Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



enzimmer scheint sich vor dem Anblicke von ihnen
zu fürchten.

Das
legenheit haben würde, meine Zuflucht dazu zu
nehmen, als bloß in dem Fall, wenn ich dreiste
genug seyn sollte, den großen Versuch zu wagen,
und darinn glücklich wäre. Alsdenn hoffete ich
dadurch das liebe Kind, und zwar bloß aus Zärt-
lichkeit gegen sie; denn was habe ich sonst jemals
die Traurigkeit, die Flüche, die Thränen einer
Weibesperson, die ich besieget hatte, geachtet?
dahin zu bringen, daß sie mich vor ihren Augen
leiden, daß sie mit mir zanken, und sich durch mei-
ne Vertheidigung und ihre künftige Hoffnung, die
auf den Vorschlag zur Aussöhnung, auf meine wie-
derholte Gelübde und auf des Capitains Versiche-
rung gegründet wäre, befriedigen lassen möchte
- - Denn hätte sie mir in dem Fall nur verzie-
hen; hätte sie sich erst auf eine Woche mit mir
eingelassen: so würde das eben so gut gewesen
seyn, als wenn sie mir auf ewig verziehen, und
sich auf ewig mit mir eingelassen hätte. Und so
würde meine liebste Lebensart, das Leben auf Eh-
re, Platz gefunden haben. Alle Proben, die sie
auszuhalten gehabt hätte, würden vorüber gewe-
sen seyn. Sie würde von nichts, als Dankbar-
keit, Liebe und Freude, bis an den Tod eines von
uns, gewußt haben. Denn niemals wollte ich,
niemals könnte ich ein so bewundernswürdiges
Frauenzimmer verlassen haben, als sie ist. Du
weist, ich habe mich niemals als einen nieder-
trächtigen Betrüger gegen irgend eine Person von
denen, die ihr weit nachzusetzen waren, bewiesen.
Die ihr weit nachzusetzen waren, sage ich - Denn
wer ist wohl ihr nicht weit nachzusetzen?



enzimmer ſcheint ſich vor dem Anblicke von ihnen
zu fuͤrchten.

