Das ist gar kein Wunder, Mademoiselle. Hiebey führte ich sie ein wenig auf die Seite, näher zu der Frau Moore. Jch habe dem lie- ben Kinde schon dreymal verziehen - Aber diese Eifersucht - - Es ist etwas von derselben dabey - und wohl gar etwas von einer Verrü- ckung - - Dieß flisperte ich ihr nur zu, damit es das Ansehen eines Geheimnisses haben, und sie folglich desto aufmerksamer machen möchte - - Jedoch unsere Geschichte ist zu lang - -
Jch lenkte mich hiernächst so, als wenn ich zu der Fräulein gehen wollte. Allein sie baten mich, in das nächste Zimmer zu treten. Sie wollten sie zu bereden suchen, daß sie sich nieder- legte.
Jch bat, sie möchten nicht zugeben, daß sie in das Reden käme. Denn sie wäre zu Anfäl- len geneigt, und würde in dem Zustande von allem schwatzen, was ihr in den Sinn fiele. Je mehr man ihr darinn den Willen ließe: desto ärger wäre sie. Und wo man sie nicht in Ruhe hielte: würde sie in Raserey verfallen, die ihr gar leicht eine ganze Woche zusetzen möchte.
Sie versprachen, sie ruhig zu halten: und ich begab mich in das nächste Zimmer; indem ich allen und jeden, außer der Frau Moore und Jungfer Rawlins, hinunter zu gehen befahl.
Die Fräulein war voll Klagen, welche sie ausrief. Unglücklich, elend, verlohren und zu Grunde gerichtet nannte sie sich selbst. Sie rung ihre Hände, und bat, sie möchten ihr helfen, daß
sie
Das iſt gar kein Wunder, Mademoiſelle. Hiebey fuͤhrte ich ſie ein wenig auf die Seite, naͤher zu der Frau Moore. Jch habe dem lie- ben Kinde ſchon dreymal verziehen ‒ Aber dieſe Eiferſucht ‒ ‒ Es iſt etwas von derſelben dabey ‒ und wohl gar etwas von einer Verruͤ- ckung ‒ ‒ Dieß fliſperte ich ihr nur zu, damit es das Anſehen eines Geheimniſſes haben, und ſie folglich deſto aufmerkſamer machen moͤchte ‒ ‒ Jedoch unſere Geſchichte iſt zu lang ‒ ‒
Jch lenkte mich hiernaͤchſt ſo, als wenn ich zu der Fraͤulein gehen wollte. Allein ſie baten mich, in das naͤchſte Zimmer zu treten. Sie wollten ſie zu bereden ſuchen, daß ſie ſich nieder- legte.
Jch bat, ſie moͤchten nicht zugeben, daß ſie in das Reden kaͤme. Denn ſie waͤre zu Anfaͤl- len geneigt, und wuͤrde in dem Zuſtande von allem ſchwatzen, was ihr in den Sinn fiele. Je mehr man ihr darinn den Willen ließe: deſto aͤrger waͤre ſie. Und wo man ſie nicht in Ruhe hielte: wuͤrde ſie in Raſerey verfallen, die ihr gar leicht eine ganze Woche zuſetzen moͤchte.
Sie verſprachen, ſie ruhig zu halten: und ich begab mich in das naͤchſte Zimmer; indem ich allen und jeden, außer der Frau Moore und Jungfer Rawlins, hinunter zu gehen befahl.
Die Fraͤulein war voll Klagen, welche ſie ausrief. Ungluͤcklich, elend, verlohren und zu Grunde gerichtet nannte ſie ſich ſelbſt. Sie rung ihre Haͤnde, und bat, ſie moͤchten ihr helfen, daß
ſie
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Das iſt gar kein Wunder, Mademoiſelle.
Hiebey fuͤhrte ich ſie ein wenig auf die Seite,
naͤher zu der Frau Moore. Jch habe dem lie-
ben Kinde ſchon dreymal verziehen ‒ Aber dieſe
Eiferſucht ‒ ‒ Es iſt etwas von derſelben
dabey ‒ und wohl gar etwas von einer Verruͤ-
ckung ‒ ‒ Dieß fliſperte ich ihr nur zu, damit
es das Anſehen eines Geheimniſſes haben, und ſie
folglich deſto aufmerkſamer machen moͤchte ‒ ‒
Jedoch unſere Geſchichte iſt zu lang ‒ ‒
Jch lenkte mich hiernaͤchſt ſo, als wenn ich
zu der Fraͤulein gehen wollte. Allein ſie baten
mich, in das naͤchſte Zimmer zu treten. Sie
wollten ſie zu bereden ſuchen, daß ſie ſich nieder-
legte.
Jch bat, ſie moͤchten nicht zugeben, daß ſie
in das Reden kaͤme. Denn ſie waͤre zu Anfaͤl-
len geneigt, und wuͤrde in dem Zuſtande von allem
ſchwatzen, was ihr in den Sinn fiele. Je mehr
man ihr darinn den Willen ließe: deſto aͤrger
waͤre ſie. Und wo man ſie nicht in Ruhe hielte:
wuͤrde ſie in Raſerey verfallen, die ihr gar leicht
eine ganze Woche zuſetzen moͤchte.
Sie verſprachen, ſie ruhig zu halten: und
ich begab mich in das naͤchſte Zimmer; indem
ich allen und jeden, außer der Frau Moore und
Jungfer Rawlins, hinunter zu gehen befahl.
Die Fraͤulein war voll Klagen, welche ſie
ausrief. Ungluͤcklich, elend, verlohren und zu
Grunde gerichtet nannte ſie ſich ſelbſt. Sie rung
ihre Haͤnde, und bat, ſie moͤchten ihr helfen, daß
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/243>, abgerufen am 25.11.2024.
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