samkeit zu rechtfertigen. Manche artige Seele würde sich ergeben, wenn sie nicht besorgte, daß die begünstigte Person deswegen eine schlechtere Meynung von ihr fassen möchte. Das ist auch ein Stück von den Glaubensartikeln freyer Lieb- haber. Allein sie mag noch so empfindlich seyn, so kann sie doch nun mit mir nicht brechen. Denn thut sie es, so wird die Aussöhnung mit ih- ren Angehörigen gänzlich zurückgehen; und das auf eine ihr selbst höchstnachtheilige Weise.
Sonnabends den 3ten Jun.
Eben bin ich von der Rechts-Cammer zu- rückgekommen. Jch habe einen Trauschein ge- sucht. Wahrlich, Bruder, ich muß den Ver- druß haben, daß ich eine Schwierigkeit finde, diesen gänzlich fesselnden Freybrief zu erhalten: weil das Frauenzimmer von Stande und bemit- telt ist, und ich keine Einwilligung vom Vater oder von den nächsten Freunden aufzuweisen habe.
Jch erzählte meiner Geliebten diese Schwie- rigkeit. Es ist gar recht, sagte sie, daß derglei- chen Einwendungen gemacht werden. Aber ge- wiß, Bruder, keinem Manne von meinen Um- ständen, wie sie ein jeder kennet: und wenn das Frauenzimmer auch eines Herzogs Tochter wäre.
Jch frug, ob sie mit der Ehestiftung zufrie- den wäre, und bekam zur Antwort, daß sie diesel- be mit meiner Mutter ihrer zusammengehalten und nichts dagegen einzuwenden hätte. Sie ge- stand, sie hätte an die Fräulein Howe sowohl die- ser Sache wegen, als auch um ihr von unserer
gegen-
ſamkeit zu rechtfertigen. Manche artige Seele wuͤrde ſich ergeben, wenn ſie nicht beſorgte, daß die beguͤnſtigte Perſon deswegen eine ſchlechtere Meynung von ihr faſſen moͤchte. Das iſt auch ein Stuͤck von den Glaubensartikeln freyer Lieb- haber. Allein ſie mag noch ſo empfindlich ſeyn, ſo kann ſie doch nun mit mir nicht brechen. Denn thut ſie es, ſo wird die Ausſoͤhnung mit ih- ren Angehoͤrigen gaͤnzlich zuruͤckgehen; und das auf eine ihr ſelbſt hoͤchſtnachtheilige Weiſe.
Sonnabends den 3ten Jun.
Eben bin ich von der Rechts-Cammer zu- ruͤckgekommen. Jch habe einen Trauſchein ge- ſucht. Wahrlich, Bruder, ich muß den Ver- druß haben, daß ich eine Schwierigkeit finde, dieſen gaͤnzlich feſſelnden Freybrief zu erhalten: weil das Frauenzimmer von Stande und bemit- telt iſt, und ich keine Einwilligung vom Vater oder von den naͤchſten Freunden aufzuweiſen habe.
Jch erzaͤhlte meiner Geliebten dieſe Schwie- rigkeit. Es iſt gar recht, ſagte ſie, daß derglei- chen Einwendungen gemacht werden. Aber ge- wiß, Bruder, keinem Manne von meinen Um- ſtaͤnden, wie ſie ein jeder kennet: und wenn das Frauenzimmer auch eines Herzogs Tochter waͤre.
Jch frug, ob ſie mit der Eheſtiftung zufrie- den waͤre, und bekam zur Antwort, daß ſie dieſel- be mit meiner Mutter ihrer zuſammengehalten und nichts dagegen einzuwenden haͤtte. Sie ge- ſtand, ſie haͤtte an die Fraͤulein Howe ſowohl die- ſer Sache wegen, als auch um ihr von unſerer
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ſamkeit zu rechtfertigen. Manche artige Seele
wuͤrde ſich ergeben, wenn ſie nicht beſorgte, daß
die beguͤnſtigte Perſon deswegen eine ſchlechtere
Meynung von ihr faſſen moͤchte. Das iſt auch
ein Stuͤck von den Glaubensartikeln freyer Lieb-
haber. Allein ſie mag noch ſo empfindlich ſeyn,
ſo kann ſie doch nun mit mir nicht brechen.
Denn thut ſie es, ſo wird die Ausſoͤhnung mit ih-
ren Angehoͤrigen gaͤnzlich zuruͤckgehen; und das
auf eine ihr ſelbſt hoͤchſtnachtheilige Weiſe.
Sonnabends den 3ten Jun.
Eben bin ich von der Rechts-Cammer zu-
ruͤckgekommen. Jch habe einen Trauſchein ge-
ſucht. Wahrlich, Bruder, ich muß den Ver-
druß haben, daß ich eine Schwierigkeit finde,
dieſen gaͤnzlich feſſelnden Freybrief zu erhalten:
weil das Frauenzimmer von Stande und bemit-
telt iſt, und ich keine Einwilligung vom Vater
oder von den naͤchſten Freunden aufzuweiſen habe.
Jch erzaͤhlte meiner Geliebten dieſe Schwie-
rigkeit. Es iſt gar recht, ſagte ſie, daß derglei-
chen Einwendungen gemacht werden. Aber ge-
wiß, Bruder, keinem Manne von meinen Um-
ſtaͤnden, wie ſie ein jeder kennet: und wenn das
Frauenzimmer auch eines Herzogs Tochter waͤre.
Jch frug, ob ſie mit der Eheſtiftung zufrie-
den waͤre, und bekam zur Antwort, daß ſie dieſel-
be mit meiner Mutter ihrer zuſammengehalten
und nichts dagegen einzuwenden haͤtte. Sie ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/12>, abgerufen am 23.11.2024.
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