ihr, weil sie eine Freundinn von ihnen ist, mit meinem Rathe dienen.
So sind sie ein Rechtsgelehrter, mein Herr - -
Ja, Madame, ich bin wirklich einige Zeit bey dem Gerichte gewesen: aber ich habe es schon lange nicht mehr getrieben. Jnzwischen werde ich in schweren Fällen von meinen guten Freun- den viel um Rath gefraget. Jch gebe oft Geld zu einer Sache für Arme, nehme aber, auch von den Reichsten, niemals etwas.
Auf die Art sind sie ein sehr gütiger Herr.
Ey, Madame, wir können ja nicht beständig hier leben, und müssen so viel gutes thun, als uns möglich ist - - Aber ich mag nicht gern das An- sehen haben, daß ich dienstfertig seyn will. Bleibt das Frauenzimmer noch einige Zeit, und findet es für gut, nach näherer Bekanntschaft, mich um ihre Sache wissen zu lassen: so kann es vielleicht ein glücklicher Tag für sie seyn; wenn ich befinde, daß sie eine gerechte Sache hat. Denn sie müssen wissen, daß ich niemals, so lange ich bey dem Gerichte zu thun gehabt habe, ein so bos- hafter Kerl gewesen bin, der um eines elenden Gewinnstes willen weiß schwarz, und schwarz weiß, zu machen gesucht hätte. Was würde das wohl anders gewesen seyn, als daß ich mich bemühet hätte, die Bosheit durch Ränke reich und groß zu machen, da ich unterdessen an dem Unschuldi- gen zum Räuber geworden wäre?
Sie sind ein vortrefflicher Herr: ich wollte wünschen; und dabey seufzete sie; ich wäre so
glück-
ihr, weil ſie eine Freundinn von ihnen iſt, mit meinem Rathe dienen.
So ſind ſie ein Rechtsgelehrter, mein Herr ‒ ‒
Ja, Madame, ich bin wirklich einige Zeit bey dem Gerichte geweſen: aber ich habe es ſchon lange nicht mehr getrieben. Jnzwiſchen werde ich in ſchweren Faͤllen von meinen guten Freun- den viel um Rath gefraget. Jch gebe oft Geld zu einer Sache fuͤr Arme, nehme aber, auch von den Reichſten, niemals etwas.
Auf die Art ſind ſie ein ſehr guͤtiger Herr.
Ey, Madame, wir koͤnnen ja nicht beſtaͤndig hier leben, und muͤſſen ſo viel gutes thun, als uns moͤglich iſt ‒ ‒ Aber ich mag nicht gern das An- ſehen haben, daß ich dienſtfertig ſeyn will. Bleibt das Frauenzimmer noch einige Zeit, und findet es fuͤr gut, nach naͤherer Bekanntſchaft, mich um ihre Sache wiſſen zu laſſen: ſo kann es vielleicht ein gluͤcklicher Tag fuͤr ſie ſeyn; wenn ich befinde, daß ſie eine gerechte Sache hat. Denn ſie muͤſſen wiſſen, daß ich niemals, ſo lange ich bey dem Gerichte zu thun gehabt habe, ein ſo bos- hafter Kerl geweſen bin, der um eines elenden Gewinnſtes willen weiß ſchwarz, und ſchwarz weiß, zu machen geſucht haͤtte. Was wuͤrde das wohl anders geweſen ſeyn, als daß ich mich bemuͤhet haͤtte, die Bosheit durch Raͤnke reich und groß zu machen, da ich unterdeſſen an dem Unſchuldi- gen zum Raͤuber geworden waͤre?
Sie ſind ein vortrefflicher Herr: ich wollte wuͤnſchen; und dabey ſeufzete ſie; ich waͤre ſo
gluͤck-
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ihr, weil ſie eine Freundinn von ihnen iſt, mit
meinem Rathe dienen.
So ſind ſie ein Rechtsgelehrter, mein Herr ‒ ‒
Ja, Madame, ich bin wirklich einige Zeit
bey dem Gerichte geweſen: aber ich habe es ſchon
lange nicht mehr getrieben. Jnzwiſchen werde
ich in ſchweren Faͤllen von meinen guten Freun-
den viel um Rath gefraget. Jch gebe oft Geld
zu einer Sache fuͤr Arme, nehme aber, auch von
den Reichſten, niemals etwas.
Auf die Art ſind ſie ein ſehr guͤtiger Herr.
Ey, Madame, wir koͤnnen ja nicht beſtaͤndig
hier leben, und muͤſſen ſo viel gutes thun, als uns
moͤglich iſt ‒ ‒ Aber ich mag nicht gern das An-
ſehen haben, daß ich dienſtfertig ſeyn will.
Bleibt das Frauenzimmer noch einige Zeit, und
findet es fuͤr gut, nach naͤherer Bekanntſchaft,
mich um ihre Sache wiſſen zu laſſen: ſo kann es
vielleicht ein gluͤcklicher Tag fuͤr ſie ſeyn; wenn
ich befinde, daß ſie eine gerechte Sache hat. Denn
ſie muͤſſen wiſſen, daß ich niemals, ſo lange ich
bey dem Gerichte zu thun gehabt habe, ein ſo bos-
hafter Kerl geweſen bin, der um eines elenden
Gewinnſtes willen weiß ſchwarz, und ſchwarz weiß,
zu machen geſucht haͤtte. Was wuͤrde das wohl
anders geweſen ſeyn, als daß ich mich bemuͤhet
haͤtte, die Bosheit durch Raͤnke reich und groß
zu machen, da ich unterdeſſen an dem Unſchuldi-
gen zum Raͤuber geworden waͤre?
Sie ſind ein vortrefflicher Herr: ich wollte
wuͤnſchen; und dabey ſeufzete ſie; ich waͤre ſo
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/229>, abgerufen am 26.11.2024.
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