Jch war zum voraus versichert, daß diese Schöne bey so jungen Jahren, und so munterer und blühender Gesundheit, und so feurigen Au- gen, nicht aus eigenem Triebe so vorsichtig und so wachsam seyn könnte. Feurige Augen sind (so sehr die Poeten sie erheben) ein untrügliches Zei- chen eines losen Hertzens, oder zum wenigsten davon, daß ein solches Hertz einen losen Anbeter nicht verschmähen werde.
Du magst deine Predigten fortsetzen, und der Lord M. mag sich bemühen, mich mit seinem Compendio der Weisheit unseres Volckes zu töd- ten: ich bin meiner Beute nunmehr gewiß versi- chert. Jch bin nun rachgierig: meine Rache und Liebe machen einen Bund, vor dem sich alle ihre Außenwercke werden ergeben müssen. Jch schwö- re einen theuren Eyd, daß die Fräulein Howe für ihre Sünden büßen soll.
Jch bekomme jetzt eben noch einen Brief von dem kleinen giftigen Teufel in die Hände. Wenn die Fräulein diesen Brief nach dessen Erbrechung eben so gut verwahret, als die übrigen, so hoffe ich bald eine Abschrift davon zu haben: denn sie will vor Eifer diesen Morgen einen Kirchgang halten. Jch glaube, daß die Andacht weniger Theil an dieser gottseeligen Spatzier-Fahrt hat, als die Begierde zu wissen, ob sie Freyheit hat, aus dem Hause zu gehen, wenn sie will, ohne daß ich sie hindere und begleite.
Sie
Jch war zum voraus verſichert, daß dieſe Schoͤne bey ſo jungen Jahren, und ſo munterer und bluͤhender Geſundheit, und ſo feurigen Au- gen, nicht aus eigenem Triebe ſo vorſichtig und ſo wachſam ſeyn koͤnnte. Feurige Augen ſind (ſo ſehr die Poeten ſie erheben) ein untruͤgliches Zei- chen eines loſen Hertzens, oder zum wenigſten davon, daß ein ſolches Hertz einen loſen Anbeter nicht verſchmaͤhen werde.
Du magſt deine Predigten fortſetzen, und der Lord M. mag ſich bemuͤhen, mich mit ſeinem Compendio der Weisheit unſeres Volckes zu toͤd- ten: ich bin meiner Beute nunmehr gewiß verſi- chert. Jch bin nun rachgierig: meine Rache und Liebe machen einen Bund, vor dem ſich alle ihre Außenwercke werden ergeben muͤſſen. Jch ſchwoͤ- re einen theuren Eyd, daß die Fraͤulein Howe fuͤr ihre Suͤnden buͤßen ſoll.
Jch bekomme jetzt eben noch einen Brief von dem kleinen giftigen Teufel in die Haͤnde. Wenn die Fraͤulein dieſen Brief nach deſſen Erbrechung eben ſo gut verwahret, als die uͤbrigen, ſo hoffe ich bald eine Abſchrift davon zu haben: denn ſie will vor Eifer dieſen Morgen einen Kirchgang halten. Jch glaube, daß die Andacht weniger Theil an dieſer gottſeeligen Spatzier-Fahrt hat, als die Begierde zu wiſſen, ob ſie Freyheit hat, aus dem Hauſe zu gehen, wenn ſie will, ohne daß ich ſie hindere und begleite.
Sie
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Jch war zum voraus verſichert, daß dieſe
Schoͤne bey ſo jungen Jahren, und ſo munterer
und bluͤhender Geſundheit, und ſo feurigen Au-
gen, nicht aus eigenem Triebe ſo vorſichtig und
ſo wachſam ſeyn koͤnnte. Feurige Augen ſind (ſo
ſehr die Poeten ſie erheben) ein untruͤgliches Zei-
chen eines loſen Hertzens, oder zum wenigſten
davon, daß ein ſolches Hertz einen loſen Anbeter
nicht verſchmaͤhen werde.
Du magſt deine Predigten fortſetzen, und
der Lord M. mag ſich bemuͤhen, mich mit ſeinem
Compendio der Weisheit unſeres Volckes zu toͤd-
ten: ich bin meiner Beute nunmehr gewiß verſi-
chert. Jch bin nun rachgierig: meine Rache und
Liebe machen einen Bund, vor dem ſich alle ihre
Außenwercke werden ergeben muͤſſen. Jch ſchwoͤ-
re einen theuren Eyd, daß die Fraͤulein Howe fuͤr
ihre Suͤnden buͤßen ſoll.
Jch bekomme jetzt eben noch einen Brief von
dem kleinen giftigen Teufel in die Haͤnde. Wenn
die Fraͤulein dieſen Brief nach deſſen Erbrechung
eben ſo gut verwahret, als die uͤbrigen, ſo hoffe
ich bald eine Abſchrift davon zu haben: denn ſie
will vor Eifer dieſen Morgen einen Kirchgang
halten. Jch glaube, daß die Andacht weniger
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/198>, abgerufen am 24.11.2024.
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