"mit der die Stunde zwischen der guten Lügen "und übeln Wahrheit verstriche."
Mache du selbst die Anwendung, Belford. Das weiß ich, ich habe meiner Liebsten mehr Freu- de gemacht, als sie je so bald gehofft hatte: und wie im menschlichen Leben ohnedem gutes und böses stets untermengt ist; so wird so ein kluges Frauen- zimmer als sie, ohnstreitig alles zum besten anzu- wenden, und das Uebel mit dem Guten im gehö- rigen Gleichgewichte zu halten wissen.
Das Frauenzimmer meldet ihrem Freunde in drey Briefen die wichtigsten Vorfälle und Unter- redungen, die in Herr Lovelaces vorhergehen- den Schreiben enthalten sind, folgends sind ihre Worte, wie sie des angeblichen Herrn Tomlin- son Anbringen erzählet, nach der Furcht die ihn seine weitläuftigen Untersuchungen verursacht hatten.
"Endlich, mein Werther, wurden alle diese "Zweifel und furchtsame Vorstellungen aufge- "klärt, und statt derselben öfnete sich mir die an- "genehmste Aussicht. Dem zum Glücke entdeckt "sich, (aber jetzo muß es noch das größte Geheim- "niß seyn,) daß mein Vetter Harlowe diesen "Herrn gesandt hat, (ich dachte wohl, daß er "nicht immer gegen mich Zorn halten könnte) und "daß alles dieß eine Wirckung von des guten Herr "Hickmanns Unterredung mit ihm war. Denn "ob wohl Herr Hickmanns Antrag einmahl zu
hitzig
„mit der die Stunde zwiſchen der guten Luͤgen „und uͤbeln Wahrheit verſtriche.“
Mache du ſelbſt die Anwendung, Belford. Das weiß ich, ich habe meiner Liebſten mehr Freu- de gemacht, als ſie je ſo bald gehofft hatte: und wie im menſchlichen Leben ohnedem gutes und boͤſes ſtets untermengt iſt; ſo wird ſo ein kluges Frauen- zimmer als ſie, ohnſtreitig alles zum beſten anzu- wenden, und das Uebel mit dem Guten im gehoͤ- rigen Gleichgewichte zu halten wiſſen.
Das Frauenzimmer meldet ihrem Freunde in drey Briefen die wichtigſten Vorfaͤlle und Unter- redungen, die in Herr Lovelaces vorhergehen- den Schreiben enthalten ſind, folgends ſind ihre Worte, wie ſie des angeblichen Herrn Tomlin- ſon Anbringen erzaͤhlet, nach der Furcht die ihn ſeine weitlaͤuftigen Unterſuchungen verurſacht hatten.
„Endlich, mein Werther, wurden alle dieſe „Zweifel und furchtſame Vorſtellungen aufge- „klaͤrt, und ſtatt derſelben oͤfnete ſich mir die an- „genehmſte Ausſicht. Dem zum Gluͤcke entdeckt „ſich, (aber jetzo muß es noch das groͤßte Geheim- „niß ſeyn,) daß mein Vetter Harlowe dieſen „Herrn geſandt hat, (ich dachte wohl, daß er „nicht immer gegen mich Zorn halten koͤnnte) und „daß alles dieß eine Wirckung von des guten Herr „Hickmanns Unterredung mit ihm war. Denn „ob wohl Herr Hickmanns Antrag einmahl zu
hitzig
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„mit der die Stunde zwiſchen der guten Luͤgen
„und uͤbeln Wahrheit verſtriche.“
Mache du ſelbſt die Anwendung, Belford.
Das weiß ich, ich habe meiner Liebſten mehr Freu-
de gemacht, als ſie je ſo bald gehofft hatte: und
wie im menſchlichen Leben ohnedem gutes und boͤſes
ſtets untermengt iſt; ſo wird ſo ein kluges Frauen-
zimmer als ſie, ohnſtreitig alles zum beſten anzu-
wenden, und das Uebel mit dem Guten im gehoͤ-
rigen Gleichgewichte zu halten wiſſen.
Das Frauenzimmer meldet ihrem Freunde in
drey Briefen die wichtigſten Vorfaͤlle und Unter-
redungen, die in Herr Lovelaces vorhergehen-
den Schreiben enthalten ſind, folgends ſind ihre
Worte, wie ſie des angeblichen Herrn Tomlin-
ſon Anbringen erzaͤhlet, nach der Furcht die ihn
ſeine weitlaͤuftigen Unterſuchungen verurſacht
hatten.
„Endlich, mein Werther, wurden alle dieſe
„Zweifel und furchtſame Vorſtellungen aufge-
„klaͤrt, und ſtatt derſelben oͤfnete ſich mir die an-
„genehmſte Ausſicht. Dem zum Gluͤcke entdeckt
„ſich, (aber jetzo muß es noch das groͤßte Geheim-
„niß ſeyn,) daß mein Vetter Harlowe dieſen
„Herrn geſandt hat, (ich dachte wohl, daß er
„nicht immer gegen mich Zorn halten koͤnnte) und
„daß alles dieß eine Wirckung von des guten Herr
„Hickmanns Unterredung mit ihm war. Denn
„ob wohl Herr Hickmanns Antrag einmahl zu
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/389>, abgerufen am 22.11.2024.
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