Das
legenheit haben wuͤrde, meine Zuflucht dazu zu
nehmen, als bloß in dem Fall, wenn ich dreiſte
genug ſeyn ſollte, den großen Verſuch zu wagen,
und darinn gluͤcklich waͤre. Alsdenn hoffete ich
dadurch das liebe Kind, und zwar bloß aus Zaͤrt-
lichkeit gegen ſie; denn was habe ich ſonſt jemals
die Traurigkeit, die Fluͤche, die Thraͤnen einer
Weibesperſon, die ich beſieget hatte, geachtet?
dahin zu bringen, daß ſie mich vor ihren Augen
leiden, daß ſie mit mir zanken, und ſich durch mei-
ne Vertheidigung und ihre kuͤnftige Hoffnung, die
auf den Vorſchlag zur Ausſoͤhnung, auf meine wie-
derholte Geluͤbde und auf des Capitains Verſiche-
rung gegruͤndet waͤre, befriedigen laſſen moͤchte
‒ ‒ Denn haͤtte ſie mir in dem Fall nur verzie-
hen; haͤtte ſie ſich erſt auf eine Woche mit mir
eingelaſſen: ſo wuͤrde das eben ſo gut geweſen
ſeyn, als wenn ſie mir auf ewig verziehen, und
ſich auf ewig mit mir eingelaſſen haͤtte. Und ſo
wuͤrde meine liebſte Lebensart, das Leben auf Eh-
re, Platz gefunden haben. Alle Proben, die ſie
auszuhalten gehabt haͤtte, wuͤrden voruͤber gewe-
ſen ſeyn. Sie wuͤrde von nichts, als Dankbar-
keit, Liebe und Freude, bis an den Tod eines von
uns, gewußt haben. Denn niemals wollte ich,
niemals koͤnnte ich ein ſo bewundernswuͤrdiges
Frauenzimmer verlaſſen haben, als ſie iſt. Du
weiſt, ich habe mich niemals als einen nieder-
traͤchtigen Betruͤger gegen irgend eine Perſon von
denen, die ihr weit nachzuſetzen waren, bewieſen.
Die ihr weit nachzuſetzen waren, ſage ich ‒ Denn
wer iſt wohl ihr nicht weit nachzuſetzen?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0242" n="236"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
enzimmer &#x017F;cheint &#x017F;ich vor dem Anblicke von ihnen<lb/>
zu fu&#x0364;rchten.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
          <p>
            <note xml:id="a03" prev="#a02" place="foot" n="(a)">legenheit haben wu&#x0364;rde, meine Zuflucht dazu zu<lb/>
nehmen, als bloß in dem Fall, wenn ich drei&#x017F;te<lb/>
genug &#x017F;eyn &#x017F;ollte, den großen Ver&#x017F;uch zu wagen,<lb/>
und darinn glu&#x0364;cklich wa&#x0364;re. Alsdenn hoffete ich<lb/>
dadurch das liebe Kind, und zwar bloß aus Za&#x0364;rt-<lb/>
lichkeit gegen &#x017F;ie; denn was habe ich &#x017F;on&#x017F;t jemals<lb/>
die Traurigkeit, die Flu&#x0364;che, die Thra&#x0364;nen einer<lb/>
Weibesper&#x017F;on, die ich be&#x017F;ieget hatte, geachtet?<lb/>
dahin zu bringen, daß &#x017F;ie mich vor ihren Augen<lb/>
leiden, daß &#x017F;ie mit mir zanken, und &#x017F;ich durch mei-<lb/>
ne Vertheidigung und ihre ku&#x0364;nftige Hoffnung, die<lb/>
auf den Vor&#x017F;chlag zur Aus&#x017F;o&#x0364;hnung, auf meine wie-<lb/>
derholte Gelu&#x0364;bde und auf des Capitains Ver&#x017F;iche-<lb/>
rung gegru&#x0364;ndet wa&#x0364;re, befriedigen la&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte<lb/>
&#x2012; &#x2012; Denn ha&#x0364;tte &#x017F;ie mir in dem Fall nur verzie-<lb/>
hen; ha&#x0364;tte &#x017F;ie &#x017F;ich er&#x017F;t auf eine Woche mit mir<lb/>
eingela&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o wu&#x0364;rde das eben &#x017F;o gut gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn, als wenn &#x017F;ie mir auf ewig verziehen, und<lb/>
&#x017F;ich auf ewig mit mir eingela&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte. Und &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;rde meine lieb&#x017F;te Lebensart, das Leben auf Eh-<lb/>
re, Platz gefunden haben. Alle Proben, die &#x017F;ie<lb/>
auszuhalten gehabt ha&#x0364;tte, wu&#x0364;rden voru&#x0364;ber gewe-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;eyn. Sie wu&#x0364;rde von nichts, als Dankbar-<lb/>
keit, Liebe und Freude, bis an den Tod eines von<lb/>
uns, gewußt haben. Denn niemals wollte ich,<lb/>
niemals ko&#x0364;nnte ich ein &#x017F;o bewundernswu&#x0364;rdiges<lb/>
Frauenzimmer verla&#x017F;&#x017F;en haben, als &#x017F;ie i&#x017F;t. Du<lb/>
wei&#x017F;t, ich habe mich niemals als einen nieder-<lb/>
tra&#x0364;chtigen Betru&#x0364;ger gegen irgend eine Per&#x017F;on von<lb/>
denen, die ihr weit nachzu&#x017F;etzen waren, bewie&#x017F;en.<lb/>
Die ihr <hi rendition="#fr">weit nachzu&#x017F;etzen</hi> waren, &#x017F;age ich &#x2012; Denn<lb/>
wer i&#x017F;t wohl ihr nicht weit nachzu&#x017F;etzen?</note>
          </p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0242] enzimmer ſcheint ſich vor dem Anblicke von ihnen zu fuͤrchten. Das (a) (a) legenheit haben wuͤrde, meine Zuflucht dazu zu nehmen, als bloß in dem Fall, wenn ich dreiſte genug ſeyn ſollte, den großen Verſuch zu wagen, und darinn gluͤcklich waͤre. Alsdenn hoffete ich dadurch das liebe Kind, und zwar bloß aus Zaͤrt- lichkeit gegen ſie; denn was habe ich ſonſt jemals die Traurigkeit, die Fluͤche, die Thraͤnen einer Weibesperſon, die ich beſieget hatte, geachtet? dahin zu bringen, daß ſie mich vor ihren Augen leiden, daß ſie mit mir zanken, und ſich durch mei- ne Vertheidigung und ihre kuͤnftige Hoffnung, die auf den Vorſchlag zur Ausſoͤhnung, auf meine wie- derholte Geluͤbde und auf des Capitains Verſiche- rung gegruͤndet waͤre, befriedigen laſſen moͤchte ‒ ‒ Denn haͤtte ſie mir in dem Fall nur verzie- hen; haͤtte ſie ſich erſt auf eine Woche mit mir eingelaſſen: ſo wuͤrde das eben ſo gut geweſen ſeyn, als wenn ſie mir auf ewig verziehen, und ſich auf ewig mit mir eingelaſſen haͤtte. Und ſo wuͤrde meine liebſte Lebensart, das Leben auf Eh- re, Platz gefunden haben. Alle Proben, die ſie auszuhalten gehabt haͤtte, wuͤrden voruͤber gewe- ſen ſeyn. Sie wuͤrde von nichts, als Dankbar- keit, Liebe und Freude, bis an den Tod eines von uns, gewußt haben. Denn niemals wollte ich, niemals koͤnnte ich ein ſo bewundernswuͤrdiges Frauenzimmer verlaſſen haben, als ſie iſt. Du weiſt, ich habe mich niemals als einen nieder- traͤchtigen Betruͤger gegen irgend eine Perſon von denen, die ihr weit nachzuſetzen waren, bewieſen. Die ihr weit nachzuſetzen waren, ſage ich ‒ Denn wer iſt wohl ihr nicht weit nachzuſetzen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/242
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/242>, abgerufen am 25.11.2024.