eine geringe Sünde seyn, wenn die Briefe der bey- den Mädchens nicht von Hochverrath gegen mich handeln.
Mittewochens früh.
Jch habe ihr eben so wenig bey dem Früh-Stück als gestern bey dem Abendessen meine Aufwartung machen dürfen. Wenn das Mädchen nur dennoch nicht am Ende ein einfältiges Kind ist. Jch habe in des Capitain Mennells Nahmen an sie geschickt: gnädige Frau, der Capitain Mennell läßt sei- ne gehorsamste Empfehlung machen - -
Nichts will helfen. Sie ist den Jahren nach noch ein Kind: man kann von ihr nicht erwarten, daß sie in allen Stücken ein --- bald hätte ich gesagt, ein Salomon seyn soll. Salomon, Bruder, war der weiseste Mann in der Welt: hast du aber je gehört, welches das weiseste Frauenzimmer in der Welt gewesen ist? Jch habe diese Nachricht nöthig, damit ich eine Vergleichung mit meinem Kinde an- stellen könne. Von arglistigen Weibern und Hexen lesen wir genug; allein ich glaube Weisheit ist nie eine Eigenschaft dieses Geschlechts gewesen. Man fodert sie gar nicht von ihnen. Es ist wahr, gantze Länder pflegen unter Königinnen glücklicher zu seyn, als unter Königen. Allein woher kommt das? Die Königin läßt sich von Männern und der König von Weibern regieren. Das ist ein guter Einfall: so entdecken wir endlich, wer in jedem Reiche das Ruder führet. Und du elender Kerl willst mich darüber auslachen, daß ich diesem Geschlecht so ergeben bin?
und
eine geringe Suͤnde ſeyn, wenn die Briefe der bey- den Maͤdchens nicht von Hochverrath gegen mich handeln.
Mittewochens fruͤh.
Jch habe ihr eben ſo wenig bey dem Fruͤh-Stuͤck als geſtern bey dem Abendeſſen meine Aufwartung machen duͤrfen. Wenn das Maͤdchen nur dennoch nicht am Ende ein einfaͤltiges Kind iſt. Jch habe in des Capitain Mennells Nahmen an ſie geſchickt: gnaͤdige Frau, der Capitain Mennell laͤßt ſei- ne gehorſamſte Empfehlung machen ‒ ‒
Nichts will helfen. Sie iſt den Jahren nach noch ein Kind: man kann von ihr nicht erwarten, daß ſie in allen Stuͤcken ein ‒‒‒ bald haͤtte ich geſagt, ein Salomon ſeyn ſoll. Salomon, Bruder, war der weiſeſte Mann in der Welt: haſt du aber je gehoͤrt, welches das weiſeſte Frauenzimmer in der Welt geweſen iſt? Jch habe dieſe Nachricht noͤthig, damit ich eine Vergleichung mit meinem Kinde an- ſtellen koͤnne. Von argliſtigen Weibern und Hexen leſen wir genug; allein ich glaube Weisheit iſt nie eine Eigenſchaft dieſes Geſchlechts geweſen. Man fodert ſie gar nicht von ihnen. Es iſt wahr, gantze Laͤnder pflegen unter Koͤniginnen gluͤcklicher zu ſeyn, als unter Koͤnigen. Allein woher kommt das? Die Koͤnigin laͤßt ſich von Maͤnnern und der Koͤnig von Weibern regieren. Das iſt ein guter Einfall: ſo entdecken wir endlich, wer in jedem Reiche das Ruder fuͤhret. Und du elender Kerl willſt mich daruͤber auslachen, daß ich dieſem Geſchlecht ſo ergeben bin?
