Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



"Denn das gestehe ich Jhnen, es hat mich oft
"in meinem Hertzen gekräncket, daß sich die Mei-
"nigen durch ihr allzugroßes Vermögen haben be-
"stricken lassen, so wie Jhnen einige andere Vor-
"züge zum Fallstrick geworden sind, die Sie nicht
"einmahl Jhrem Fleiß zu dancken haben, und de-
"sto weniger darüber hochmüthig werden soll-
"ten."

"Erlauben Sie mir noch bey dieser Gelegen-
"heit, Jhnen zu sagen, daß Herablassung zu ande-
"rer Schwachheit keine Niederträchtigkeit ist.
"Es ist mit dem Nachgeben eine Ehre verbunden,
"von der ein hitziger Kopf sich keine Vorstellung zu
"machen weiß: mein Bruder eben so wenig, als
"Sie. Da Sie aber mehr Verstand haben,
"als er, (deswegen aber setze ich meinen Bruder
"nicht herunter. Jch glaube, daß wider sein
"Leben und Wandel nicht eben das könne einge-
"wandt werden, was man Jhnen nachsaget) so
"wünsche ich, daß Sie an Fortsetzung der Feind-
"schaft unschuldig seyn möchten. Denn ich lebe
"der gewissen Hoffnung, daß noch eine Zeit kom-
"men werde, in der Sie sich einander sprechen kön-
"nen, ohne daß ich als Frau und Schwester Ur-
"sache habe, wegen der Folgen Jhrer Zusammen-
"kunft in Sorgen zu seyn. Jndessen wünsche ich
"gar nicht, daß Sie in etwas nachgeben sollten,
"das Jhre Ehre wahrhaftig betrifft. Jn derglei-
"chen Dingen würde ich eben so eigensinnig ja noch
"eigensinniger seyn; denn ich würde suchen mir im-
"mer selbst gleich zu seyn, und nicht das eine mahl

die
Vierter Theil. R



„Denn das geſtehe ich Jhnen, es hat mich oft
„in meinem Hertzen gekraͤncket, daß ſich die Mei-
„nigen durch ihr allzugroßes Vermoͤgen haben be-
„ſtricken laſſen, ſo wie Jhnen einige andere Vor-
„zuͤge zum Fallſtrick geworden ſind, die Sie nicht
„einmahl Jhrem Fleiß zu dancken haben, und de-
„ſto weniger daruͤber hochmuͤthig werden ſoll-
„ten.„

„Erlauben Sie mir noch bey dieſer Gelegen-
„heit, Jhnen zu ſagen, daß Herablaſſung zu ande-
„rer Schwachheit keine Niedertraͤchtigkeit iſt.
„Es iſt mit dem Nachgeben eine Ehre verbunden,
„von der ein hitziger Kopf ſich keine Vorſtellung zu
„machen weiß: mein Bruder eben ſo wenig, als
„Sie. Da Sie aber mehr Verſtand haben,
„als er, (deswegen aber ſetze ich meinen Bruder
„nicht herunter. Jch glaube, daß wider ſein
„Leben und Wandel nicht eben das koͤnne einge-
„wandt werden, was man Jhnen nachſaget) ſo
„wuͤnſche ich, daß Sie an Fortſetzung der Feind-
„ſchaft unſchuldig ſeyn moͤchten. Denn ich lebe
„der gewiſſen Hoffnung, daß noch eine Zeit kom-
„men werde, in der Sie ſich einander ſprechen koͤn-
„nen, ohne daß ich als Frau und Schweſter Ur-
„ſache habe, wegen der Folgen Jhrer Zuſammen-
„kunft in Sorgen zu ſeyn. Jndeſſen wuͤnſche ich
„gar nicht, daß Sie in etwas nachgeben ſollten,
„das Jhre Ehre wahrhaftig betrifft. Jn derglei-
„chen Dingen wuͤrde ich eben ſo eigenſinnig ja noch
„eigenſinniger ſeyn; denn ich wuͤrde ſuchen mir im-
„mer ſelbſt gleich zu ſeyn, und nicht das eine mahl

