Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



Capitains zu beantworten hätte. Jch wußte,
was ich antworten wollte; das kannst du glau-
ben: allein die Absendung der Dorcas machte
mich furchtsam. Jch war eben mit einem Mei-
sterstücke in Arbeit. Jch wollte mir die genaue
Erkundigung des Capitains zu Nutze machen,
und sie dadurch zwingen, sich vor ihm für verehe-
licht auszugeben, wie sie unten im Hause gethan
hatte. Hätte sie dieses gethan, so sollte sie an ih-
ren Onckle ein Dancksagungs-Schreiben ergehen
lassen, welches sie hätte unterzeichnen müssen,
Clarissa Lovelace. Daher hatte ich nicht Lust,
ihr auf den ersten Wink zu kommen. Weil ich
aber doch die Sachen nicht zu weit treiben wollte,
so suchte ich ihn von seiner Frage abzubringen,
und die Unterredung so zu lencken, daß er eine
nähere Nachricht von seinen Umständen geben
mußte; wie auch, woher Herr Harlowe das
Haus erfahren hätte, in dem wir wohneten; und
von andern Dingen mehr, die sie aufmercksam
machen, und zugleich überzeugen konnte, daß es
nöthig wäre, die bejahende Antwort zu ertheilen,
die schon in meiner Brust beschlossen war. Alles
dieses geschahe um ihrentwillen. Jch fragte sie
selbst nachher: was mir daran gelegen wäre, ob
wir mit einer Famile ausgesöhnet würden, die ich
Zeit Lebens verachten müßte?

Sie glauben, Herr Capitain, daß ich ihre Fra-
ge zweydeutig beantwortet habe. Sie mögen das
glauben. Jch habe eine feine Gabe von Hoch-
muth: und wenn sie nicht ein Cavallier wären,

der



Capitains zu beantworten haͤtte. Jch wußte,
was ich antworten wollte; das kannſt du glau-
ben: allein die Abſendung der Dorcas machte
mich furchtſam. Jch war eben mit einem Mei-
ſterſtuͤcke in Arbeit. Jch wollte mir die genaue
Erkundigung des Capitains zu Nutze machen,
und ſie dadurch zwingen, ſich vor ihm fuͤr verehe-
licht auszugeben, wie ſie unten im Hauſe gethan
hatte. Haͤtte ſie dieſes gethan, ſo ſollte ſie an ih-
ren Onckle ein Danckſagungs-Schreiben ergehen
laſſen, welches ſie haͤtte unterzeichnen muͤſſen,
Clariſſa Lovelace. Daher hatte ich nicht Luſt,
ihr auf den erſten Wink zu kommen. Weil ich
aber doch die Sachen nicht zu weit treiben wollte,
ſo ſuchte ich ihn von ſeiner Frage abzubringen,
und die Unterredung ſo zu lencken, daß er eine
naͤhere Nachricht von ſeinen Umſtaͤnden geben
mußte; wie auch, woher Herr Harlowe das
Haus erfahren haͤtte, in dem wir wohneten; und
von andern Dingen mehr, die ſie aufmerckſam
machen, und zugleich uͤberzeugen konnte, daß es
noͤthig waͤre, die bejahende Antwort zu ertheilen,
die ſchon in meiner Bruſt beſchloſſen war. Alles
dieſes geſchahe um ihrentwillen. Jch fragte ſie
ſelbſt nachher: was mir daran gelegen waͤre, ob
wir mit einer Famile ausgeſoͤhnet wuͤrden, die ich
Zeit Lebens verachten muͤßte?

Sie glauben, Herr Capitain, daß ich ihre Fra-
ge zweydeutig beantwortet habe. Sie moͤgen das
glauben. Jch habe eine feine Gabe von Hoch-
muth: und wenn ſie nicht ein Cavallier waͤren,