und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0026"n="20"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
eine geringe Suͤnde ſeyn, wenn die Briefe der bey-<lb/>
den Maͤdchens nicht von Hochverrath gegen mich<lb/>
handeln.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#et">Mittewochens fruͤh.</hi></p><lb/><p>Jch habe ihr eben ſo wenig bey dem Fruͤh-Stuͤck<lb/>
als geſtern bey dem Abendeſſen meine Aufwartung<lb/>
machen duͤrfen. Wenn das Maͤdchen nur dennoch<lb/>
nicht am Ende ein einfaͤltiges Kind iſt. Jch habe<lb/>
in des <hirendition="#fr">Capitain Mennells</hi> Nahmen an ſie geſchickt:<lb/><hirendition="#fr">gnaͤdige Frau, der Capitain Mennell laͤßt ſei-<lb/>
ne gehorſamſte Empfehlung machen ‒‒</hi></p><lb/><p>Nichts will helfen. Sie iſt den Jahren nach<lb/>
noch ein Kind: man kann von ihr nicht erwarten,<lb/>
daß ſie in allen Stuͤcken ein ‒‒‒ bald haͤtte ich geſagt,<lb/>
ein <hirendition="#fr">Salomon</hi>ſeyn ſoll. <hirendition="#fr">Salomon,</hi> Bruder, war<lb/>
der weiſeſte Mann in der Welt: haſt du aber je<lb/>
gehoͤrt, welches das weiſeſte Frauenzimmer in der<lb/>
Welt geweſen iſt? Jch habe dieſe Nachricht noͤthig,<lb/>
damit ich eine Vergleichung mit meinem Kinde an-<lb/>ſtellen koͤnne. Von argliſtigen Weibern und Hexen<lb/>
leſen wir genug; allein ich glaube Weisheit iſt nie<lb/>
eine Eigenſchaft dieſes Geſchlechts geweſen. Man<lb/>
fodert ſie gar nicht von ihnen. Es iſt wahr, gantze<lb/>
Laͤnder pflegen unter Koͤniginnen gluͤcklicher zu ſeyn,<lb/>
als unter Koͤnigen. Allein woher kommt das? Die<lb/>
Koͤnigin laͤßt ſich von Maͤnnern und der Koͤnig von<lb/>
Weibern regieren. Das iſt ein guter Einfall: ſo<lb/>
entdecken wir endlich, wer in jedem Reiche das Ruder<lb/>
fuͤhret. Und du elender Kerl willſt mich daruͤber<lb/>
auslachen, daß ich dieſem Geſchlecht ſo ergeben bin?<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[20/0026]
eine geringe Suͤnde ſeyn, wenn die Briefe der bey-
den Maͤdchens nicht von Hochverrath gegen mich
handeln.
Mittewochens fruͤh.
Jch habe ihr eben ſo wenig bey dem Fruͤh-Stuͤck
als geſtern bey dem Abendeſſen meine Aufwartung
machen duͤrfen. Wenn das Maͤdchen nur dennoch
nicht am Ende ein einfaͤltiges Kind iſt. Jch habe
in des Capitain Mennells Nahmen an ſie geſchickt:
gnaͤdige Frau, der Capitain Mennell laͤßt ſei-
ne gehorſamſte Empfehlung machen ‒ ‒
Nichts will helfen. Sie iſt den Jahren nach
noch ein Kind: man kann von ihr nicht erwarten,
daß ſie in allen Stuͤcken ein ‒‒‒ bald haͤtte ich geſagt,
ein Salomon ſeyn ſoll. Salomon, Bruder, war
der weiſeſte Mann in der Welt: haſt du aber je
gehoͤrt, welches das weiſeſte Frauenzimmer in der
Welt geweſen iſt? Jch habe dieſe Nachricht noͤthig,
damit ich eine Vergleichung mit meinem Kinde an-
ſtellen koͤnne. Von argliſtigen Weibern und Hexen
leſen wir genug; allein ich glaube Weisheit iſt nie
eine Eigenſchaft dieſes Geſchlechts geweſen. Man
fodert ſie gar nicht von ihnen. Es iſt wahr, gantze
Laͤnder pflegen unter Koͤniginnen gluͤcklicher zu ſeyn,
als unter Koͤnigen. Allein woher kommt das? Die
Koͤnigin laͤßt ſich von Maͤnnern und der Koͤnig von
Weibern regieren. Das iſt ein guter Einfall: ſo
entdecken wir endlich, wer in jedem Reiche das Ruder
fuͤhret. Und du elender Kerl willſt mich daruͤber
auslachen, daß ich dieſem Geſchlecht ſo ergeben bin?
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/26>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.