Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



leisten, als Sie zur Kirche giengen, ohne Zweifel
in der Absicht, um zu verhüten, daß Sie nicht
erführen, was es für Leute im Hause wären;
die Vortheile, die er zu seinen Absichten aus dem
närrischen Anschlage Jhres Bruders mit Sin-
gleton gezogen hat.

Sehen Sie, meine allerliebste Freundinn, wie
natürlich dieß alles aus der Entdeckung der Fräu-
lein Lardner folget - - Sehen Sie, wie es nun
herauskommt, daß das Ungeheuer, welches ich*
für einen Narren hielte, und so oft mit diesem
Namen belegt habe, alle die Zeit herdurch einer*
der größten Betrieger von der Welt gewesen ist!

Allein wenn dieß an dem ist, dürfte ein Un-
parteyischer fragen, was hat Sie denn bisher
bewahret? Ruhmwürdigste Freundinn! was
anders, nach der gemeinen Weise zu reden, als
Jhre Wachsamkeit? Was anders, als diese, und
Jhre majestätische Tugend, das Erhabne in
Jhrem Wesen, welches Jhnen angeboh-
ren ist,
und bey so gefährlichen Umständen, da
Sie ohne Freunde, ganz verlassen, für ein Weib
ausgegeben und in die Gesellfchaft von Leuten,
die gewohnt sind, unschuldige Herzen zu berücken
und zu verderben, gezogen worden, Sie bisher in
den Stand gesetzet hat, einen so gefährlichen
Freydenker in seiner Aufführung, als er ist, be-
schämt, furchtsam und verwirrt zu machen; ei-
nen Menschen, der, wie Sie an Jhm bemerket
haben, durch so lange Gewohnheit alle Regungen
des Gewissens unterdrücket hat, der so sehr ver-

änder-
K 5



leiſten, als Sie zur Kirche giengen, ohne Zweifel
in der Abſicht, um zu verhuͤten, daß Sie nicht
erfuͤhren, was es fuͤr Leute im Hauſe waͤren;
die Vortheile, die er zu ſeinen Abſichten aus dem
naͤrriſchen Anſchlage Jhres Bruders mit Sin-
gleton gezogen hat.

Sehen Sie, meine allerliebſte Freundinn, wie
natuͤrlich dieß alles aus der Entdeckung der Fraͤu-
lein Lardner folget ‒ ‒ Sehen Sie, wie es nun
herauskommt, daß das Ungeheuer, welches ich*
fuͤr einen Narren hielte, und ſo oft mit dieſem
Namen belegt habe, alle die Zeit herdurch einer*
der groͤßten Betrieger von der Welt geweſen iſt!

Allein wenn dieß an dem iſt, duͤrfte ein Un-
parteyiſcher fragen, was hat Sie denn bisher
bewahret? Ruhmwuͤrdigſte Freundinn! was
anders, nach der gemeinen Weiſe zu reden, als
Jhre Wachſamkeit? Was anders, als dieſe, und
Jhre majeſtaͤtiſche Tugend, das Erhabne in
Jhrem Weſen, welches Jhnen angeboh-
ren iſt,
und bey ſo gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, da
Sie ohne Freunde, ganz verlaſſen, fuͤr ein Weib
ausgegeben und in die Geſellfchaft von Leuten,
die gewohnt ſind, unſchuldige Herzen zu beruͤcken
und zu verderben, gezogen worden, Sie bisher in
den Stand geſetzet hat, einen ſo gefaͤhrlichen
Freydenker in ſeiner Auffuͤhrung, als er iſt, be-
ſchaͤmt, furchtſam und verwirrt zu machen; ei-
nen Menſchen, der, wie Sie an Jhm bemerket
haben, durch ſo lange Gewohnheit alle Regungen
des Gewiſſens unterdruͤcket hat, der ſo ſehr ver-