die
Vierter Theil. R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <p><pb facs="#f0263" n="257"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;Denn das ge&#x017F;tehe ich Jhnen, es hat mich oft<lb/>
&#x201E;in meinem Hertzen gekra&#x0364;ncket, daß &#x017F;ich die Mei-<lb/>
&#x201E;nigen durch ihr allzugroßes Vermo&#x0364;gen haben be-<lb/>
&#x201E;&#x017F;tricken la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wie Jhnen einige andere Vor-<lb/>
&#x201E;zu&#x0364;ge zum Fall&#x017F;trick geworden &#x017F;ind, die Sie nicht<lb/>
&#x201E;einmahl Jhrem Fleiß zu dancken haben, und de-<lb/>
&#x201E;&#x017F;to weniger daru&#x0364;ber hochmu&#x0364;thig werden &#x017F;oll-<lb/>
&#x201E;ten.&#x201E;</p><lb/>
              <p>&#x201E;Erlauben Sie mir noch bey die&#x017F;er Gelegen-<lb/>
&#x201E;heit, Jhnen zu &#x017F;agen, daß Herabla&#x017F;&#x017F;ung zu ande-<lb/>
&#x201E;rer Schwachheit keine Niedertra&#x0364;chtigkeit i&#x017F;t.<lb/>
&#x201E;Es i&#x017F;t mit dem Nachgeben eine Ehre verbunden,<lb/>
&#x201E;von der ein hitziger Kopf &#x017F;ich keine Vor&#x017F;tellung zu<lb/>
&#x201E;machen weiß: mein Bruder eben &#x017F;o wenig, als<lb/>
&#x201E;Sie. Da Sie aber mehr Ver&#x017F;tand haben,<lb/>
&#x201E;als er, (deswegen aber &#x017F;etze ich meinen Bruder<lb/>
&#x201E;nicht herunter. Jch glaube, daß wider &#x017F;ein<lb/>
&#x201E;Leben und Wandel nicht eben das ko&#x0364;nne einge-<lb/>
&#x201E;wandt werden, was man Jhnen nach&#x017F;aget) &#x017F;o<lb/>
&#x201E;wu&#x0364;n&#x017F;che ich, daß Sie an Fort&#x017F;etzung der Feind-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chaft un&#x017F;chuldig &#x017F;eyn mo&#x0364;chten. Denn ich lebe<lb/>
&#x201E;der gewi&#x017F;&#x017F;en Hoffnung, daß noch eine Zeit kom-<lb/>
&#x201E;men werde, in der Sie &#x017F;ich einander &#x017F;prechen ko&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;nen, ohne daß ich als Frau und Schwe&#x017F;ter Ur-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ache habe, wegen der Folgen Jhrer Zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x201E;kunft in Sorgen zu &#x017F;eyn. Jnde&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;n&#x017F;che ich<lb/>
&#x201E;gar nicht, daß Sie in etwas nachgeben &#x017F;ollten,<lb/>
&#x201E;das Jhre Ehre wahrhaftig betrifft. Jn derglei-<lb/>
&#x201E;chen Dingen wu&#x0364;rde ich eben &#x017F;o eigen&#x017F;innig ja noch<lb/>
&#x201E;eigen&#x017F;inniger &#x017F;eyn; denn ich wu&#x0364;rde &#x017F;uchen mir im-<lb/>
&#x201E;mer &#x017F;elb&#x017F;t gleich zu &#x017F;eyn, und nicht das eine mahl<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Vierter Theil.</hi> R</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0263] „Denn das geſtehe ich Jhnen, es hat mich oft „in meinem Hertzen gekraͤncket, daß ſich die Mei- „nigen durch ihr allzugroßes Vermoͤgen haben be- „ſtricken laſſen, ſo wie Jhnen einige andere Vor- „zuͤge zum Fallſtrick geworden ſind, die Sie nicht „einmahl Jhrem Fleiß zu dancken haben, und de- „ſto weniger daruͤber hochmuͤthig werden ſoll- „ten.„ „Erlauben Sie mir noch bey dieſer Gelegen- „heit, Jhnen zu ſagen, daß Herablaſſung zu ande- „rer Schwachheit keine Niedertraͤchtigkeit iſt. „Es iſt mit dem Nachgeben eine Ehre verbunden, „von der ein hitziger Kopf ſich keine Vorſtellung zu „machen weiß: mein Bruder eben ſo wenig, als „Sie. Da Sie aber mehr Verſtand haben, „als er, (deswegen aber ſetze ich meinen Bruder „nicht herunter. Jch glaube, daß wider ſein „Leben und Wandel nicht eben das koͤnne einge- „wandt werden, was man Jhnen nachſaget) ſo „wuͤnſche ich, daß Sie an Fortſetzung der Feind- „ſchaft unſchuldig ſeyn moͤchten. Denn ich lebe „der gewiſſen Hoffnung, daß noch eine Zeit kom- „men werde, in der Sie ſich einander ſprechen koͤn- „nen, ohne daß ich als Frau und Schweſter Ur- „ſache habe, wegen der Folgen Jhrer Zuſammen- „kunft in Sorgen zu ſeyn. Jndeſſen wuͤnſche ich „gar nicht, daß Sie in etwas nachgeben ſollten, „das Jhre Ehre wahrhaftig betrifft. Jn derglei- „chen Dingen wuͤrde ich eben ſo eigenſinnig ja noch „eigenſinniger ſeyn; denn ich wuͤrde ſuchen mir im- „mer ſelbſt gleich zu ſeyn, und nicht das eine mahl die Vierter Theil. R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/263
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/263>, abgerufen am 22.11.2024.