"die Ehre zu verschertzen, die ich ein anderes mahl "vertheidiget hätte. Wie eitel und verächtlich ist "der Hochmuth, der es mit lauter Kleinigkeiten zu "thun hat, und darin nichts nachgeben will, mit "der wahren Ehre hingegen ein Gespötte treibet!
"Wenn dieser eintzige Punct recht überleget "wird, so wird das übrige insgesammt leichte "seyn. Wenn ich die besondern Einkünfte anneh- "me, die Sie mir zugedacht haben, nebst dem was "von den Einkünften meines Gutes seit dem To- "de meines Großvaters gesparet ist, (welches mehr "beträgt, als Sie vielleicht glauben mögen, da "Sie es mir von freyen Stücken anbieten) so wür- "de ich es für meine Pflicht halten, einen Noth- "pfennig für die Familie beyzulegen. Denn ich "werde mich so einschräncken, daß ich nie mehr "als den zehenden Theil meiner jährlichen Einkünf- "te verschencke, sie mögen so geringe oder so beträcht- "lich seyn, als sie wollen. Jch suche mir nicht durch "Freygebigkeit einen Ruhm zu erwerben. Jch "wünsche weiter nichts, als gebrechlichen Leuten zu "Hülfe zu kommen, und fleißigen Haus-Armen "die ohne ihr Verschulden arm geworden sind, das "Leben zu erleichtern. Die gemeinen Straßen- "Bettler überlasse ich andern mitleidigen Leuten oder "dem Almosen-Amte. Sie können nicht unglückli- "cher werden, als sie sind; und vielleicht wünschen "sie nicht glücklicher zu seyn. Jch bin nicht im "Stande, jedermann zu helfen, und ich verlange "keine überflüßige guten Wercke zu thun. Zwey- "hundert Pfund des Jahrs werden zu meinen be-
"son-
„die Ehre zu verſchertzen, die ich ein anderes mahl „vertheidiget haͤtte. Wie eitel und veraͤchtlich iſt „der Hochmuth, der es mit lauter Kleinigkeiten zu „thun hat, und darin nichts nachgeben will, mit „der wahren Ehre hingegen ein Geſpoͤtte treibet!
„Wenn dieſer eintzige Punct recht uͤberleget „wird, ſo wird das uͤbrige insgeſammt leichte „ſeyn. Wenn ich die beſondern Einkuͤnfte anneh- „me, die Sie mir zugedacht haben, nebſt dem was „von den Einkuͤnften meines Gutes ſeit dem To- „de meines Großvaters geſparet iſt, (welches mehr „betraͤgt, als Sie vielleicht glauben moͤgen, da „Sie es mir von freyen Stuͤcken anbieten) ſo wuͤr- „de ich es fuͤr meine Pflicht halten, einen Noth- „pfennig fuͤr die Familie beyzulegen. Denn ich „werde mich ſo einſchraͤncken, daß ich nie mehr „als den zehenden Theil meiner jaͤhrlichen Einkuͤnf- „te verſchencke, ſie moͤgen ſo geringe oder ſo betraͤcht- „lich ſeyn, als ſie wollen. Jch ſuche mir nicht durch „Freygebigkeit einen Ruhm zu erwerben. Jch „wuͤnſche weiter nichts, als gebrechlichen Leuten zu „Huͤlfe zu kommen, und fleißigen Haus-Armen „die ohne ihr Verſchulden arm geworden ſind, das „Leben zu erleichtern. Die gemeinen Straßen- „Bettler uͤberlaſſe ich andern mitleidigen Leuten oder „dem Almoſen-Amte. Sie koͤnnen nicht ungluͤckli- „cher werden, als ſie ſind; und vielleicht wuͤnſchen „ſie nicht gluͤcklicher zu ſeyn. Jch bin nicht im „Stande, jedermann zu helfen, und ich verlange „keine uͤberfluͤßige guten Wercke zu thun. Zwey- „hundert Pfund des Jahrs werden zu meinen be-
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„die Ehre zu verſchertzen, die ich ein anderes mahl
„vertheidiget haͤtte. Wie eitel und veraͤchtlich iſt
„der Hochmuth, der es mit lauter Kleinigkeiten zu
„thun hat, und darin nichts nachgeben will, mit
„der wahren Ehre hingegen ein Geſpoͤtte treibet!
„Wenn dieſer eintzige Punct recht uͤberleget
„wird, ſo wird das uͤbrige insgeſammt leichte
„ſeyn. Wenn ich die beſondern Einkuͤnfte anneh-
„me, die Sie mir zugedacht haben, nebſt dem was
„von den Einkuͤnften meines Gutes ſeit dem To-
„de meines Großvaters geſparet iſt, (welches mehr
„betraͤgt, als Sie vielleicht glauben moͤgen, da
„Sie es mir von freyen Stuͤcken anbieten) ſo wuͤr-
„de ich es fuͤr meine Pflicht halten, einen Noth-
„pfennig fuͤr die Familie beyzulegen. Denn ich
„werde mich ſo einſchraͤncken, daß ich nie mehr
„als den zehenden Theil meiner jaͤhrlichen Einkuͤnf-
„te verſchencke, ſie moͤgen ſo geringe oder ſo betraͤcht-
„lich ſeyn, als ſie wollen. Jch ſuche mir nicht durch
„Freygebigkeit einen Ruhm zu erwerben. Jch
„wuͤnſche weiter nichts, als gebrechlichen Leuten zu
„Huͤlfe zu kommen, und fleißigen Haus-Armen
„die ohne ihr Verſchulden arm geworden ſind, das
„Leben zu erleichtern. Die gemeinen Straßen-
„Bettler uͤberlaſſe ich andern mitleidigen Leuten oder
„dem Almoſen-Amte. Sie koͤnnen nicht ungluͤckli-
„cher werden, als ſie ſind; und vielleicht wuͤnſchen
„ſie nicht gluͤcklicher zu ſeyn. Jch bin nicht im
„Stande, jedermann zu helfen, und ich verlange
„keine uͤberfluͤßige guten Wercke zu thun. Zwey-
„hundert Pfund des Jahrs werden zu meinen be-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/264>, abgerufen am 21.11.2024.
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