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="348"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Capitains zu beantworten ha&#x0364;tte. Jch wußte,<lb/>
was ich antworten wollte; das kann&#x017F;t du glau-<lb/>
ben: allein die Ab&#x017F;endung der <hi rendition="#fr">Dorcas</hi> machte<lb/>
mich furcht&#x017F;am. Jch war eben mit einem Mei-<lb/>
&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;cke in Arbeit. Jch wollte mir die genaue<lb/>
Erkundigung des Capitains zu Nutze machen,<lb/>
und &#x017F;ie dadurch zwingen, &#x017F;ich vor ihm fu&#x0364;r verehe-<lb/>
licht auszugeben, wie &#x017F;ie unten im Hau&#x017F;e gethan<lb/>
hatte. Ha&#x0364;tte &#x017F;ie die&#x017F;es gethan, &#x017F;o &#x017F;ollte &#x017F;ie an ih-<lb/>
ren Onckle ein Danck&#x017F;agungs-Schreiben ergehen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, welches &#x017F;ie ha&#x0364;tte unterzeichnen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/><hi rendition="#fr">Clari&#x017F;&#x017F;a Lovelace.</hi> Daher hatte ich nicht Lu&#x017F;t,<lb/>
ihr auf den er&#x017F;ten Wink zu kommen. Weil ich<lb/>
aber doch die Sachen nicht zu weit treiben wollte,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;uchte ich ihn von &#x017F;einer Frage abzubringen,<lb/>
und die Unterredung &#x017F;o zu lencken, daß er eine<lb/>
na&#x0364;here Nachricht von &#x017F;einen Um&#x017F;ta&#x0364;nden geben<lb/>
mußte; wie auch, woher Herr <hi rendition="#fr">Harlowe</hi> das<lb/>
Haus erfahren ha&#x0364;tte, in dem wir wohneten; und<lb/>
von andern Dingen mehr, die &#x017F;ie aufmerck&#x017F;am<lb/>
machen, und zugleich u&#x0364;berzeugen konnte, daß es<lb/>
no&#x0364;thig wa&#x0364;re, die bejahende Antwort zu ertheilen,<lb/>
die &#x017F;chon in meiner Bru&#x017F;t be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war. Alles<lb/>
die&#x017F;es ge&#x017F;chahe um ihrentwillen. Jch fragte &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nachher: was mir daran gelegen wa&#x0364;re, ob<lb/>
wir mit einer Famile ausge&#x017F;o&#x0364;hnet wu&#x0364;rden, die ich<lb/>
Zeit Lebens verachten mu&#x0364;ßte?</p><lb/>
          <p>Sie glauben, Herr Capitain, daß ich ihre Fra-<lb/>
ge zweydeutig beantwortet habe. Sie mo&#x0364;gen das<lb/>
glauben. Jch habe eine feine Gabe von Hoch-<lb/>
muth: und wenn &#x017F;ie nicht ein Cavallier wa&#x0364;ren,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0354] Capitains zu beantworten haͤtte. Jch wußte, was ich antworten wollte; das kannſt du glau- ben: allein die Abſendung der Dorcas machte mich furchtſam. Jch war eben mit einem Mei- ſterſtuͤcke in Arbeit. Jch wollte mir die genaue Erkundigung des Capitains zu Nutze machen, und ſie dadurch zwingen, ſich vor ihm fuͤr verehe- licht auszugeben, wie ſie unten im Hauſe gethan hatte. Haͤtte ſie dieſes gethan, ſo ſollte ſie an ih- ren Onckle ein Danckſagungs-Schreiben ergehen laſſen, welches ſie haͤtte unterzeichnen muͤſſen, Clariſſa Lovelace. Daher hatte ich nicht Luſt, ihr auf den erſten Wink zu kommen. Weil ich aber doch die Sachen nicht zu weit treiben wollte, ſo ſuchte ich ihn von ſeiner Frage abzubringen, und die Unterredung ſo zu lencken, daß er eine naͤhere Nachricht von ſeinen Umſtaͤnden geben mußte; wie auch, woher Herr Harlowe das Haus erfahren haͤtte, in dem wir wohneten; und von andern Dingen mehr, die ſie aufmerckſam machen, und zugleich uͤberzeugen konnte, daß es noͤthig waͤre, die bejahende Antwort zu ertheilen, die ſchon in meiner Bruſt beſchloſſen war. Alles dieſes geſchahe um ihrentwillen. Jch fragte ſie ſelbſt nachher: was mir daran gelegen waͤre, ob wir mit einer Famile ausgeſoͤhnet wuͤrden, die ich Zeit Lebens verachten muͤßte? Sie glauben, Herr Capitain, daß ich ihre Fra- ge zweydeutig beantwortet habe. Sie moͤgen das glauben. Jch habe eine feine Gabe von Hoch- muth: und wenn ſie nicht ein Cavallier waͤren, der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/354
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/354>, abgerufen am 22.11.2024.