und daß ich mich in das allervortreflichste Frauen- zimmer sterblich verliebt habe?
Doch wir wollen nicht von Weisheit, sondern von List und Klugheit reden; das ist, wir wollen die Frauens-Leute als Frauens-Leute betrachten. Was ist zu thun, wenn sich in dem Gehirn meiner Schönen etwas befindet, daß bey keiner andern Schönen anzutreffen ist? Sie hat einen eigenen Bo- ten nach Wilsons Hause geschickt, und einmahl über das andere befohlen, ihr die Briefe die einlauf- fen werden den Augenblick zuzuschicken.
Jch muß nun auf etwas neues dencken. Sie fürchtet sich nicht mehr vor dem Anschlage ihres Bruders. Jch werde mich gar nicht darüber wun- dern, wenn Singleton der Fräulein Howe, als der einzigen Person die weiß oder wissen kann, wo die Fräulein Harlowe sich befindet, seine Aufwar- tung macht, und vorgiebt, daß er ihr grosse und wich- tige Dienste leisten könne, wenn er sie nur ein eintzi- ges mahl sprechen dürfte. Der Verdacht wird im- mer entstehen, daß er es mit ihrem Bruder abgere- det habe.
Alsdenn wird die Fräulein Howe sie warnen, sich zu Hause zu halten, und mein Schutz wird wie- der nöthig seyn. Jch hoffe, daß dieses Mittel sei- ne gute Wirckung haben wird. Alles was Fräu- lein Howe saget, das findet bey meiner Schönen Eingang. Joseph Lehman ist in ihren Augen ein abscheulicher Mensch, der alles thut und saget was ich ihm befehle. Joseph, der ehrliche Jo- seph (wie ich ihn zu nennen pflege) mag sich nun-
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und daß ich mich in das allervortreflichſte Frauen- zimmer ſterblich verliebt habe?
Doch wir wollen nicht von Weisheit, ſondern von Liſt und Klugheit reden; das iſt, wir wollen die Frauens-Leute als Frauens-Leute betrachten. Was iſt zu thun, wenn ſich in dem Gehirn meiner Schoͤnen etwas befindet, daß bey keiner andern Schoͤnen anzutreffen iſt? Sie hat einen eigenen Bo- ten nach Wilſons Hauſe geſchickt, und einmahl uͤber das andere befohlen, ihr die Briefe die einlauf- fen werden den Augenblick zuzuſchicken.
Jch muß nun auf etwas neues dencken. Sie fuͤrchtet ſich nicht mehr vor dem Anſchlage ihres Bruders. Jch werde mich gar nicht daruͤber wun- dern, wenn Singleton der Fraͤulein Howe, als der einzigen Perſon die weiß oder wiſſen kann, wo die Fraͤulein Harlowe ſich befindet, ſeine Aufwar- tung macht, und vorgiebt, daß er ihr groſſe und wich- tige Dienſte leiſten koͤnne, wenn er ſie nur ein eintzi- ges mahl ſprechen duͤrfte. Der Verdacht wird im- mer entſtehen, daß er es mit ihrem Bruder abgere- det habe.
Alsdenn wird die Fraͤulein Howe ſie warnen, ſich zu Hauſe zu halten, und mein Schutz wird wie- der noͤthig ſeyn. Jch hoffe, daß dieſes Mittel ſei- ne gute Wirckung haben wird. Alles was Fraͤu- lein Howe ſaget, das findet bey meiner Schoͤnen Eingang. Joſeph Lehman iſt in ihren Augen ein abſcheulicher Menſch, der alles thut und ſaget was ich ihm befehle. Joſeph, der ehrliche Jo- ſeph (wie ich ihn zu nennen pflege) mag ſich nun-
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und daß ich mich in das allervortreflichſte Frauen-
zimmer ſterblich verliebt habe?
Doch wir wollen nicht von Weisheit, ſondern
von Liſt und Klugheit reden; das iſt, wir wollen
die Frauens-Leute als Frauens-Leute betrachten.
Was iſt zu thun, wenn ſich in dem Gehirn meiner
Schoͤnen etwas befindet, daß bey keiner andern
Schoͤnen anzutreffen iſt? Sie hat einen eigenen Bo-
ten nach Wilſons Hauſe geſchickt, und einmahl
uͤber das andere befohlen, ihr die Briefe die einlauf-
fen werden den Augenblick zuzuſchicken.
Jch muß nun auf etwas neues dencken. Sie
fuͤrchtet ſich nicht mehr vor dem Anſchlage ihres
Bruders. Jch werde mich gar nicht daruͤber wun-
dern, wenn Singleton der Fraͤulein Howe, als
der einzigen Perſon die weiß oder wiſſen kann, wo
die Fraͤulein Harlowe ſich befindet, ſeine Aufwar-
tung macht, und vorgiebt, daß er ihr groſſe und wich-
tige Dienſte leiſten koͤnne, wenn er ſie nur ein eintzi-
ges mahl ſprechen duͤrfte. Der Verdacht wird im-
mer entſtehen, daß er es mit ihrem Bruder abgere-
det habe.
Alsdenn wird die Fraͤulein Howe ſie warnen,
ſich zu Hauſe zu halten, und mein Schutz wird wie-
der noͤthig ſeyn. Jch hoffe, daß dieſes Mittel ſei-
ne gute Wirckung haben wird. Alles was Fraͤu-
lein Howe ſaget, das findet bey meiner Schoͤnen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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