aͤnder-
K 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div>
                <p><pb facs="#f0159" n="153"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
lei&#x017F;ten, als Sie zur Kirche giengen, ohne Zweifel<lb/>
in der Ab&#x017F;icht, um zu verhu&#x0364;ten, daß Sie nicht<lb/>
erfu&#x0364;hren, was es fu&#x0364;r Leute im Hau&#x017F;e wa&#x0364;ren;<lb/>
die Vortheile, die er zu &#x017F;einen Ab&#x017F;ichten aus dem<lb/>
na&#x0364;rri&#x017F;chen An&#x017F;chlage Jhres Bruders mit Sin-<lb/>
gleton gezogen hat.</p><lb/>
                <p>Sehen Sie, meine allerlieb&#x017F;te Freundinn, wie<lb/>
natu&#x0364;rlich dieß alles aus der Entdeckung der Fra&#x0364;u-<lb/>
lein Lardner folget &#x2012; &#x2012; Sehen Sie, wie es nun<lb/>
herauskommt, daß das Ungeheuer, welches ich<note place="right">*</note><lb/>
fu&#x0364;r einen <hi rendition="#fr">Narren</hi> hielte, und &#x017F;o oft mit die&#x017F;em<lb/>
Namen belegt habe, alle die Zeit herdurch einer<note place="right">*</note><lb/>
der gro&#x0364;ßten Betrieger von der Welt gewe&#x017F;en i&#x017F;t!</p><lb/>
                <p>Allein wenn dieß an dem i&#x017F;t, du&#x0364;rfte ein Un-<lb/>
parteyi&#x017F;cher fragen, was hat Sie denn bisher<lb/>
bewahret? Ruhmwu&#x0364;rdig&#x017F;te Freundinn! was<lb/>
anders, nach der gemeinen Wei&#x017F;e zu reden, als<lb/>
Jhre Wach&#x017F;amkeit? Was anders, als die&#x017F;e, und<lb/>
Jhre maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;che Tugend, das <hi rendition="#fr">Erhabne in<lb/>
Jhrem We&#x017F;en, welches Jhnen angeboh-<lb/>
ren i&#x017F;t,</hi> und bey &#x017F;o gefa&#x0364;hrlichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, da<lb/>
Sie ohne Freunde, ganz verla&#x017F;&#x017F;en, fu&#x0364;r ein Weib<lb/>
ausgegeben und in die Ge&#x017F;ellfchaft von Leuten,<lb/>
die gewohnt &#x017F;ind, un&#x017F;chuldige Herzen zu beru&#x0364;cken<lb/>
und zu verderben, gezogen worden, Sie bisher in<lb/>
den Stand ge&#x017F;etzet hat, einen &#x017F;o gefa&#x0364;hrlichen<lb/>
Freydenker in &#x017F;einer Auffu&#x0364;hrung, als er i&#x017F;t, be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mt, furcht&#x017F;am und verwirrt zu machen; ei-<lb/>
nen Men&#x017F;chen, der, wie Sie an Jhm bemerket<lb/>
haben, durch &#x017F;o lange Gewohnheit alle Regungen<lb/>
des Gewi&#x017F;&#x017F;ens unterdru&#x0364;cket hat, der &#x017F;o &#x017F;ehr ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 5</fw><fw place="bottom" type="catch">a&#x0364;nder-</fw><lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0159] leiſten, als Sie zur Kirche giengen, ohne Zweifel in der Abſicht, um zu verhuͤten, daß Sie nicht erfuͤhren, was es fuͤr Leute im Hauſe waͤren; die Vortheile, die er zu ſeinen Abſichten aus dem naͤrriſchen Anſchlage Jhres Bruders mit Sin- gleton gezogen hat. Sehen Sie, meine allerliebſte Freundinn, wie natuͤrlich dieß alles aus der Entdeckung der Fraͤu- lein Lardner folget ‒ ‒ Sehen Sie, wie es nun herauskommt, daß das Ungeheuer, welches ich fuͤr einen Narren hielte, und ſo oft mit dieſem Namen belegt habe, alle die Zeit herdurch einer der groͤßten Betrieger von der Welt geweſen iſt! * * Allein wenn dieß an dem iſt, duͤrfte ein Un- parteyiſcher fragen, was hat Sie denn bisher bewahret? Ruhmwuͤrdigſte Freundinn! was anders, nach der gemeinen Weiſe zu reden, als Jhre Wachſamkeit? Was anders, als dieſe, und Jhre majeſtaͤtiſche Tugend, das Erhabne in Jhrem Weſen, welches Jhnen angeboh- ren iſt, und bey ſo gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, da Sie ohne Freunde, ganz verlaſſen, fuͤr ein Weib ausgegeben und in die Geſellfchaft von Leuten, die gewohnt ſind, unſchuldige Herzen zu beruͤcken und zu verderben, gezogen worden, Sie bisher in den Stand geſetzet hat, einen ſo gefaͤhrlichen Freydenker in ſeiner Auffuͤhrung, als er iſt, be- ſchaͤmt, furchtſam und verwirrt zu machen; ei- nen Menſchen, der, wie Sie an Jhm bemerket haben, durch ſo lange Gewohnheit alle Regungen des Gewiſſens unterdruͤcket hat, der ſo ſehr ver- aͤnder- K 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/159
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/159>, abgerufen am 04.12.2024.