Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



entdecken darf. Lovelace zieht jedermann durch
seine Freygebigkeit und Munterkeit an sich. Jch
bin gleichsam nur eine Null, die seinen Werth
erheben muß: mir selbst gereiche ich blos zum Kum-
mer. Jch mag mich zurück halten so viel ich will, so
kann ich doch nicht gantz verhindern, daß mir bis-
weilen eine Thräne aus den Augen fällt, und das
Papier befleckt. Jch bin versichert, daß Sie mir
diesen kurtzen Trost nicht verbieten werden.

Es scheint beynahe, daß der Anfang dieses
Briefes eine Fortsetzung des vorigen wird, in wel-
chem ich meine Traurigkeit zu entschuldigen suchte.
Doch es sey das genug, was ich davon geschrieben
habe. Mein Unglück ist ein Beruf für Sie, mir
die alleredelsten Proben der Freundschaft zu geben,
die wir einander so heilig gelobet haben, nehmlich
mir mit Trost und Rath zu statten zu kommen. Jch
glaube so gar, ich würde ihnen Unrecht thun, wenn
ich diesen Ruf für nöthig hielte.

Jn dem, was folget, meldet die Clarissa, daß
Herr Lovelace seit dem, daß sie ihre Kleider
bekommen hat, stets in sie dringe, und sie
bitte, mit ihm in Gesellschaft eines ihr selbst
beliebigen Frauenzimmers auszufahren,
und sich entweder durch eine Lust Reise
oder durch die gewöhnlichen Lustbarkei-
ten der Stadt London aufzumuntern.
Sie giebt eine umständliche Nachricht von
dem, was bey einer gewissen Unterredung
deshalb vorgefallen war, und von einigen
andern Vorschlägen des Lovelace: bemer-
cket aber dabey, daß er mit keinem Wor-

te



entdecken darf. Lovelace zieht jedermann durch
ſeine Freygebigkeit und Munterkeit an ſich. Jch
bin gleichſam nur eine Null, die ſeinen Werth
erheben muß: mir ſelbſt gereiche ich blos zum Kum-
mer. Jch mag mich zuruͤck halten ſo viel ich will, ſo
kann ich doch nicht gantz verhindern, daß mir bis-
weilen eine Thraͤne aus den Augen faͤllt, und das
Papier befleckt. Jch bin verſichert, daß Sie mir
dieſen kurtzen Troſt nicht verbieten werden.

Es ſcheint beynahe, daß der Anfang dieſes
Briefes eine Fortſetzung des vorigen wird, in wel-
chem ich meine Traurigkeit zu entſchuldigen ſuchte.
Doch es ſey das genug, was ich davon geſchrieben
habe. Mein Ungluͤck iſt ein Beruf fuͤr Sie, mir
die alleredelſten Proben der Freundſchaft zu geben,
die wir einander ſo heilig gelobet haben, nehmlich
mir mit Troſt und Rath zu ſtatten zu kommen. Jch
glaube ſo gar, ich wuͤrde ihnen Unrecht thun, wenn
ich dieſen Ruf fuͤr noͤthig hielte.

Jn dem, was folget, meldet die Clariſſa, daß
Herr Lovelace ſeit dem, daß ſie ihre Kleider
bekommen hat, ſtets in ſie dringe, und ſie
bitte, mit ihm in Geſellſchaft eines ihr ſelbſt
beliebigen Frauenzimmers auszufahren,
und ſich entweder durch eine Luſt Reiſe
oder durch die gewoͤhnlichen Luſtbarkei-
ten der Stadt London aufzumuntern.
Sie giebt eine umſtaͤndliche Nachricht von
dem, was bey einer gewiſſen Unterredung
deshalb vorgefallen war, und von einigen
andern Vorſchlaͤgen des Lovelace: bemer-
cket aber dabey, daß er mit keinem Wor-

