Seufzer, so sehr als sie nur jetzo seyn kan. - - Sie wird es nicht ausstehen, mein Freund!
Jch entdeckte ihr, gleich ehe wir abgegangen waren, hätte ich von Pritchard gehört, und erwar- tete, daß ihn der Lord M. morgen in die Stadt schicken würde, meine Verordnungen anzunehmen. Jch redete mit Danckbezeigung von des Lords Gü- te gegen mich, und mit Vergnügen, von meiner Base und Muhmen Hochachtung für sie, auch von des Lords Misvergnügen, daß ihm sein Chiragra hinderte, meinen letzten Brief eigenhändig zu be- antworten.
Sie bedauerte den Lord. Sie bedauerte das arme Fräulein Fretchville gleichfalls, denn sie hatte die Guthertzigkeit sich nach ihr zu erkundi- gen. Jhr gutes Gemüthe bedauerte jedermann, der Mitleiden zu brauchen schiene. Da sie für sich selbst glücklich ist, so hat sie Zeit sich nach an- dern umzusehen, und wünscht, daß alle glücklich seyn möchten.
Dem Ansehen nach dürfte es mit Fräulein Fretchville übel gehen. Jhr Gesichte, dessent- wegen sie sich so viel einbildete, wird völlig ver- derbt werden. Von einem so großen Unglücke kann sie doch noch diesen Vortheil ziehen - - Wie die größere Kranckheit ordentlich die kleinere ver- schlingt, so kann sie bey dieser Gelegenheit einen Schmertz empfinden, der ihr den andern Schmertz vermindert und erträglich macht.
Jch
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Seufzer, ſo ſehr als ſie nur jetzo ſeyn kan. ‒ ‒ Sie wird es nicht ausſtehen, mein Freund!
Jch entdeckte ihr, gleich ehe wir abgegangen waren, haͤtte ich von Pritchard gehoͤrt, und erwar- tete, daß ihn der Lord M. morgen in die Stadt ſchicken wuͤrde, meine Verordnungen anzunehmen. Jch redete mit Danckbezeigung von des Lords Guͤ- te gegen mich, und mit Vergnuͤgen, von meiner Baſe und Muhmen Hochachtung fuͤr ſie, auch von des Lords Misvergnuͤgen, daß ihm ſein Chiragra hinderte, meinen letzten Brief eigenhaͤndig zu be- antworten.
Sie bedauerte den Lord. Sie bedauerte das arme Fraͤulein Fretchville gleichfalls, denn ſie hatte die Guthertzigkeit ſich nach ihr zu erkundi- gen. Jhr gutes Gemuͤthe bedauerte jedermann, der Mitleiden zu brauchen ſchiene. Da ſie fuͤr ſich ſelbſt gluͤcklich iſt, ſo hat ſie Zeit ſich nach an- dern umzuſehen, und wuͤnſcht, daß alle gluͤcklich ſeyn moͤchten.
Dem Anſehen nach duͤrfte es mit Fraͤulein Fretchville uͤbel gehen. Jhr Geſichte, deſſent- wegen ſie ſich ſo viel einbildete, wird voͤllig ver- derbt werden. Von einem ſo großen Ungluͤcke kann ſie doch noch dieſen Vortheil ziehen ‒ ‒ Wie die groͤßere Kranckheit ordentlich die kleinere ver- ſchlingt, ſo kann ſie bey dieſer Gelegenheit einen Schmertz empfinden, der ihr den andern Schmertz vermindert und ertraͤglich macht.
Jch
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Seufzer, ſo ſehr als ſie nur jetzo ſeyn kan. ‒ ‒
Sie wird es nicht ausſtehen, mein Freund!
Jch entdeckte ihr, gleich ehe wir abgegangen
waren, haͤtte ich von Pritchard gehoͤrt, und erwar-
tete, daß ihn der Lord M. morgen in die Stadt
ſchicken wuͤrde, meine Verordnungen anzunehmen.
Jch redete mit Danckbezeigung von des Lords Guͤ-
te gegen mich, und mit Vergnuͤgen, von meiner
Baſe und Muhmen Hochachtung fuͤr ſie, auch von
des Lords Misvergnuͤgen, daß ihm ſein Chiragra
hinderte, meinen letzten Brief eigenhaͤndig zu be-
antworten.
Sie bedauerte den Lord. Sie bedauerte das
arme Fraͤulein Fretchville gleichfalls, denn ſie
hatte die Guthertzigkeit ſich nach ihr zu erkundi-
gen. Jhr gutes Gemuͤthe bedauerte jedermann,
der Mitleiden zu brauchen ſchiene. Da ſie fuͤr
ſich ſelbſt gluͤcklich iſt, ſo hat ſie Zeit ſich nach an-
dern umzuſehen, und wuͤnſcht, daß alle gluͤcklich
ſeyn moͤchten.
Dem Anſehen nach duͤrfte es mit Fraͤulein
Fretchville uͤbel gehen. Jhr Geſichte, deſſent-
wegen ſie ſich ſo viel einbildete, wird voͤllig ver-
derbt werden. Von einem ſo großen Ungluͤcke
kann ſie doch noch dieſen Vortheil ziehen ‒ ‒ Wie
die groͤßere Kranckheit ordentlich die kleinere ver-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/399>, abgerufen am 22.11.2024.
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