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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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"Herr Lovelace ist stoltz. Wir haben sol-
"ches lange bemerckt. Und ich fürchte in Wahr-
"heit, sein edles Bezeigen rührt mehr von seinem
"Stoltze und seiner Eitelkeit, als von der Men-
"schen-Liebe,
die ein gutthätiges Gemüthe unter-
"scheidet, her."

"Geld achtet er nicht weiter, als in so fern es
"ein Mittel seine Eitelkeit zu unterstützen, und
"ihn von der Unterwürfigkeit für andere zu be-
"freyen. Es ist leicht, wie ich oft bemerckt habe,
"daß ein Mensch sich von seinen Neben-Trieben
"losmacht, wenn er dadurch die Haupt-Reitzun-
"gen
stillen kann."

"Jch fürchte, mein Werther, daß bey seiner
"Auferziehung ein Fehler vorgegangen ist. Ver-
"muthlich hat man auf seine natürliche Neigung
"nicht genug acht gehabt, da man voraus sahe daß
"er viel Gewalt bekommen würde, so unterrich-
"tete man ihn vielleicht gute und wohlthätige
"Handlungen auszuüben, aber man brachte ihm
"nicht die gehörigen Bewegungs-Gründe, war-
"um er solche ausüben sollte, bey."

Sonst wäre sein Edelmuth nicht beym Stol-
ze
stehen geblieben, sondern er hätte sich bis zur
Menschlichkeit erhoben: alsdenn würde er sich
nicht befriedigt haben, manchmahl, nachdem er
bey guter Laune ist, lobenswürdige Thaten zu ver-
richten, oder als sollte eine gute Handlung bey ihm
für eine böse, nach der Lehre von den verdienst-

lichen


„Herr Lovelace iſt ſtoltz. Wir haben ſol-
„ches lange bemerckt. Und ich fuͤrchte in Wahr-
„heit, ſein edles Bezeigen ruͤhrt mehr von ſeinem
Stoltze und ſeiner Eitelkeit, als von der Men-
„ſchen-Liebe,
die ein gutthaͤtiges Gemuͤthe unter-
„ſcheidet, her.“

„Geld achtet er nicht weiter, als in ſo fern es
„ein Mittel ſeine Eitelkeit zu unterſtuͤtzen, und
„ihn von der Unterwuͤrfigkeit fuͤr andere zu be-
„freyen. Es iſt leicht, wie ich oft bemerckt habe,
„daß ein Menſch ſich von ſeinen Neben-Trieben
„losmacht, wenn er dadurch die Haupt-Reitzun-
„gen
ſtillen kann.“

„Jch fuͤrchte, mein Werther, daß bey ſeiner
„Auferziehung ein Fehler vorgegangen iſt. Ver-
„muthlich hat man auf ſeine natuͤrliche Neigung
„nicht genug acht gehabt, da man voraus ſahe daß
„er viel Gewalt bekommen wuͤrde, ſo unterrich-
„tete man ihn vielleicht gute und wohlthaͤtige
„Handlungen auszuuͤben, aber man brachte ihm
„nicht die gehoͤrigen Bewegungs-Gruͤnde, war-
„um er ſolche ausuͤben ſollte, bey.„

Sonſt waͤre ſein Edelmuth nicht beym Stol-
ze
ſtehen geblieben, ſondern er haͤtte ſich bis zur
Menſchlichkeit erhoben: alsdenn wuͤrde er ſich
nicht befriedigt haben, manchmahl, nachdem er
bey guter Laune iſt, lobenswuͤrdige Thaten zu ver-
richten, oder als ſollte eine gute Handlung bey ihm
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[386/0392] „Herr Lovelace iſt ſtoltz. Wir haben ſol- „ches lange bemerckt. Und ich fuͤrchte in Wahr- „heit, ſein edles Bezeigen ruͤhrt mehr von ſeinem „Stoltze und ſeiner Eitelkeit, als von der Men- „ſchen-Liebe, die ein gutthaͤtiges Gemuͤthe unter- „ſcheidet, her.“ „Geld achtet er nicht weiter, als in ſo fern es „ein Mittel ſeine Eitelkeit zu unterſtuͤtzen, und „ihn von der Unterwuͤrfigkeit fuͤr andere zu be- „freyen. Es iſt leicht, wie ich oft bemerckt habe, „daß ein Menſch ſich von ſeinen Neben-Trieben „losmacht, wenn er dadurch die Haupt-Reitzun- „gen ſtillen kann.“ „Jch fuͤrchte, mein Werther, daß bey ſeiner „Auferziehung ein Fehler vorgegangen iſt. Ver- „muthlich hat man auf ſeine natuͤrliche Neigung „nicht genug acht gehabt, da man voraus ſahe daß „er viel Gewalt bekommen wuͤrde, ſo unterrich- „tete man ihn vielleicht gute und wohlthaͤtige „Handlungen auszuuͤben, aber man brachte ihm „nicht die gehoͤrigen Bewegungs-Gruͤnde, war- „um er ſolche ausuͤben ſollte, bey.„ Sonſt waͤre ſein Edelmuth nicht beym Stol- ze ſtehen geblieben, ſondern er haͤtte ſich bis zur Menſchlichkeit erhoben: alsdenn wuͤrde er ſich nicht befriedigt haben, manchmahl, nachdem er bey guter Laune iſt, lobenswuͤrdige Thaten zu ver- richten, oder als ſollte eine gute Handlung bey ihm fuͤr eine boͤſe, nach der Lehre von den verdienſt- lichen

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/392>, abgerufen am 22.11.2024.