te
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0008" n="2"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
entdecken darf. <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> zieht jedermann durch<lb/>
&#x017F;eine Freygebigkeit und Munterkeit an &#x017F;ich. Jch<lb/>
bin gleich&#x017F;am nur eine Null, die &#x017F;einen Werth<lb/>
erheben muß: mir &#x017F;elb&#x017F;t gereiche ich blos zum Kum-<lb/>
mer. Jch mag mich zuru&#x0364;ck halten &#x017F;o viel ich will, &#x017F;o<lb/>
kann ich doch nicht gantz verhindern, daß mir bis-<lb/>
weilen eine Thra&#x0364;ne aus den Augen fa&#x0364;llt, und das<lb/>
Papier befleckt. Jch bin ver&#x017F;ichert, daß Sie mir<lb/>
die&#x017F;en kurtzen Tro&#x017F;t nicht verbieten werden.</p><lb/>
          <p>Es &#x017F;cheint beynahe, daß der Anfang die&#x017F;es<lb/>
Briefes eine Fort&#x017F;etzung des vorigen wird, in wel-<lb/>
chem ich meine Traurigkeit zu ent&#x017F;chuldigen &#x017F;uchte.<lb/>
Doch es &#x017F;ey das genug, was ich davon ge&#x017F;chrieben<lb/>
habe. Mein Unglu&#x0364;ck i&#x017F;t ein Beruf fu&#x0364;r Sie, mir<lb/>
die alleredel&#x017F;ten Proben der Freund&#x017F;chaft zu geben,<lb/>
die wir einander &#x017F;o heilig gelobet haben, nehmlich<lb/>
mir mit Tro&#x017F;t und Rath zu &#x017F;tatten zu kommen. Jch<lb/>
glaube &#x017F;o gar, ich wu&#x0364;rde ihnen Unrecht thun, wenn<lb/>
ich die&#x017F;en Ruf fu&#x0364;r no&#x0364;thig hielte.</p><lb/>
          <list>
            <item> <hi rendition="#fr">Jn dem, was folget, meldet die Clari&#x017F;&#x017F;a, daß<lb/>
Herr Lovelace &#x017F;eit dem, daß &#x017F;ie ihre Kleider<lb/>
bekommen hat, &#x017F;tets in &#x017F;ie dringe, und &#x017F;ie<lb/>
bitte, mit ihm in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft eines ihr &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
beliebigen Frauenzimmers auszufahren,<lb/>
und &#x017F;ich entweder durch eine Lu&#x017F;t Rei&#x017F;e<lb/>
oder durch die gewo&#x0364;hnlichen Lu&#x017F;tbarkei-<lb/>
ten der Stadt London aufzumuntern.</hi> </item><lb/>
            <item> <hi rendition="#fr">Sie giebt eine um&#x017F;ta&#x0364;ndliche Nachricht von<lb/>
dem, was bey einer gewi&#x017F;&#x017F;en Unterredung<lb/>
deshalb vorgefallen war, und von einigen<lb/>
andern Vor&#x017F;chla&#x0364;gen des Lovelace: bemer-<lb/>
cket aber dabey, daß er mit keinem Wor-</hi><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">te</hi> </fw><lb/>
            </item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0008] entdecken darf. Lovelace zieht jedermann durch ſeine Freygebigkeit und Munterkeit an ſich. Jch bin gleichſam nur eine Null, die ſeinen Werth erheben muß: mir ſelbſt gereiche ich blos zum Kum- mer. Jch mag mich zuruͤck halten ſo viel ich will, ſo kann ich doch nicht gantz verhindern, daß mir bis- weilen eine Thraͤne aus den Augen faͤllt, und das Papier befleckt. Jch bin verſichert, daß Sie mir dieſen kurtzen Troſt nicht verbieten werden. Es ſcheint beynahe, daß der Anfang dieſes Briefes eine Fortſetzung des vorigen wird, in wel- chem ich meine Traurigkeit zu entſchuldigen ſuchte. Doch es ſey das genug, was ich davon geſchrieben habe. Mein Ungluͤck iſt ein Beruf fuͤr Sie, mir die alleredelſten Proben der Freundſchaft zu geben, die wir einander ſo heilig gelobet haben, nehmlich mir mit Troſt und Rath zu ſtatten zu kommen. Jch glaube ſo gar, ich wuͤrde ihnen Unrecht thun, wenn ich dieſen Ruf fuͤr noͤthig hielte. Jn dem, was folget, meldet die Clariſſa, daß Herr Lovelace ſeit dem, daß ſie ihre Kleider bekommen hat, ſtets in ſie dringe, und ſie bitte, mit ihm in Geſellſchaft eines ihr ſelbſt beliebigen Frauenzimmers auszufahren, und ſich entweder durch eine Luſt Reiſe oder durch die gewoͤhnlichen Luſtbarkei- ten der Stadt London aufzumuntern. Sie giebt eine umſtaͤndliche Nachricht von dem, was bey einer gewiſſen Unterredung deshalb vorgefallen war, und von einigen andern Vorſchlaͤgen des Lovelace: bemer- cket aber dabey, daß er mit keinem Wor- te

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/8
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/8>, abgerufen am 29.04.2024.