Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



ger Betrieger, der immer neue Eingriffe zu thun
suchet! Hat es mit ihren Schmeichelworten ein
solches Absehen? - - So weit auch die Sache
schon gegangen seyn mag: so will ich mich doch
ihrer auf ewig entsagen. Sie haben ein hassens-
würdiges Herz. Lassen sie mich gehen, ich sage
es ihnen - -

Jch mußte gehorchen, und sie eilte mit Ge-
walt von mir, indem sie nur die vorigen Worte,
niederträchtiger, mit dem Zusatz schmeichleri-
scher,
Betrüger, wiederholte.



Vergebens habe ich durch die Dorcas um
die versprochene Gunst, Mittagsmahlzeit mit
ihr zu halten, inständigst ersuchen lassen. Sie
wollte zu Mittage gar nicht essen, hieß es: Sie
könnte es nicht.

Aber warum hält sie einen jeden Daumbreit
von ihrer Person so heilig? - - Da doch die
Zeit so nahe ist in der sie vermuthen muß, durch
geschloßnen Kauf und Ehestiftung ganz und gar
mein eigen zu seyn.

Sie hat sonder Zweifel etwas von dem Kunst-
griff der morgenländischen Monarchen gelesen,
die sich den Augen ihrer Unterthanen deswegen
entziehen, damit sie von diesen destomehr angebe-
tet werden, wenn sie es bey einigen feyerlichen
Gelegenheiten für gut befinden, öffentlich zu er-
scheinen.

Aber



ger Betrieger, der immer neue Eingriffe zu thun
ſuchet! Hat es mit ihren Schmeichelworten ein
ſolches Abſehen? ‒ ‒ So weit auch die Sache
ſchon gegangen ſeyn mag: ſo will ich mich doch
ihrer auf ewig entſagen. Sie haben ein haſſens-
wuͤrdiges Herz. Laſſen ſie mich gehen, ich ſage
es ihnen ‒ ‒

Jch mußte gehorchen, und ſie eilte mit Ge-
walt von mir, indem ſie nur die vorigen Worte,
niedertraͤchtiger, mit dem Zuſatz ſchmeichleri-
ſcher,
Betruͤger, wiederholte.



Vergebens habe ich durch die Dorcas um
die verſprochene Gunſt, Mittagsmahlzeit mit
ihr zu halten, inſtaͤndigſt erſuchen laſſen. Sie
wollte zu Mittage gar nicht eſſen, hieß es: Sie
koͤnnte es nicht.

Aber warum haͤlt ſie einen jeden Daumbreit
von ihrer Perſon ſo heilig? ‒ ‒ Da doch die
Zeit ſo nahe iſt in der ſie vermuthen muß, durch
geſchloßnen Kauf und Eheſtiftung ganz und gar
mein eigen zu ſeyn.

Sie hat ſonder Zweifel etwas von dem Kunſt-
griff der morgenlaͤndiſchen Monarchen geleſen,
die ſich den Augen ihrer Unterthanen deswegen
entziehen, damit ſie von dieſen deſtomehr angebe-
tet werden, wenn ſie es bey einigen feyerlichen
Gelegenheiten fuͤr gut befinden, oͤffentlich zu er-
ſcheinen.

Aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0019" n="13"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ger Betrieger, der immer neue Eingriffe zu thun<lb/>
&#x017F;uchet! Hat es mit ihren Schmeichelworten ein<lb/>
&#x017F;olches Ab&#x017F;ehen? &#x2012; &#x2012; So weit auch die Sache<lb/>
&#x017F;chon gegangen &#x017F;eyn mag: &#x017F;o will ich mich doch<lb/>
ihrer auf ewig ent&#x017F;agen. Sie haben ein ha&#x017F;&#x017F;ens-<lb/>
wu&#x0364;rdiges Herz. La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mich gehen, ich &#x017F;age<lb/>
es ihnen &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Jch mußte gehorchen, und &#x017F;ie eilte mit Ge-<lb/>
walt von mir, indem &#x017F;ie nur die vorigen Worte,<lb/>
niedertra&#x0364;chtiger, mit dem Zu&#x017F;atz <hi rendition="#fr">&#x017F;chmeichleri-<lb/>
&#x017F;cher,</hi> Betru&#x0364;ger, wiederholte.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Vergebens habe ich durch die <hi rendition="#fr">Dorcas</hi> um<lb/>
die ver&#x017F;prochene Gun&#x017F;t, Mittagsmahlzeit mit<lb/>
ihr zu halten, in&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;t er&#x017F;uchen la&#x017F;&#x017F;en. Sie<lb/>
wollte zu Mittage <hi rendition="#fr">gar nicht</hi> e&#x017F;&#x017F;en, hieß es: Sie<lb/><hi rendition="#fr">ko&#x0364;nnte es nicht.</hi></p><lb/>
          <p>Aber warum ha&#x0364;lt &#x017F;ie einen jeden Daumbreit<lb/>
von ihrer Per&#x017F;on &#x017F;o heilig? &#x2012; &#x2012; Da doch die<lb/>
Zeit &#x017F;o nahe i&#x017F;t in der &#x017F;ie vermuthen muß, durch<lb/>
ge&#x017F;chloßnen Kauf und Ehe&#x017F;tiftung ganz und gar<lb/>
mein eigen zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Sie hat &#x017F;onder Zweifel etwas von dem Kun&#x017F;t-<lb/>
griff der morgenla&#x0364;ndi&#x017F;chen Monarchen gele&#x017F;en,<lb/>
die &#x017F;ich den Augen ihrer Unterthanen deswegen<lb/>
entziehen, damit &#x017F;ie von die&#x017F;en de&#x017F;tomehr angebe-<lb/>
tet werden, wenn &#x017F;ie es bey einigen feyerlichen<lb/>
Gelegenheiten fu&#x0364;r gut befinden, o&#x0364;ffentlich zu er-<lb/>
&#x017F;cheinen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0019] ger Betrieger, der immer neue Eingriffe zu thun ſuchet! Hat es mit ihren Schmeichelworten ein ſolches Abſehen? ‒ ‒ So weit auch die Sache ſchon gegangen ſeyn mag: ſo will ich mich doch ihrer auf ewig entſagen. Sie haben ein haſſens- wuͤrdiges Herz. Laſſen ſie mich gehen, ich ſage es ihnen ‒ ‒ Jch mußte gehorchen, und ſie eilte mit Ge- walt von mir, indem ſie nur die vorigen Worte, niedertraͤchtiger, mit dem Zuſatz ſchmeichleri- ſcher, Betruͤger, wiederholte. Vergebens habe ich durch die Dorcas um die verſprochene Gunſt, Mittagsmahlzeit mit ihr zu halten, inſtaͤndigſt erſuchen laſſen. Sie wollte zu Mittage gar nicht eſſen, hieß es: Sie koͤnnte es nicht. Aber warum haͤlt ſie einen jeden Daumbreit von ihrer Perſon ſo heilig? ‒ ‒ Da doch die Zeit ſo nahe iſt in der ſie vermuthen muß, durch geſchloßnen Kauf und Eheſtiftung ganz und gar mein eigen zu ſeyn. Sie hat ſonder Zweifel etwas von dem Kunſt- griff der morgenlaͤndiſchen Monarchen geleſen, die ſich den Augen ihrer Unterthanen deswegen entziehen, damit ſie von dieſen deſtomehr angebe- tet werden, wenn ſie es bey einigen feyerlichen Gelegenheiten fuͤr gut befinden, oͤffentlich zu er- ſcheinen. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/19
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/19>, abgerufen am 21.11.2024.