Sie hat mir nicht vergönnen wollen, den Thee mir ihr zu trincken. Sie war gestern Abend etwas böse auf mich, weil ich sie nöthigte, bis in die späte Nacht bey mir und dem Frauenzimmer zu bleiben, und sie nicht eher wegließ, als da es Eins schlagen wollte.
Sie sagte bey dem Weggehen: sie erwartete, daß sie den folgenden Tag gantz vor sich alleine haben wollte. Jch hatte die Auszüge aus den Briefen noch nicht gelesen; ich war deswegen sehr ehrerbietig und gehorsam; denn ich hatte mir vor- genommen eine gantz neue Lebens-Art anzufangen, um, wo möglich, allen Verdacht aus ihrem Hertzen zu verbannen. Jch habe zwar keine Ursache mich darüber zu grämen, daß ich bisher in üblen Ver- dacht bey ihr gestanden habe: denn wenn ein Frauenzimmer bey einer Manns Person bleibet, auf die es einen Verdacht hat, ob es gleich Gele- genheit hat, oder zu haben glaubet, zu entfliehen, so ist es kein schlimmes Zeichen.
Sie ist weg. Ehe ich es gewahr ward, war sie die Treppe hinunter geschlichen, und damit ich ihr nicht Gesellschaft leisten könnte, hatte sie eine Sänfte bestellen lassen. Jch habe alle mögliche Vorsichtigkeit gebraucht: sie hat Wilhelmen er- laubet, daß er vor der Sänfte hergehen darf: und Peter der Hausknecht muß in einer mäßigen Ent- fernung nachfolgen, daß ihn Wilhelm immer ab- rufen kann.
Jch
Vierter Theil. N
Sie hat mir nicht vergoͤnnen wollen, den Thee mir ihr zu trincken. Sie war geſtern Abend etwas boͤſe auf mich, weil ich ſie noͤthigte, bis in die ſpaͤte Nacht bey mir und dem Frauenzimmer zu bleiben, und ſie nicht eher wegließ, als da es Eins ſchlagen wollte.
Sie ſagte bey dem Weggehen: ſie erwartete, daß ſie den folgenden Tag gantz vor ſich alleine haben wollte. Jch hatte die Auszuͤge aus den Briefen noch nicht geleſen; ich war deswegen ſehr ehrerbietig und gehorſam; denn ich hatte mir vor- genommen eine gantz neue Lebens-Art anzufangen, um, wo moͤglich, allen Verdacht aus ihrem Hertzen zu verbannen. Jch habe zwar keine Urſache mich daruͤber zu graͤmen, daß ich bisher in uͤblen Ver- dacht bey ihr geſtanden habe: denn wenn ein Frauenzimmer bey einer Manns Perſon bleibet, auf die es einen Verdacht hat, ob es gleich Gele- genheit hat, oder zu haben glaubet, zu entfliehen, ſo iſt es kein ſchlimmes Zeichen.
Sie iſt weg. Ehe ich es gewahr ward, war ſie die Treppe hinunter geſchlichen, und damit ich ihr nicht Geſellſchaft leiſten koͤnnte, hatte ſie eine Saͤnfte beſtellen laſſen. Jch habe alle moͤgliche Vorſichtigkeit gebraucht: ſie hat Wilhelmen er- laubet, daß er vor der Saͤnfte hergehen darf: und Peter der Hausknecht muß in einer maͤßigen Ent- fernung nachfolgen, daß ihn Wilhelm immer ab- rufen kann.
Jch
Vierter Theil. N
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Sie hat mir nicht vergoͤnnen wollen, den Thee
mir ihr zu trincken. Sie war geſtern Abend etwas
boͤſe auf mich, weil ich ſie noͤthigte, bis in die
ſpaͤte Nacht bey mir und dem Frauenzimmer zu
bleiben, und ſie nicht eher wegließ, als da es
Eins ſchlagen wollte.
Sie ſagte bey dem Weggehen: ſie erwartete,
daß ſie den folgenden Tag gantz vor ſich alleine
haben wollte. Jch hatte die Auszuͤge aus den
Briefen noch nicht geleſen; ich war deswegen ſehr
ehrerbietig und gehorſam; denn ich hatte mir vor-
genommen eine gantz neue Lebens-Art anzufangen,
um, wo moͤglich, allen Verdacht aus ihrem Hertzen
zu verbannen. Jch habe zwar keine Urſache mich
daruͤber zu graͤmen, daß ich bisher in uͤblen Ver-
dacht bey ihr geſtanden habe: denn wenn ein
Frauenzimmer bey einer Manns Perſon bleibet,
auf die es einen Verdacht hat, ob es gleich Gele-
genheit hat, oder zu haben glaubet, zu entfliehen,
ſo iſt es kein ſchlimmes Zeichen.
Sie iſt weg. Ehe ich es gewahr ward, war
ſie die Treppe hinunter geſchlichen, und damit ich
ihr nicht Geſellſchaft leiſten koͤnnte, hatte ſie eine
Saͤnfte beſtellen laſſen. Jch habe alle moͤgliche
Vorſichtigkeit gebraucht: ſie hat Wilhelmen er-
laubet, daß er vor der Saͤnfte hergehen darf: und
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/199>, abgerufen am 21.11.2024.
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