&#x017F;ten Ab&#x017F;ichten<lb/>
meiner Rei&#x017F;e, daß ich mich von den Verbindun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[560/0574] als Pflicht und Vernunft. Je unangenehmer Jh- nen der Mann iſt, deſto mehr Lob verdient Jhre Verleugnung. Bedencken Sie, daß es ein ordent- licher und ſtiller Mann iſt, der noch Ehre hat, die er verlieren koͤnnte, und der, um ſeinen guten Nah- men nicht einzubuͤſſen, Jhnen wohl begegnen wird. Sie haben jetzt eine Gelegenheit, die ſtaͤrckſte Probe des Gehorſams und der kindlichen Liebe zu ge- ben. Ergreiffen Sie dieſe Gelegenheit: ſie iſt wuͤr- dig, von Jhnen ergriffen zu werden, und jedermann erwartet dieſes von Jhnen: wiewohl es mir leyd thut, daß Sie wider Jhre Neigung eine ſolche Probe able- gen ſollen. Allein wie ſchoͤn wird es klingen, wenn man ſagen darf, daß Jhre Eltern Jhnen verpflichtet ſind? Ein recht ſtoltzes Lob! das Sie aber nicht er- halten koͤnnten, wenn nichts wider Jhre Neigung von Jhnen begehret wuͤrde. Bedencken Sie: ſolche Eltern ſollen Jhnen verpflichtet werden, denen Sie unendlich verpflichtet ſind; denen an dieſer Sache ſo vieles gelegen iſt, und die nicht nachgeben wollen, nachdem ſie ſo oft in glei- chen Anfoderungen nachgegeben haben; Eltern, die nun einmal erwarten, daß Sie aus Gehorſam und aus Zutrauen auf ihre Einſichten und Erfahrung ihnen wider nachgeben ſollen! Jch hoffe Sie bald zu ſehen, und Jhren ſo lie- benswuͤrdigen Gehorſam gegenwaͤrtig an Jhnen zu ruͤhmen. Es iſt eine der vornehmſten Abſichten meiner Reiſe, daß ich mich von den Verbindun- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/574
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/574>, abgerufen am 22.12.2024.