Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Aber was? Wollen sie immer mit mir umge-
hen, als wenn ich ein Kind wäre? Wollen sie sich
immer entschuldigen? immer etwas versprechen?
und was denn? daß sie einmal künftig der werden
wollen, der sie jetzt noch nicht sind. Ein Verspre-
chen, dessen sich ein jeder artiger Cavallier schämen
sollte! Der zu werden - -

O GOtt! (fiel er mir in die Rede: und hob die
Angen gen Himmel) wenn du so strenge wärest - -

Gantz gut! Herr Lovelace! Machen sie nur
aus unsern so verschiedenen Einsichten den Schluß,
daß unsere Hertzen nicht für einander gemacht sind.
Lassen sie uns also - -

Lassen sie uns was? Fräulein! Es empört sich
alles in mir. Was! was ist es das wir thun sol-
len? Er sahe hiebey so wild aus, daß ich mich recht
erschrack.

Wie? Herr Lovelace! Lassen sie uns den Ent-
schluß fassen, daß wir ferner gar nicht an einan-
der dencken wollen. (Fangen sie doch nicht gleich an,
Feuer und Flammen von sich zu geben! Jch bin
in einigen Stücken furchtsam. Allein, wenn ich
mir nicht selbst schmeichele, so habe ich Muth, und
unüberwindlichen Muth, so bald es auf das an-
kommt, was ich billig seyn soll, wenn ich des
lebens nicht unwerth seyn will.) Lassen sie uns weiter
keine Achtung für einander haben, als die die Höff-
lichkeit und der Wohlstand mit sich bringet. Sie
können sich indessen auf diese Zusage verlassen, wenn
ihr Hochmuth darin eine Nahrung findet: daß ich
nie einen andern heyrathen werde. Jch habe nun

die


Aber was? Wollen ſie immer mit mir umge-
hen, als wenn ich ein Kind waͤre? Wollen ſie ſich
immer entſchuldigen? immer etwas verſprechen?
und was denn? daß ſie einmal kuͤnftig der werden
wollen, der ſie jetzt noch nicht ſind. Ein Verſpre-
chen, deſſen ſich ein jeder artiger Cavallier ſchaͤmen
ſollte! Der zu werden ‒ ‒

O GOtt! (fiel er mir in die Rede: und hob die
Angen gen Himmel) wenn du ſo ſtrenge waͤreſt ‒ ‒

Gantz gut! Herr Lovelace! Machen ſie nur
aus unſern ſo verſchiedenen Einſichten den Schluß,
daß unſere Hertzen nicht fuͤr einander gemacht ſind.
Laſſen ſie uns alſo ‒ ‒

Laſſen ſie uns was? Fraͤulein! Es empoͤrt ſich
alles in mir. Was! was iſt es das wir thun ſol-
len? Er ſahe hiebey ſo wild aus, daß ich mich recht
erſchrack.

Wie? Herr Lovelace! Laſſen ſie uns den Ent-
ſchluß faſſen, daß wir ferner gar nicht an einan-
der dencken wollen. (Fangen ſie doch nicht gleich an,
Feuer und Flammen von ſich zu geben! Jch bin
in einigen Stuͤcken furchtſam. Allein, wenn ich
mir nicht ſelbſt ſchmeichele, ſo habe ich Muth, und
unuͤberwindlichen Muth, ſo bald es auf das an-
kommt, was ich billig ſeyn ſoll, wenn ich des
lebens nicht unwerth ſeyn will.) Laſſen ſie uns weiter
keine Achtung fuͤr einander haben, als die die Hoͤff-
lichkeit und der Wohlſtand mit ſich bringet. Sie
koͤnnen ſich indeſſen auf dieſe Zuſage verlaſſen, wenn
ihr Hochmuth darin eine Nahrung findet: daß ich
nie einen andern heyrathen werde. Jch habe nun

