[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.Sonnabend mit mir in die Comödie zu gehen, und ich gewiß wußte, daß ich bis auf den letzten Augen- blick nichts versehen hätte: so konnte ich nicht an- ders als sehr bestürtzt darüber werden, wenn ich sahe, daß sie sich den nächsten morgen so sehr geän- dert hatten. Da sie bey dieser neuen Aufführung blieben, und sich theils so nachdrücklich gegen mich erklärten, nachdem sie den Brief von der Fräu- lein Howe erhalten hatten, den sie mit so grosser Ungeduld erwarteten: so mußte ich nothwendig glau- ben, daß ich alles lediglich der Fräulein Howe zu dancken hätte. Mußte ich nicht nothwendig glau- ben, daß etwas neues in dem Wercke sey, dazu es erfodert würde, so fremde gegen mich zu thun? und daß ich von neuen in Gefahr stünde, sie auf ewig zu verlieren? Denn ist dieses nicht stets die erste Bedingung gewesen, welche einzugehen sie sich wil- lig erklärten? Bey den Umständen war es kein Wunder, wenn ich halb von Sinnen kam, u. ich hatte Recht, sie zu beschuldigen, daß sie mich hasseten. Und nun bitte ich sie nochmahls, liebstes Kind, sagen sie mir, wie gefällt mein Aufsatz der Fräulein Howe? Wenn ich mit ihnen streiten wollte, Herr Lo- ten Q 5
Sonnabend mit mir in die Comoͤdie zu gehen, und ich gewiß wußte, daß ich bis auf den letzten Augen- blick nichts verſehen haͤtte: ſo konnte ich nicht an- ders als ſehr beſtuͤrtzt daruͤber werden, wenn ich ſahe, daß ſie ſich den naͤchſten morgen ſo ſehr geaͤn- dert hatten. Da ſie bey dieſer neuen Auffuͤhrung blieben, und ſich theils ſo nachdruͤcklich gegen mich erklaͤrten, nachdem ſie den Brief von der Fraͤu- lein Howe erhalten hatten, den ſie mit ſo groſſer Ungeduld erwarteten: ſo mußte ich nothwendig glau- ben, daß ich alles lediglich der Fraͤulein Howe zu dancken haͤtte. Mußte ich nicht nothwendig glau- ben, daß etwas neues in dem Wercke ſey, dazu es erfodert wuͤrde, ſo fremde gegen mich zu thun? und daß ich von neuen in Gefahr ſtuͤnde, ſie auf ewig zu verlieren? Denn iſt dieſes nicht ſtets die erſte Bedingung geweſen, welche einzugehen ſie ſich wil- lig erklaͤrten? Bey den Umſtaͤnden war es kein Wunder, wenn ich halb von Sinnen kam, u. ich hatte Recht, ſie zu beſchuldigen, daß ſie mich haſſeten. Und nun bitte ich ſie nochmahls, liebſtes Kind, ſagen ſie mir, wie gefaͤllt mein Aufſatz der Fraͤulein Howe? Wenn ich mit ihnen ſtreiten wollte, Herr Lo- ten Q 5
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Sonnabend mit mir in die Comoͤdie zu gehen, und
ich gewiß wußte, daß ich bis auf den letzten Augen-
blick nichts verſehen haͤtte: ſo konnte ich nicht an-
ders als ſehr beſtuͤrtzt daruͤber werden, wenn ich
ſahe, daß ſie ſich den naͤchſten morgen ſo ſehr geaͤn-
dert hatten. Da ſie bey dieſer neuen Auffuͤhrung
blieben, und ſich theils ſo nachdruͤcklich gegen mich
erklaͤrten, nachdem ſie den Brief von der Fraͤu-
lein Howe erhalten hatten, den ſie mit ſo groſſer
Ungeduld erwarteten: ſo mußte ich nothwendig glau-
ben, daß ich alles lediglich der Fraͤulein Howe zu
dancken haͤtte. Mußte ich nicht nothwendig glau-
ben, daß etwas neues in dem Wercke ſey, dazu es
erfodert wuͤrde, ſo fremde gegen mich zu thun? und
daß ich von neuen in Gefahr ſtuͤnde, ſie auf ewig
zu verlieren? Denn iſt dieſes nicht ſtets die erſte
Bedingung geweſen, welche einzugehen ſie ſich wil-
lig erklaͤrten? Bey den Umſtaͤnden war es kein
Wunder, wenn ich halb von Sinnen kam, u. ich hatte
Recht, ſie zu beſchuldigen, daß ſie mich haſſeten. Und
nun bitte ich ſie nochmahls, liebſtes Kind, ſagen ſie
mir, wie gefaͤllt mein Aufſatz der Fraͤulein Howe?
Wenn ich mit ihnen ſtreiten wollte, Herr Lo-
velace, ſo wuͤrde es mir leicht ſeyn, ihre ſchoͤne Re-
de zu beantworten. Jch will aber weiter nichts
ſagen, als dieſes, daß ſich ihre bisherige Auffuͤh-
rung gegen mich gar nicht entſchuldigen laͤßt.
Wenn ihre Abſicht redlich geweſen iſt, ſo ſind ſie
zum wenigſten ſehr geſchaͤfftig geweſen, ihre Gaͤn-
ge zu verwirren, und ſich krumme Wege aufzuſu-
chen. Jch weiß nicht, ob es ihnen an einem aufgeklaͤr-
ten
Q 5
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