Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



"so gar ein Paar Hertzoginnen, die jetzt nach der
"neuen vornehmen Mode eine vergnügte Lebens-Art
"in dem Hause ihrer Ober-Herren führen. Allein
"diese gehören auch nur vor Personen vom Stan-
"de, und die es bezahlen können: denn nicht ein je-
"der gemeiner Sünder muß vornehme Kinder un-
"ehrlich machen.

"Dorcas hat einen Haupt-Schlüssel, der alle
"Schieb-Laden öffnet. Es ist ihr befohlen alles auf
"das genaueste wieder zurecht zu legen, wenn sie
"Briefschaften in dem Schrancke suchet. Sara
"und Marichen sollen mir im Abschreiben behülf-
"lich seyn, denn mit einem solchen Kinde muß man
"sehr langsam und behutsam umgehen.

"Es ist ohnmöglich, daß ein so junges Frauen-
"zimmer bey so weniger Erfahrung so vorsichtig seyn
"sollte, wenn es sich selbst gelassen wäre; da sich
"unsere Nymphen so sittsahm aufführen, und in dem
"Hinter-Hause nie etwas von dem Lerm gehöret wird.
"Alles ist ganz artig und stille; unsere Jungfern
"sind wohlgezogen und belesen: der erste Wi-
"derwille wider die alte Mutter ist überwunden.
"Es kann demnach keine andere seyn, die mir
"die Sache schwer macht, als die Fräulein Howe,
"die sich ehemahls in einen unseres gleichen, in den
"ehrlichen Georg Colmar verliebt hatte, wie du
"ohne Zweiffel wissen wirst."

"Aus den Mitteln, die ich mir schon auf alle
"Fälle ausgesonnen habe, wirst du sehen, Bel-
"ford,
daß ich nichts vergesse. Denn man glaubt
"kaum wie sehr richtig der Ausdruck unseres Liedes
"ist."


Der



„ſo gar ein Paar Hertzoginnen, die jetzt nach der
„neuen vornehmen Mode eine vergnuͤgte Lebens-Art
„in dem Hauſe ihrer Ober-Herren fuͤhren. Allein
„dieſe gehoͤren auch nur vor Perſonen vom Stan-
„de, und die es bezahlen koͤnnen: denn nicht ein je-
„der gemeiner Suͤnder muß vornehme Kinder un-
„ehrlich machen.

Dorcas hat einen Haupt-Schluͤſſel, der alle
„Schieb-Laden oͤffnet. Es iſt ihr befohlen alles auf
„das genaueſte wieder zurecht zu legen, wenn ſie
„Briefſchaften in dem Schrancke ſuchet. Sara
„und Marichen ſollen mir im Abſchreiben behuͤlf-
„lich ſeyn, denn mit einem ſolchen Kinde muß man
„ſehr langſam und behutſam umgehen.

„Es iſt ohnmoͤglich, daß ein ſo junges Frauen-
„zimmer bey ſo weniger Erfahrung ſo vorſichtig ſeyn
„ſollte, wenn es ſich ſelbſt gelaſſen waͤre; da ſich
„unſere Nymphen ſo ſittſahm auffuͤhren, und in dem
„Hinter-Hauſe nie etwas von dem Lerm gehoͤret wird.
„Alles iſt ganz artig und ſtille; unſere Jungfern
„ſind wohlgezogen und beleſen: der erſte Wi-
„derwille wider die alte Mutter iſt uͤberwunden.
„Es kann demnach keine andere ſeyn, die mir
„die Sache ſchwer macht, als die Fraͤulein Howe,
„die ſich ehemahls in einen unſeres gleichen, in den
„ehrlichen Georg Colmar verliebt hatte, wie du
„ohne Zweiffel wiſſen wirſt.„

„Aus den Mitteln, die ich mir ſchon auf alle
„Faͤlle ausgeſonnen habe, wirſt du ſehen, Bel-
„ford,
daß ich nichts vergeſſe. Denn man glaubt
„kaum wie ſehr richtig der Ausdruck unſeres Liedes
„iſt.„


Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0017" n="11"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;&#x017F;o gar ein Paar Hertzoginnen, die jetzt nach der<lb/>
&#x201E;neuen vornehmen Mode eine vergnu&#x0364;gte Lebens-Art<lb/>
&#x201E;in dem Hau&#x017F;e ihrer Ober-Herren fu&#x0364;hren. Allein<lb/>
&#x201E;die&#x017F;e geho&#x0364;ren auch nur vor Per&#x017F;onen vom Stan-<lb/>
&#x201E;de, und die es bezahlen ko&#x0364;nnen: denn nicht ein je-<lb/>
&#x201E;der gemeiner Su&#x0364;nder muß vornehme Kinder un-<lb/>
&#x201E;ehrlich machen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#fr">Dorcas</hi> hat einen Haupt-Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el, der alle<lb/>
&#x201E;Schieb-Laden o&#x0364;ffnet. Es i&#x017F;t ihr befohlen alles auf<lb/>
&#x201E;das genaue&#x017F;te wieder zurecht zu legen, wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;Brief&#x017F;chaften in dem Schrancke &#x017F;uchet. <hi rendition="#fr">Sara</hi><lb/>
&#x201E;und <hi rendition="#fr">Marichen</hi> &#x017F;ollen mir im Ab&#x017F;chreiben behu&#x0364;lf-<lb/>
&#x201E;lich &#x017F;eyn, denn mit einem &#x017F;olchen Kinde muß man<lb/>
&#x201E;&#x017F;ehr lang&#x017F;am und behut&#x017F;am umgehen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es i&#x017F;t ohnmo&#x0364;glich, daß ein &#x017F;o junges Frauen-<lb/>
&#x201E;zimmer bey &#x017F;o weniger Erfahrung &#x017F;o vor&#x017F;ichtig &#x017F;eyn<lb/>
&#x201E;&#x017F;ollte, wenn es &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gela&#x017F;&#x017F;en wa&#x0364;re; da &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;un&#x017F;ere Nymphen &#x017F;o &#x017F;itt&#x017F;ahm auffu&#x0364;hren, und in dem<lb/>
&#x201E;Hinter-Hau&#x017F;e nie etwas von dem Lerm geho&#x0364;ret wird.<lb/>
&#x201E;Alles i&#x017F;t ganz artig und &#x017F;tille; un&#x017F;ere Jungfern<lb/>
&#x201E;&#x017F;ind wohlgezogen und bele&#x017F;en: der er&#x017F;te Wi-<lb/>
&#x201E;derwille wider die alte Mutter i&#x017F;t u&#x0364;berwunden.<lb/>
&#x201E;Es kann demnach keine andere &#x017F;eyn, die mir<lb/>
&#x201E;die Sache &#x017F;chwer macht, als die Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Howe,</hi><lb/>
&#x201E;die &#x017F;ich ehemahls in einen un&#x017F;eres gleichen, in den<lb/>
&#x201E;ehrlichen <hi rendition="#fr">Georg Colmar</hi> verliebt hatte, wie du<lb/>
&#x201E;ohne Zweiffel wi&#x017F;&#x017F;en wir&#x017F;t.&#x201E;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aus den Mitteln, die ich mir &#x017F;chon auf alle<lb/>
&#x201E;Fa&#x0364;lle ausge&#x017F;onnen habe, wir&#x017F;t du &#x017F;ehen, <hi rendition="#fr">Bel-<lb/>
&#x201E;ford,</hi> daß ich nichts verge&#x017F;&#x017F;e. Denn man glaubt<lb/>
&#x201E;kaum wie &#x017F;ehr richtig der Ausdruck un&#x017F;eres Liedes<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t.&#x201E;</p>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Der</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0017] „ſo gar ein Paar Hertzoginnen, die jetzt nach der „neuen vornehmen Mode eine vergnuͤgte Lebens-Art „in dem Hauſe ihrer Ober-Herren fuͤhren. Allein „dieſe gehoͤren auch nur vor Perſonen vom Stan- „de, und die es bezahlen koͤnnen: denn nicht ein je- „der gemeiner Suͤnder muß vornehme Kinder un- „ehrlich machen. „Dorcas hat einen Haupt-Schluͤſſel, der alle „Schieb-Laden oͤffnet. Es iſt ihr befohlen alles auf „das genaueſte wieder zurecht zu legen, wenn ſie „Briefſchaften in dem Schrancke ſuchet. Sara „und Marichen ſollen mir im Abſchreiben behuͤlf- „lich ſeyn, denn mit einem ſolchen Kinde muß man „ſehr langſam und behutſam umgehen. „Es iſt ohnmoͤglich, daß ein ſo junges Frauen- „zimmer bey ſo weniger Erfahrung ſo vorſichtig ſeyn „ſollte, wenn es ſich ſelbſt gelaſſen waͤre; da ſich „unſere Nymphen ſo ſittſahm auffuͤhren, und in dem „Hinter-Hauſe nie etwas von dem Lerm gehoͤret wird. „Alles iſt ganz artig und ſtille; unſere Jungfern „ſind wohlgezogen und beleſen: der erſte Wi- „derwille wider die alte Mutter iſt uͤberwunden. „Es kann demnach keine andere ſeyn, die mir „die Sache ſchwer macht, als die Fraͤulein Howe, „die ſich ehemahls in einen unſeres gleichen, in den „ehrlichen Georg Colmar verliebt hatte, wie du „ohne Zweiffel wiſſen wirſt.„ „Aus den Mitteln, die ich mir ſchon auf alle „Faͤlle ausgeſonnen habe, wirſt du ſehen, Bel- „ford, daß ich nichts vergeſſe. Denn man glaubt „kaum wie ſehr richtig der Ausdruck unſeres Liedes „iſt.„ Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/17
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/17>, abgerufen am 28.04.2024.