ste Woche in mein Haus gebracht werden, in mei- ne eigenen Hände zu geben. Und nun hoffe ich, bist du zufrieden gestellt.
Jch will mit einer kurtzen Geschichte schließen.
"Zweene benachbarte Fürsten kriegten mit ein- "ander über, ich weiß nicht was für eine nichts- "würdige Sache; es ist der Mühe nicht werth, "zu fragen worüber, denn Fürsten und Kinder ge- "rathen über jede Kleinigkeit an einander. Jhre "Armee war einige Tage in Schlacht Ordnung ge- "gen einander gestanden, und man erwartete täg- "lich an jedem Hofe die Nachricht von einer ent- "scheideten Schlacht. Endlich gerieth man zu- "sammen, es ward eine blutige Schlacht geliefert, "und ein Kerl der zugesehen hatte, langte mit der "Nachricht davon, in eines von beyden Fürsten "Hauptstadt an, ehe noch die Courier ankamen. "Man läutete die Glocken, man steckte Freuden- "feuer und Jlluminationen an, und das Volck "ging aus patriotischer Freude besoffen zu Bette. "Aber den folgenden Tag war alles umgekehrt. "Man erwartete den siegenden Feind mit Furcht "an den Thoren der fast unbefestigten Residentz. "Man suchte den ersten Bothschafter und fand ihn: "Auf Befragen, meldete er, es sey ja ein großer "Verdienst von ihm, daß er bey so betrübten Um- "ständen dem Schmertze seiner Mitbürger so viel "Zeit geraubt, und sie solche so großer Freude an- "zuwenden veranlaßt hätte, als diejenige war,
mit
ſte Woche in mein Haus gebracht werden, in mei- ne eigenen Haͤnde zu geben. Und nun hoffe ich, biſt du zufrieden geſtellt.
Jch will mit einer kurtzen Geſchichte ſchließen.
„Zweene benachbarte Fuͤrſten kriegten mit ein- „ander uͤber, ich weiß nicht was fuͤr eine nichts- „wuͤrdige Sache; es iſt der Muͤhe nicht werth, „zu fragen woruͤber, denn Fuͤrſten und Kinder ge- „rathen uͤber jede Kleinigkeit an einander. Jhre „Armee war einige Tage in Schlacht Ordnung ge- „gen einander geſtanden, und man erwartete taͤg- „lich an jedem Hofe die Nachricht von einer ent- „ſcheideten Schlacht. Endlich gerieth man zu- „ſammen, es ward eine blutige Schlacht geliefert, „und ein Kerl der zugeſehen hatte, langte mit der „Nachricht davon, in eines von beyden Fuͤrſten „Hauptſtadt an, ehe noch die Courier ankamen. „Man laͤutete die Glocken, man ſteckte Freuden- „feuer und Jlluminationen an, und das Volck „ging aus patriotiſcher Freude beſoffen zu Bette. „Aber den folgenden Tag war alles umgekehrt. „Man erwartete den ſiegenden Feind mit Furcht „an den Thoren der faſt unbefeſtigten Reſidentz. „Man ſuchte den erſten Bothſchafter und fand ihn: „Auf Befragen, meldete er, es ſey ja ein großer „Verdienſt von ihm, daß er bey ſo betruͤbten Um- „ſtaͤnden dem Schmertze ſeiner Mitbuͤrger ſo viel „Zeit geraubt, und ſie ſolche ſo großer Freude an- „zuwenden veranlaßt haͤtte, als diejenige war,
mit
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ſte Woche in mein Haus gebracht werden, in mei-
ne eigenen Haͤnde zu geben. Und nun hoffe ich,
biſt du zufrieden geſtellt.
Jch will mit einer kurtzen Geſchichte
ſchließen.
„Zweene benachbarte Fuͤrſten kriegten mit ein-
„ander uͤber, ich weiß nicht was fuͤr eine nichts-
„wuͤrdige Sache; es iſt der Muͤhe nicht werth,
„zu fragen woruͤber, denn Fuͤrſten und Kinder ge-
„rathen uͤber jede Kleinigkeit an einander. Jhre
„Armee war einige Tage in Schlacht Ordnung ge-
„gen einander geſtanden, und man erwartete taͤg-
„lich an jedem Hofe die Nachricht von einer ent-
„ſcheideten Schlacht. Endlich gerieth man zu-
„ſammen, es ward eine blutige Schlacht geliefert,
„und ein Kerl der zugeſehen hatte, langte mit der
„Nachricht davon, in eines von beyden Fuͤrſten
„Hauptſtadt an, ehe noch die Courier ankamen.
„Man laͤutete die Glocken, man ſteckte Freuden-
„feuer und Jlluminationen an, und das Volck
„ging aus patriotiſcher Freude beſoffen zu Bette.
„Aber den folgenden Tag war alles umgekehrt.
„Man erwartete den ſiegenden Feind mit Furcht
„an den Thoren der faſt unbefeſtigten Reſidentz.
„Man ſuchte den erſten Bothſchafter und fand ihn:
„Auf Befragen, meldete er, es ſey ja ein großer
„Verdienſt von ihm, daß er bey ſo betruͤbten Um-
„ſtaͤnden dem Schmertze ſeiner Mitbuͤrger ſo viel
„Zeit geraubt, und ſie ſolche ſo großer Freude an-
„zuwenden veranlaßt haͤtte, als diejenige war,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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