Jch bin itzo hier, und bin schon anderthalb Stunden hier gewesen. Was für einen arbeitsamen Geist habe ich! Kein Mensch kann sagen, daß ich mein Brodt mit Müßiggehen esse. Jch habe rechtschaffene Mühe für alles Vergnü- gen, das ich genieße. Nothwendig muß ich mich selbst außerordentlich bewundern. Denn gewiß ich würde mit einer so geschäfftigen Seele ein recht großes Aufsehen gemacht haben: in was für eine Bedienung ich auch immer gesetzt wäre. Aber wenn ich ein Fürst geworden wäre: so würde ich wahrlich einen der edelsten Fürsten abgegeben haben. Jch würde eben einen solchen Krieges- tanz, als der große Macedonier, aufgeführet ha- ben. Jch würde ein Königreich nach dem an- dern erobert und alle benachbarte Fürsten aus- geplündert haben, damit ich den Namen Ro- bert des Großen erlanget hätte. Ja ich würde mit dem Großsultan, mit dem Schach und dem großen Mogol um ihr Serail gestritten ha- ben: denn keiner von den morgenländischen Kay- sern oder Königen sollte sich durch ein artiges Frauenzimmer beglückt gesehen haben, ehe ich ih- rer satt gewesen wäre.
Nun aber habe ich so viel übrige Zeit, nach- dem ich mich schon nach allen nöthigen Umstän- den erkundiget habe, daß ich hier sitze und dir ein kurzes Verzeichniß von meinen Begebenheiten mittheile, damit ich die Zeit so gut hinbringen möge, als ich kann. Denn die Sache ist itzo so weit gekommen, daß sie dieser Mühe würdig
ist,
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Jch bin itzo hier, und bin ſchon anderthalb Stunden hier geweſen. Was fuͤr einen arbeitſamen Geiſt habe ich! Kein Menſch kann ſagen, daß ich mein Brodt mit Muͤßiggehen eſſe. Jch habe rechtſchaffene Muͤhe fuͤr alles Vergnuͤ- gen, das ich genieße. Nothwendig muß ich mich ſelbſt außerordentlich bewundern. Denn gewiß ich wuͤrde mit einer ſo geſchaͤfftigen Seele ein recht großes Aufſehen gemacht haben: in was fuͤr eine Bedienung ich auch immer geſetzt waͤre. Aber wenn ich ein Fuͤrſt geworden waͤre: ſo wuͤrde ich wahrlich einen der edelſten Fuͤrſten abgegeben haben. Jch wuͤrde eben einen ſolchen Krieges- tanz, als der große Macedonier, aufgefuͤhret ha- ben. Jch wuͤrde ein Koͤnigreich nach dem an- dern erobert und alle benachbarte Fuͤrſten aus- gepluͤndert haben, damit ich den Namen Ro- bert des Großen erlanget haͤtte. Ja ich wuͤrde mit dem Großſultan, mit dem Schach und dem großen Mogol um ihr Serail geſtritten ha- ben: denn keiner von den morgenlaͤndiſchen Kay- ſern oder Koͤnigen ſollte ſich durch ein artiges Frauenzimmer begluͤckt geſehen haben, ehe ich ih- rer ſatt geweſen waͤre.
Nun aber habe ich ſo viel uͤbrige Zeit, nach- dem ich mich ſchon nach allen noͤthigen Umſtaͤn- den erkundiget habe, daß ich hier ſitze und dir ein kurzes Verzeichniß von meinen Begebenheiten mittheile, damit ich die Zeit ſo gut hinbringen moͤge, als ich kann. Denn die Sache iſt itzo ſo weit gekommen, daß ſie dieſer Muͤhe wuͤrdig
iſt,
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Jch bin itzo hier, und bin ſchon anderthalb
Stunden hier geweſen. Was fuͤr einen
arbeitſamen Geiſt habe ich! Kein Menſch kann
ſagen, daß ich mein Brodt mit Muͤßiggehen eſſe.
Jch habe rechtſchaffene Muͤhe fuͤr alles Vergnuͤ-
gen, das ich genieße. Nothwendig muß ich mich
ſelbſt außerordentlich bewundern. Denn gewiß
ich wuͤrde mit einer ſo geſchaͤfftigen Seele ein recht
großes Aufſehen gemacht haben: in was fuͤr eine
Bedienung ich auch immer geſetzt waͤre. Aber
wenn ich ein Fuͤrſt geworden waͤre: ſo wuͤrde ich
wahrlich einen der edelſten Fuͤrſten abgegeben
haben. Jch wuͤrde eben einen ſolchen Krieges-
tanz, als der große Macedonier, aufgefuͤhret ha-
ben. Jch wuͤrde ein Koͤnigreich nach dem an-
dern erobert und alle benachbarte Fuͤrſten aus-
gepluͤndert haben, damit ich den Namen Ro-
bert des Großen erlanget haͤtte. Ja ich wuͤrde
mit dem Großſultan, mit dem Schach und
dem großen Mogol um ihr Serail geſtritten ha-
ben: denn keiner von den morgenlaͤndiſchen Kay-
ſern oder Koͤnigen ſollte ſich durch ein artiges
Frauenzimmer begluͤckt geſehen haben, ehe ich ih-
rer ſatt geweſen waͤre.
Nun aber habe ich ſo viel uͤbrige Zeit, nach-
dem ich mich ſchon nach allen noͤthigen Umſtaͤn-
den erkundiget habe, daß ich hier ſitze und dir ein
kurzes Verzeichniß von meinen Begebenheiten
mittheile, damit ich die Zeit ſo gut hinbringen
moͤge, als ich kann. Denn die Sache iſt itzo
ſo weit gekommen, daß ſie dieſer Muͤhe wuͤrdig
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/201>, abgerufen am 04.12.2024.
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