seyn. Es wäre also nur eine geringe Höflich- keit von ihnen, wenn sie sich wegbegäben.
Es war mir daran gelegen, daß ich eine so merkwürdige Person auf meiner Seite behielte; und das um so viel mehr, da ich ihren unver- schämten Bruder unwillig gemacht hatte.
Das liebe Herz, sagte ich, hat wohl Ursa- che verwirrt und bekümmert zu seyn. Wenn sie einen Mann hätten, Mademoiselle, der sie so liebte, wie ich jene liebe: so bin ich versichert, sie würden nicht von ihm laufen und sich selbst vie- len widrigen Zufällen bloßstellen; wie sie thut, da sie nirgends hin weiß, - - jedoch ohne eine böse Absicht - - bloß weil sie Heimwehen hat. Das ist ihr Fehler, und ihr einziger Fehler. Der ist ihr aber um so viel weniger zu verzeihen, da ich der Mann bin, der sie selbst gewählet hat, und Ursache habe zu glauben, daß sie mich mehr, als irgend eine Mannsperson in der Welt, liebet.
Hier, Bruder, hatte ich nun eine Historie von der Fräulein, und zwar ihr ins Angesicht, zu vertheidigen (a).
Sie
(a) Damit du, Belford, hiebey aus Unachtsamkeit nicht über meine Verwegenheit stutzest, so muß ich dich erinnern, und zwar nur wie durch eine Randglosse, um den Faden meiner Erzählung nicht zu zerreissen, daß diese meine Dreistigkeit bloß eine Folge von denen Maaßregeln war, die ich schon vorläufig, so wie ich dir von Zeit zu Zeit
gemel-
ſeyn. Es waͤre alſo nur eine geringe Hoͤflich- keit von ihnen, wenn ſie ſich wegbegaͤben.
Es war mir daran gelegen, daß ich eine ſo merkwuͤrdige Perſon auf meiner Seite behielte; und das um ſo viel mehr, da ich ihren unver- ſchaͤmten Bruder unwillig gemacht hatte.
Das liebe Herz, ſagte ich, hat wohl Urſa- che verwirrt und bekuͤmmert zu ſeyn. Wenn ſie einen Mann haͤtten, Mademoiſelle, der ſie ſo liebte, wie ich jene liebe: ſo bin ich verſichert, ſie wuͤrden nicht von ihm laufen und ſich ſelbſt vie- len widrigen Zufaͤllen bloßſtellen; wie ſie thut, da ſie nirgends hin weiß, ‒ ‒ jedoch ohne eine boͤſe Abſicht ‒ ‒ bloß weil ſie Heimwehen hat. Das iſt ihr Fehler, und ihr einziger Fehler. Der iſt ihr aber um ſo viel weniger zu verzeihen, da ich der Mann bin, deꝛ ſie ſelbſt gewaͤhlet hat, und Urſache habe zu glauben, daß ſie mich mehr, als irgend eine Mannsperſon in der Welt, liebet.
Hier, Bruder, hatte ich nun eine Hiſtorie von der Fraͤulein, und zwar ihr ins Angeſicht, zu vertheidigen (a).
Sie
(a) Damit du, Belford, hiebey aus Unachtſamkeit nicht uͤber meine Verwegenheit ſtutzeſt, ſo muß ich dich erinnern, und zwar nur wie durch eine Randgloſſe, um den Faden meiner Erzaͤhlung nicht zu zerreiſſen, daß dieſe meine Dreiſtigkeit bloß eine Folge von denen Maaßregeln war, die ich ſchon vorlaͤufig, ſo wie ich dir von Zeit zu Zeit
gemel-
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ſeyn. Es waͤre alſo nur eine geringe Hoͤflich-
keit von ihnen, wenn ſie ſich wegbegaͤben.
Es war mir daran gelegen, daß ich eine ſo
merkwuͤrdige Perſon auf meiner Seite behielte;
und das um ſo viel mehr, da ich ihren unver-
ſchaͤmten Bruder unwillig gemacht hatte.
Das liebe Herz, ſagte ich, hat wohl Urſa-
che verwirrt und bekuͤmmert zu ſeyn. Wenn
ſie einen Mann haͤtten, Mademoiſelle, der ſie ſo
liebte, wie ich jene liebe: ſo bin ich verſichert, ſie
wuͤrden nicht von ihm laufen und ſich ſelbſt vie-
len widrigen Zufaͤllen bloßſtellen; wie ſie thut,
da ſie nirgends hin weiß, ‒ ‒ jedoch ohne eine
boͤſe Abſicht ‒ ‒ bloß weil ſie Heimwehen hat.
Das iſt ihr Fehler, und ihr einziger Fehler. Der
iſt ihr aber um ſo viel weniger zu verzeihen, da
ich der Mann bin, deꝛ ſie ſelbſt gewaͤhlet hat,
und Urſache habe zu glauben, daß ſie mich mehr,
als irgend eine Mannsperſon in der Welt,
liebet.
Hier, Bruder, hatte ich nun eine Hiſtorie
von der Fraͤulein, und zwar ihr ins Angeſicht, zu
vertheidigen (a).
Sie
(a) Damit du, Belford, hiebey aus Unachtſamkeit
nicht uͤber meine Verwegenheit ſtutzeſt, ſo muß
ich dich erinnern, und zwar nur wie durch eine
Randgloſſe, um den Faden meiner Erzaͤhlung
nicht zu zerreiſſen, daß dieſe meine Dreiſtigkeit
bloß eine Folge von denen Maaßregeln war, die
ich ſchon vorlaͤufig, ſo wie ich dir von Zeit zu Zeit
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/240>, abgerufen am 25.11.2024.
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