zu führen, die sonst gar leicht durch eine böse Gemeinschaft in Gefahr gerathen seyn möchte?
Und giebt es endlich nicht Personen von weit größern Verdiensten, als ich habe, die niemals in einem hauptsächlichen Stücke der Pflichten ge- fehlet haben, und doch mehr, als ich, gedemüthi- get sind? Ja giebt es nicht so gar einige, denen eben das durch der Eltern und Anverwandten Versehen, durch der Auffeher und Vormünder Ränke und Niederträchtigkeit, woran weder ih- re eigne Uebereilung noch ihre Thorheit einiges Antheil gehabt hat, widerfahren ist?
Jch will also aus meinem gegenwärtigen Schicksal, so viel als möglich ist, Vortheil zu zie- hen suchen. Vereinigen Sie, meine beste, mei- ne einzige Freundinn, ihr Gebet mit dem meini- gen, daß sich hier meine Strafen endigen und meine gegenwärtigen Drangsale mir zur Heili- gung dienen mögen.
Dieser Brief wird Jhnen den Schlüssel zu den wenigen Zeilen geben, die ich für Sie nach Wilsons Hause geschickt habe, bloß zum Schein, damit ich mir seinen Bedienten vom Halse schaf- fen möchte. Er schiene, wie ich dachte, zu einem Auflaurer über mich zurück gelassen zu seyn. Weil er aber zu bald wiederkam: so ward ich genöthigt noch ein paar Zeilen zu seiner Beschäfftigung an seinen Herrn zu schreiben, die er zu eben dem En- de in ein Weinhaus nahe bey der Rechtscam- mer tragen mußte. Und hiedurch erhielte ich glücklich meinen Zweck.
Jch
zu fuͤhren, die ſonſt gar leicht durch eine boͤſe Gemeinſchaft in Gefahr gerathen ſeyn moͤchte?
Und giebt es endlich nicht Perſonen von weit groͤßern Verdienſten, als ich habe, die niemals in einem hauptſaͤchlichen Stuͤcke der Pflichten ge- fehlet haben, und doch mehr, als ich, gedemuͤthi- get ſind? Ja giebt es nicht ſo gar einige, denen eben das durch der Eltern und Anverwandten Verſehen, durch der Auffeher und Vormuͤnder Raͤnke und Niedertraͤchtigkeit, woran weder ih- re eigne Uebereilung noch ihre Thorheit einiges Antheil gehabt hat, widerfahren iſt?
Jch will alſo aus meinem gegenwaͤrtigen Schickſal, ſo viel als moͤglich iſt, Vortheil zu zie- hen ſuchen. Vereinigen Sie, meine beſte, mei- ne einzige Freundinn, ihr Gebet mit dem meini- gen, daß ſich hier meine Strafen endigen und meine gegenwaͤrtigen Drangſale mir zur Heili- gung dienen moͤgen.
Dieſer Brief wird Jhnen den Schluͤſſel zu den wenigen Zeilen geben, die ich fuͤr Sie nach Wilſons Hauſe geſchickt habe, bloß zum Schein, damit ich mir ſeinen Bedienten vom Halſe ſchaf- fen moͤchte. Er ſchiene, wie ich dachte, zu einem Auflaurer uͤber mich zuruͤck gelaſſen zu ſeyn. Weil er aber zu bald wiederkam: ſo ward ich genoͤthigt noch ein paar Zeilen zu ſeiner Beſchaͤfftigung an ſeinen Herrn zu ſchreiben, die er zu eben dem En- de in ein Weinhaus nahe bey der Rechtscam- mer tragen mußte. Und hiedurch erhielte ich gluͤcklich meinen Zweck.
