Jch will nicht daran gedencken, daß das Vermö- gen verschwendet, die Güter verpfändet, und die Nachkommen ihres rechtmäßigen Eigenthums be- raubet sind. Jch verschweige andere Umstände, die sich in einem Briefe an eine so artige Fräulein nicht schicken.
Alles dieses Unglück können Sie vermeiden, al- lerliebste Fräulein Base; Sie können die Gelegen- heit behalten, Gutes zu thun, ja Sie können noch mehrere Gelegenheit dazu bekommen, weil Sie Jh- re eigenen Einkünfte haben sollen: Sie können Jh- re angenehmen Beschäfftigungen ungehindert fortse- tzen, und in allen Tugenden wachsen: und alle diese Vortheile können Sie dadurch erkauffen, wenn Sie das Vergnügen der Augen dafür aufopfern. Wer wollte sich nicht eines so vergänglichen Vergnügens begeben, wenn man dafür so viele wahre Vortheile erlangen kann, da man doch nie alle gute Eigen- schaften an Einem Freyer beysammen antreffen wird?
Ueberlegen Sie alle diese Gründe, die ich noch weiter ausführen könnte, wenn es nöthig wäre. Allein ich schreibe an ein so verständiges Frauen- zimmer, daß dieses überflüßig seyn würde. Ueber- legen Sie selbst alles: und wenn es der Wille Jhrer Eltern nicht ist, daß Sie unverheyrathet bleiben sollen, so erzeigen Sie ihnen diese Gefälligkeit oder diesen Gehorsam. Lassen Sie sich nicht nachsagen, daß sinnliche Vorstellungen, so wie bey andern Jh- res Geschlechts, also auch bey Jhnen mehr gelten,
als
Jch will nicht daran gedencken, daß das Vermoͤ- gen verſchwendet, die Guͤter verpfaͤndet, und die Nachkommen ihres rechtmaͤßigen Eigenthums be- raubet ſind. Jch verſchweige andere Umſtaͤnde, die ſich in einem Briefe an eine ſo artige Fraͤulein nicht ſchicken.
Alles dieſes Ungluͤck koͤnnen Sie vermeiden, al- lerliebſte Fraͤulein Baſe; Sie koͤnnen die Gelegen- heit behalten, Gutes zu thun, ja Sie koͤnnen noch mehrere Gelegenheit dazu bekommen, weil Sie Jh- re eigenen Einkuͤnfte haben ſollen: Sie koͤnnen Jh- re angenehmen Beſchaͤfftigungen ungehindert fortſe- tzen, und in allen Tugenden wachſen: und alle dieſe Vortheile koͤnnen Sie dadurch erkauffen, wenn Sie das Vergnuͤgen der Augen dafuͤr aufopfern. Wer wollte ſich nicht eines ſo vergaͤnglichen Vergnuͤgens begeben, wenn man dafuͤr ſo viele wahre Vortheile erlangen kann, da man doch nie alle gute Eigen- ſchaften an Einem Freyer beyſammen antreffen wird?
Ueberlegen Sie alle dieſe Gruͤnde, die ich noch weiter ausfuͤhren koͤnnte, wenn es noͤthig waͤre. Allein ich ſchreibe an ein ſo verſtaͤndiges Frauen- zimmer, daß dieſes uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde. Ueber- legen Sie ſelbſt alles: und wenn es der Wille Jhrer Eltern nicht iſt, daß Sie unverheyrathet bleiben ſollen, ſo erzeigen Sie ihnen dieſe Gefaͤlligkeit oder dieſen Gehorſam. Laſſen Sie ſich nicht nachſagen, daß ſinnliche Vorſtellungen, ſo wie bey andern Jh- res Geſchlechts, alſo auch bey Jhnen mehr gelten,
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Jch will nicht daran gedencken, daß das Vermoͤ-
gen verſchwendet, die Guͤter verpfaͤndet, und die
Nachkommen ihres rechtmaͤßigen Eigenthums be-
raubet ſind. Jch verſchweige andere Umſtaͤnde, die
ſich in einem Briefe an eine ſo artige Fraͤulein nicht
ſchicken.
Alles dieſes Ungluͤck koͤnnen Sie vermeiden, al-
lerliebſte Fraͤulein Baſe; Sie koͤnnen die Gelegen-
heit behalten, Gutes zu thun, ja Sie koͤnnen noch
mehrere Gelegenheit dazu bekommen, weil Sie Jh-
re eigenen Einkuͤnfte haben ſollen: Sie koͤnnen Jh-
re angenehmen Beſchaͤfftigungen ungehindert fortſe-
tzen, und in allen Tugenden wachſen: und alle dieſe
Vortheile koͤnnen Sie dadurch erkauffen, wenn Sie
das Vergnuͤgen der Augen dafuͤr aufopfern. Wer
wollte ſich nicht eines ſo vergaͤnglichen Vergnuͤgens
begeben, wenn man dafuͤr ſo viele wahre Vortheile
erlangen kann, da man doch nie alle gute Eigen-
ſchaften an Einem Freyer beyſammen antreffen
wird?
Ueberlegen Sie alle dieſe Gruͤnde, die ich noch
weiter ausfuͤhren koͤnnte, wenn es noͤthig waͤre.
Allein ich ſchreibe an ein ſo verſtaͤndiges Frauen-
zimmer, daß dieſes uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde. Ueber-
legen Sie ſelbſt alles: und wenn es der Wille Jhrer
Eltern nicht iſt, daß Sie unverheyrathet bleiben
ſollen, ſo erzeigen Sie ihnen dieſe Gefaͤlligkeit oder
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/573>, abgerufen am 22.12.2024.
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