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0082" n="76"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Aber was?</hi> Wollen &#x017F;ie immer mit mir umge-<lb/>
hen, als wenn ich ein Kind wa&#x0364;re? Wollen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
immer ent&#x017F;chuldigen? immer etwas ver&#x017F;prechen?<lb/>
und was denn? daß &#x017F;ie einmal ku&#x0364;nftig der werden<lb/>
wollen, der &#x017F;ie jetzt noch nicht &#x017F;ind. Ein Ver&#x017F;pre-<lb/>
chen, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich ein jeder artiger Cavallier &#x017F;cha&#x0364;men<lb/>
&#x017F;ollte! Der zu werden &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>O GOtt! (fiel er mir in die Rede: und hob die<lb/>
Angen gen Himmel) wenn du &#x017F;o &#x017F;trenge wa&#x0364;re&#x017F;t &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Gantz gut! Herr <hi rendition="#fr">Lovelace!</hi> Machen &#x017F;ie nur<lb/>
aus un&#x017F;ern &#x017F;o ver&#x017F;chiedenen Ein&#x017F;ichten den Schluß,<lb/>
daß un&#x017F;ere Hertzen nicht fu&#x0364;r einander gemacht &#x017F;ind.<lb/>
La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie uns al&#x017F;o &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie uns <hi rendition="#fr">was?</hi> Fra&#x0364;ulein! Es empo&#x0364;rt &#x017F;ich<lb/>
alles in mir. <hi rendition="#fr">Was!</hi> was i&#x017F;t es das wir thun &#x017F;ol-<lb/>
len? Er &#x017F;ahe hiebey &#x017F;o wild aus, daß ich mich recht<lb/>
er&#x017F;chrack.</p><lb/>
          <p>Wie? Herr <hi rendition="#fr">Lovelace!</hi> La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie uns den Ent-<lb/>
&#x017F;chluß fa&#x017F;&#x017F;en, daß wir ferner gar nicht an einan-<lb/>
der dencken wollen. (Fangen &#x017F;ie doch nicht gleich an,<lb/>
Feuer und Flammen von &#x017F;ich zu geben! Jch bin<lb/>
in einigen Stu&#x0364;cken furcht&#x017F;am. Allein, wenn ich<lb/>
mir nicht &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chmeichele, &#x017F;o habe ich Muth, und<lb/>
unu&#x0364;berwindlichen Muth, &#x017F;o bald es auf das an-<lb/>
kommt, was ich billig &#x017F;eyn &#x017F;oll, wenn ich des<lb/>
lebens nicht unwerth &#x017F;eyn will.) La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie uns weiter<lb/>
keine Achtung fu&#x0364;r einander haben, als die die Ho&#x0364;ff-<lb/>
lichkeit und der Wohl&#x017F;tand mit &#x017F;ich bringet. Sie<lb/>
ko&#x0364;nnen &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en auf die&#x017F;e Zu&#x017F;age verla&#x017F;&#x017F;en, wenn<lb/>
ihr Hochmuth darin eine Nahrung findet: daß ich<lb/>
nie einen andern heyrathen werde. Jch habe nun<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0082] Aber was? Wollen ſie immer mit mir umge- hen, als wenn ich ein Kind waͤre? Wollen ſie ſich immer entſchuldigen? immer etwas verſprechen? und was denn? daß ſie einmal kuͤnftig der werden wollen, der ſie jetzt noch nicht ſind. Ein Verſpre- chen, deſſen ſich ein jeder artiger Cavallier ſchaͤmen ſollte! Der zu werden ‒ ‒ O GOtt! (fiel er mir in die Rede: und hob die Angen gen Himmel) wenn du ſo ſtrenge waͤreſt ‒ ‒ Gantz gut! Herr Lovelace! Machen ſie nur aus unſern ſo verſchiedenen Einſichten den Schluß, daß unſere Hertzen nicht fuͤr einander gemacht ſind. Laſſen ſie uns alſo ‒ ‒ Laſſen ſie uns was? Fraͤulein! Es empoͤrt ſich alles in mir. Was! was iſt es das wir thun ſol- len? Er ſahe hiebey ſo wild aus, daß ich mich recht erſchrack. Wie? Herr Lovelace! Laſſen ſie uns den Ent- ſchluß faſſen, daß wir ferner gar nicht an einan- der dencken wollen. (Fangen ſie doch nicht gleich an, Feuer und Flammen von ſich zu geben! Jch bin in einigen Stuͤcken furchtſam. Allein, wenn ich mir nicht ſelbſt ſchmeichele, ſo habe ich Muth, und unuͤberwindlichen Muth, ſo bald es auf das an- kommt, was ich billig ſeyn ſoll, wenn ich des lebens nicht unwerth ſeyn will.) Laſſen ſie uns weiter keine Achtung fuͤr einander haben, als die die Hoͤff- lichkeit und der Wohlſtand mit ſich bringet. Sie koͤnnen ſich indeſſen auf dieſe Zuſage verlaſſen, wenn ihr Hochmuth darin eine Nahrung findet: daß ich nie einen andern heyrathen werde. Jch habe nun die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/82
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/82>, abgerufen am 15.05.2024.