Das ist artig! Jch küßte von neuen ihre Hand, und sie war die Gütigkeit selbst. Jch sagte: ich wünschte nur, daß ich ihre Gütigkeit besser verdie- nete. Wir hätten jetzt unsere güldene Zeit vor uns. Jhre Gegenwart und ihr edles Mitleiden hätte mich gantz geheilet. Es fehlete mir nichts mehr. Weil aber mein Kind es haben will, so will ich mich austragen lassen. Rufet mir eine Sänf- te. O mein allerliebstes Kind! Wenn auch die- se Unpäßlichkeit von meiner bisherigen Unruhe herrühren sollte, so ist doch alles reichlich dadurch belohnet, daß sie jetzt so gütig gegen mich sind. Jhre Blicke sind meine beste Artzeney, und ihr bis- heriger Unwille ist eintzig und allein meine Kranck- heit gewesen.
Frau Sinclair, Dorcas, Marichen und selbst Mabell (denn Sarah gieng hinaus, als mein Engel hinein kam,) danckten dem Himmel mit aufgehobenen Händen und Augen für meine Genesung: und redeten sachte mit einander, so daß man es hören konnte.
Die Liebe ist dennoch ein loses Ding, sagte die eine. Die andere: ein allerliebster Gemahl. Alle nenneten uns ein glückliches Paar.
Wie roth wurde das liebe Kind! wie hell wur- den ihm die Augen! Denn ist das Lob angenehm, wenn man es verdient, sonst setzt es einen nur herun- ter, und macht stumm und blöde. Ein verdientes Lob gibt einen Zaghaften und Kleingläubigen ein neues Leben, und nimmt gleichsam eine neue Schö- pfung mit ihm vor.
Ver-
Das iſt artig! Jch kuͤßte von neuen ihre Hand, und ſie war die Guͤtigkeit ſelbſt. Jch ſagte: ich wuͤnſchte nur, daß ich ihre Guͤtigkeit beſſer verdie- nete. Wir haͤtten jetzt unſere guͤldene Zeit vor uns. Jhre Gegenwart und ihr edles Mitleiden haͤtte mich gantz geheilet. Es fehlete mir nichts mehr. Weil aber mein Kind es haben will, ſo will ich mich austragen laſſen. Rufet mir eine Saͤnf- te. O mein allerliebſtes Kind! Wenn auch die- ſe Unpaͤßlichkeit von meiner bisherigen Unruhe herruͤhren ſollte, ſo iſt doch alles reichlich dadurch belohnet, daß ſie jetzt ſo guͤtig gegen mich ſind. Jhre Blicke ſind meine beſte Artzeney, und ihr bis- heriger Unwille iſt eintzig und allein meine Kranck- heit geweſen.
Frau Sinclair, Dorcas, Marichen und ſelbſt Mabell (denn Sarah gieng hinaus, als mein Engel hinein kam,) danckten dem Himmel mit aufgehobenen Haͤnden und Augen fuͤr meine Geneſung: und redeten ſachte mit einander, ſo daß man es hoͤren konnte.
Die Liebe iſt dennoch ein loſes Ding, ſagte die eine. Die andere: ein allerliebſter Gemahl. Alle nenneten uns ein gluͤckliches Paar.
Wie roth wurde das liebe Kind! wie hell wur- den ihm die Augen! Denn iſt das Lob angenehm, wenn man es verdient, ſonſt ſetzt es einen nur herun- ter, und macht ſtumm und bloͤde. Ein verdientes Lob gibt einen Zaghaften und Kleinglaͤubigen ein neues Leben, und nimmt gleichſam eine neue Schoͤ- pfung mit ihm vor.
Ver-
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Das iſt artig! Jch kuͤßte von neuen ihre Hand,
und ſie war die Guͤtigkeit ſelbſt. Jch ſagte: ich
wuͤnſchte nur, daß ich ihre Guͤtigkeit beſſer verdie-
nete. Wir haͤtten jetzt unſere guͤldene Zeit vor
uns. Jhre Gegenwart und ihr edles Mitleiden
haͤtte mich gantz geheilet. Es fehlete mir nichts
mehr. Weil aber mein Kind es haben will, ſo will
ich mich austragen laſſen. Rufet mir eine Saͤnf-
te. O mein allerliebſtes Kind! Wenn auch die-
ſe Unpaͤßlichkeit von meiner bisherigen Unruhe
herruͤhren ſollte, ſo iſt doch alles reichlich dadurch
belohnet, daß ſie jetzt ſo guͤtig gegen mich ſind.
Jhre Blicke ſind meine beſte Artzeney, und ihr bis-
heriger Unwille iſt eintzig und allein meine Kranck-
heit geweſen.
Frau Sinclair, Dorcas, Marichen und
ſelbſt Mabell (denn Sarah gieng hinaus, als
mein Engel hinein kam,) danckten dem Himmel
mit aufgehobenen Haͤnden und Augen fuͤr meine
Geneſung: und redeten ſachte mit einander, ſo daß
man es hoͤren konnte.
Die Liebe iſt dennoch ein loſes Ding, ſagte die
eine. Die andere: ein allerliebſter Gemahl.
Alle nenneten uns ein gluͤckliches Paar.
Wie roth wurde das liebe Kind! wie hell wur-
den ihm die Augen! Denn iſt das Lob angenehm,
wenn man es verdient, ſonſt ſetzt es einen nur herun-
ter, und macht ſtumm und bloͤde. Ein verdientes
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/334>, abgerufen am 24.11.2024.
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