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0182"n="176"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
zu fuͤhren, die ſonſt gar leicht durch eine boͤſe<lb/>
Gemeinſchaft in Gefahr gerathen ſeyn moͤchte?</p><lb/><p>Und giebt es endlich nicht Perſonen von weit<lb/>
groͤßern Verdienſten, als ich habe, die niemals in<lb/>
einem hauptſaͤchlichen Stuͤcke der Pflichten ge-<lb/>
fehlet haben, und doch mehr, als ich, gedemuͤthi-<lb/>
get ſind? Ja giebt es nicht ſo gar einige, denen<lb/>
eben das durch der Eltern und Anverwandten<lb/>
Verſehen, durch der Auffeher und Vormuͤnder<lb/>
Raͤnke und Niedertraͤchtigkeit, woran weder ih-<lb/>
re eigne Uebereilung noch ihre Thorheit einiges<lb/>
Antheil gehabt hat, widerfahren iſt?</p><lb/><p>Jch will alſo aus meinem gegenwaͤrtigen<lb/>
Schickſal, ſo viel als moͤglich iſt, Vortheil zu zie-<lb/>
hen ſuchen. Vereinigen Sie, meine beſte, mei-<lb/>
ne einzige Freundinn, ihr Gebet mit dem meini-<lb/>
gen, daß ſich hier meine Strafen endigen und<lb/>
meine gegenwaͤrtigen Drangſale mir zur Heili-<lb/>
gung dienen moͤgen.</p><lb/><p>Dieſer Brief wird Jhnen den Schluͤſſel zu<lb/>
den wenigen Zeilen geben, die ich fuͤr Sie nach<lb/>
Wilſons Hauſe geſchickt habe, bloß zum Schein,<lb/>
damit ich mir ſeinen Bedienten vom Halſe ſchaf-<lb/>
fen moͤchte. Er ſchiene, wie ich dachte, zu einem<lb/>
Auflaurer uͤber mich zuruͤck gelaſſen zu ſeyn. Weil<lb/>
er aber zu bald wiederkam: ſo ward ich genoͤthigt<lb/>
noch ein paar Zeilen zu ſeiner Beſchaͤfftigung an<lb/>ſeinen Herrn zu ſchreiben, die er zu eben dem En-<lb/>
de in ein Weinhaus nahe bey der Rechtscam-<lb/>
mer tragen mußte. Und hiedurch erhielte ich<lb/>
gluͤcklich meinen Zweck.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[176/0182]
zu fuͤhren, die ſonſt gar leicht durch eine boͤſe
Gemeinſchaft in Gefahr gerathen ſeyn moͤchte?
Und giebt es endlich nicht Perſonen von weit
groͤßern Verdienſten, als ich habe, die niemals in
einem hauptſaͤchlichen Stuͤcke der Pflichten ge-
fehlet haben, und doch mehr, als ich, gedemuͤthi-
get ſind? Ja giebt es nicht ſo gar einige, denen
eben das durch der Eltern und Anverwandten
Verſehen, durch der Auffeher und Vormuͤnder
Raͤnke und Niedertraͤchtigkeit, woran weder ih-
re eigne Uebereilung noch ihre Thorheit einiges
Antheil gehabt hat, widerfahren iſt?
Jch will alſo aus meinem gegenwaͤrtigen
Schickſal, ſo viel als moͤglich iſt, Vortheil zu zie-
hen ſuchen. Vereinigen Sie, meine beſte, mei-
ne einzige Freundinn, ihr Gebet mit dem meini-
gen, daß ſich hier meine Strafen endigen und
meine gegenwaͤrtigen Drangſale mir zur Heili-
gung dienen moͤgen.
Dieſer Brief wird Jhnen den Schluͤſſel zu
den wenigen Zeilen geben, die ich fuͤr Sie nach
Wilſons Hauſe geſchickt habe, bloß zum Schein,
damit ich mir ſeinen Bedienten vom Halſe ſchaf-
fen moͤchte. Er ſchiene, wie ich dachte, zu einem
Auflaurer uͤber mich zuruͤck gelaſſen zu ſeyn. Weil
er aber zu bald wiederkam: ſo ward ich genoͤthigt
noch ein paar Zeilen zu ſeiner Beſchaͤfftigung an
ſeinen Herrn zu ſchreiben, die er zu eben dem En-
de in ein Weinhaus nahe bey der Rechtscam-
mer tragen mußte. Und hiedurch erhielte ich
gluͤcklich meinen Zweck.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/182>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.