Wenn jemand in der Welt etwas bey meinem Vetter ausrichten kann, so sind Sie es: ich schreibe deswegen an Sie um Sie zu bitten, daß Sie in der Sache ein gutes Wort reden wollen, die zwischen ihn und derjenigen Fräulein obwaltet, von der jedermann saget, daß sie ihres gleichen in der Welt nicht habe: und das Sprüchwort bleibt doch wahr: alle Leute können nicht zugleich lügen.
Jch weiß zwar nicht, daß er böse Absichten gegen sie hat: allein ich kenne ihn allzu wohl, daß ich bey dem langen Aufschub nicht sollte besorget seyn. Das Frauenzimmer in meiner Familie ist auch voller Furcht: insonderheit sagt meine Schwester, die La- dy Sadleir, welche wie Sie wissen eine sehr kluge Frau ist, daß der Aufschub bey jetzigen Umständen nicht von der Fräulein, sondern von ihm herkom- men müßte. Er ist immer ein Feind des Ehestan- des gewesen: und es könnte ihm in den Kopf kom- men, daß er ihr einen von seinen Hundes-Strei- chen spielen wollte, wie er schon so manchen gethan hat. Wenn dieses zu besorgen seyn sollte, so muß man in Zeiten vorbeugen: denn guter Kath ist zu späte wenn die Sache geschehen ist.
Er ist immer so unverständig und grob gewesen, daß er aus meinen Sprüchwörtern einen Schertz ge- macht hat. Jch aber schäme mich nicht, und werde mich von ihm nie abhalten lassen Sprüchwörter zu
gebrau-
(War in dem vorigen Briefe eingeſchloſſen.)
M ‒ ‒ Hall den 15ten May Montagſ.
Wenn jemand in der Welt etwas bey meinem Vetter ausrichten kann, ſo ſind Sie es: ich ſchreibe deswegen an Sie um Sie zu bitten, daß Sie in der Sache ein gutes Wort reden wollen, die zwiſchen ihn und derjenigen Fraͤulein obwaltet, von der jedermann ſaget, daß ſie ihres gleichen in der Welt nicht habe: und das Spruͤchwort bleibt doch wahr: alle Leute koͤnnen nicht zugleich luͤgen.
Jch weiß zwar nicht, daß er boͤſe Abſichten gegen ſie hat: allein ich kenne ihn allzu wohl, daß ich bey dem langen Aufſchub nicht ſollte beſorget ſeyn. Das Frauenzimmer in meiner Familie iſt auch voller Furcht: inſonderheit ſagt meine Schweſter, die La- dy Sadleir, welche wie Sie wiſſen eine ſehr kluge Frau iſt, daß der Aufſchub bey jetzigen Umſtaͤnden nicht von der Fraͤulein, ſondern von ihm herkom- men muͤßte. Er iſt immer ein Feind des Eheſtan- des geweſen: und es koͤnnte ihm in den Kopf kom- men, daß er ihr einen von ſeinen Hundes-Strei- chen ſpielen wollte, wie er ſchon ſo manchen gethan hat. Wenn dieſes zu beſorgen ſeyn ſollte, ſo muß man in Zeiten vorbeugen: denn guter Kath iſt zu ſpaͤte wenn die Sache geſchehen iſt.
Er iſt immer ſo unverſtaͤndig und grob geweſen, daß er aus meinen Spruͤchwoͤrtern einen Schertz ge- macht hat. Jch aber ſchaͤme mich nicht, und werde mich von ihm nie abhalten laſſen Spruͤchwoͤrter zu
gebrau-
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[114/0120]
(War in dem vorigen Briefe eingeſchloſſen.)
M ‒ ‒ Hall den 15ten May Montagſ.
Wenn jemand in der Welt etwas bey meinem
Vetter ausrichten kann, ſo ſind Sie es: ich
ſchreibe deswegen an Sie um Sie zu bitten, daß
Sie in der Sache ein gutes Wort reden wollen,
die zwiſchen ihn und derjenigen Fraͤulein obwaltet,
von der jedermann ſaget, daß ſie ihres gleichen in
der Welt nicht habe: und das Spruͤchwort bleibt
doch wahr: alle Leute koͤnnen nicht zugleich
luͤgen.
Jch weiß zwar nicht, daß er boͤſe Abſichten gegen
ſie hat: allein ich kenne ihn allzu wohl, daß ich bey
dem langen Aufſchub nicht ſollte beſorget ſeyn. Das
Frauenzimmer in meiner Familie iſt auch voller
Furcht: inſonderheit ſagt meine Schweſter, die La-
dy Sadleir, welche wie Sie wiſſen eine ſehr kluge
Frau iſt, daß der Aufſchub bey jetzigen Umſtaͤnden
nicht von der Fraͤulein, ſondern von ihm herkom-
men muͤßte. Er iſt immer ein Feind des Eheſtan-
des geweſen: und es koͤnnte ihm in den Kopf kom-
men, daß er ihr einen von ſeinen Hundes-Strei-
chen ſpielen wollte, wie er ſchon ſo manchen gethan
hat. Wenn dieſes zu beſorgen ſeyn ſollte, ſo muß
man in Zeiten vorbeugen: denn guter Kath iſt
zu ſpaͤte wenn die Sache geſchehen iſt.
Er iſt immer ſo unverſtaͤndig und grob geweſen,
daß er aus meinen Spruͤchwoͤrtern einen Schertz ge-
macht hat. Jch aber ſchaͤme mich nicht, und werde
mich von ihm nie abhalten laſſen Spruͤchwoͤrter zu
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/120>, abgerufen am 21.11.2024.
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