ärgerlicher, als wenn man lachen muß, und doch böse seyn soll und will.
T. Wenn aber etwas aus der Sache werden soll, so wird es doch noch bis auf den Winter An- stand haben?
M. Was will das naseweise Kind nun?
T. Er will ihnen ja die langen Winter- Abende durch die schönen Erzählungen von frem- den Ländern und durch seinen Raritäten - Kasten verkürtzen. O lassen sie mich doch den gantzen Brief lesen; ich will ihm alles vergeben, was er von mir schreibt.
M. Der klügste Mann wird keinen Liebes- Brief schreiben können, in dem nichts Lächerli- ches sey.
T. Das kommt daher, weil die Liebhaber sel- ten auf der Mittelstraße bleiben. Sie schreiben entweder zu viel oder zu wenig Thorheiten. Al- lein halten sie den Brief des alten Krüppels (ich kann ihn nicht anders nennen) für einen Liebes- Brief?
M. Gut! ich sehe du hast nicht Lust dazu. Jch soll deine Mutter nicht mehr seyn, und du willst nicht heyrathen, wenn ich heyrathe. Jch wollte nur sehen, ob dein Hertz edel oder eigennü- tzig wäre. Jch will meinen eigenen Gedancken folgen: und wenn dir die angenehm sind, so be- lohne mich für meine Gefälligkeit künftig besser, als du bisher gethan hast.
Hiermit flog sie zur Stube hinaus, ohne ei- ne Antwort zu erwarten. Sie schien verdrießlich
zu
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aͤrgerlicher, als wenn man lachen muß, und doch boͤſe ſeyn ſoll und will.
T. Wenn aber etwas aus der Sache werden ſoll, ſo wird es doch noch bis auf den Winter An- ſtand haben?
M. Was will das naſeweiſe Kind nun?
T. Er will ihnen ja die langen Winter- Abende durch die ſchoͤnen Erzaͤhlungen von frem- den Laͤndern und durch ſeinen Raritaͤten - Kaſten verkuͤrtzen. O laſſen ſie mich doch den gantzen Brief leſen; ich will ihm alles vergeben, was er von mir ſchreibt.
M. Der kluͤgſte Mann wird keinen Liebes- Brief ſchreiben koͤnnen, in dem nichts Laͤcherli- ches ſey.
T. Das kommt daher, weil die Liebhaber ſel- ten auf der Mittelſtraße bleiben. Sie ſchreiben entweder zu viel oder zu wenig Thorheiten. Al- lein halten ſie den Brief des alten Kruͤppels (ich kann ihn nicht anders nennen) fuͤr einen Liebes- Brief?
M. Gut! ich ſehe du haſt nicht Luſt dazu. Jch ſoll deine Mutter nicht mehr ſeyn, und du willſt nicht heyrathen, wenn ich heyrathe. Jch wollte nur ſehen, ob dein Hertz edel oder eigennuͤ- tzig waͤre. Jch will meinen eigenen Gedancken folgen: und wenn dir die angenehm ſind, ſo be- lohne mich fuͤr meine Gefaͤlligkeit kuͤnftig beſſer, als du bisher gethan haſt.
Hiermit flog ſie zur Stube hinaus, ohne ei- ne Antwort zu erwarten. Sie ſchien verdrießlich
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aͤrgerlicher, als wenn man lachen muß, und doch
boͤſe ſeyn ſoll und will.
T. Wenn aber etwas aus der Sache werden
ſoll, ſo wird es doch noch bis auf den Winter An-
ſtand haben?
M. Was will das naſeweiſe Kind nun?
T. Er will ihnen ja die langen Winter-
Abende durch die ſchoͤnen Erzaͤhlungen von frem-
den Laͤndern und durch ſeinen Raritaͤten - Kaſten
verkuͤrtzen. O laſſen ſie mich doch den gantzen
Brief leſen; ich will ihm alles vergeben, was er
von mir ſchreibt.
M. Der kluͤgſte Mann wird keinen Liebes-
Brief ſchreiben koͤnnen, in dem nichts Laͤcherli-
ches ſey.
T. Das kommt daher, weil die Liebhaber ſel-
ten auf der Mittelſtraße bleiben. Sie ſchreiben
entweder zu viel oder zu wenig Thorheiten. Al-
lein halten ſie den Brief des alten Kruͤppels (ich
kann ihn nicht anders nennen) fuͤr einen Liebes-
Brief?
M. Gut! ich ſehe du haſt nicht Luſt dazu.
Jch ſoll deine Mutter nicht mehr ſeyn, und du
willſt nicht heyrathen, wenn ich heyrathe. Jch
wollte nur ſehen, ob dein Hertz edel oder eigennuͤ-
tzig waͤre. Jch will meinen eigenen Gedancken
folgen: und wenn dir die angenehm ſind, ſo be-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/191>, abgerufen am 16.02.2025.
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