zufällige Gelegenheit alle unsere Glückseligkeit über einen Haufen werfen können?
Sie sprang mit bebender Ungeduld auf und ihre Schürze fiel von ihrem zornigen Gesichte - - Nun, sagte sie, da du dich unterstehest, die Ge- legenheit wenigbedeutend und zufällig zu nen- nen, und ich glücklich aus deinen schändlichen Händen und aus einem Hause, das ich für eben so schändlich zu halten Ursache habe, heraus bin, Verräther und Bösewicht! so will ich es wagen, ein Auge auf dich fallen zu lassen - - Und o! daß es in meiner Gewalt stünde, zum Besten meines Geschlechtes dich erst zu Schaam und Reue und alsdenn zu Tode zu sehen.
Diese heftige Sprache, die aus den Trauer- spielen geborget schiene, und die hohe Art, womit sie dieselbe vorbrachte, hatten ihre gewünschte Wirkung. Jch sahe die beyden Weibspersonen und die Fräulein wechselsweise mit einem mitlei- digen Auge an, und jene schüttelten ihre weisen Häupter, und baten mich, daß ich wegginge, und sie, daß sie sich niederlegen möchte, damit sie in Ruhe und zu sich selbst käme.
Dieser Sturm legte sich alsbald, wie bey Stürmen gewöhnlich ist, mit einem Platzregen. Sie warf sich noch einmal in ihren Lehnstuhl und bat die Frauenzimmer, ihrer heftigen Ausschwei- fung wegen, um Entschuldigung; mich aber nicht: und ich vermuthete gleichwohl, wenn es zu Com- plimenten käme, daß ich auch Theil daran haben sollte.
Jn
Fünfter Theil. Q
zufaͤllige Gelegenheit alle unſere Gluͤckſeligkeit uͤber einen Haufen werfen koͤnnen?
Sie ſprang mit bebender Ungeduld auf und ihre Schuͤrze fiel von ihrem zornigen Geſichte ‒ ‒ Nun, ſagte ſie, da du dich unterſteheſt, die Ge- legenheit wenigbedeutend und zufaͤllig zu nen- nen, und ich gluͤcklich aus deinen ſchaͤndlichen Haͤnden und aus einem Hauſe, das ich fuͤr eben ſo ſchaͤndlich zu halten Urſache habe, heraus bin, Verraͤther und Boͤſewicht! ſo will ich es wagen, ein Auge auf dich fallen zu laſſen ‒ ‒ Und o! daß es in meiner Gewalt ſtuͤnde, zum Beſten meines Geſchlechtes dich erſt zu Schaam und Reue und alsdenn zu Tode zu ſehen.
Dieſe heftige Sprache, die aus den Trauer- ſpielen geborget ſchiene, und die hohe Art, womit ſie dieſelbe vorbrachte, hatten ihre gewuͤnſchte Wirkung. Jch ſahe die beyden Weibsperſonen und die Fraͤulein wechſelsweiſe mit einem mitlei- digen Auge an, und jene ſchuͤttelten ihre weiſen Haͤupter, und baten mich, daß ich wegginge, und ſie, daß ſie ſich niederlegen moͤchte, damit ſie in Ruhe und zu ſich ſelbſt kaͤme.
Dieſer Sturm legte ſich alsbald, wie bey Stuͤrmen gewoͤhnlich iſt, mit einem Platzregen. Sie warf ſich noch einmal in ihren Lehnſtuhl und bat die Frauenzimmer, ihrer heftigen Ausſchwei- fung wegen, um Entſchuldigung; mich aber nicht: und ich vermuthete gleichwohl, wenn es zu Com- plimenten kaͤme, daß ich auch Theil daran haben ſollte.
Jn
Fuͤnfter Theil. Q
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zufaͤllige Gelegenheit alle unſere Gluͤckſeligkeit
uͤber einen Haufen werfen koͤnnen?
Sie ſprang mit bebender Ungeduld auf und
ihre Schuͤrze fiel von ihrem zornigen Geſichte ‒ ‒
Nun, ſagte ſie, da du dich unterſteheſt, die Ge-
legenheit wenigbedeutend und zufaͤllig zu nen-
nen, und ich gluͤcklich aus deinen ſchaͤndlichen
Haͤnden und aus einem Hauſe, das ich fuͤr eben
ſo ſchaͤndlich zu halten Urſache habe, heraus bin,
Verraͤther und Boͤſewicht! ſo will ich es wagen,
ein Auge auf dich fallen zu laſſen ‒ ‒ Und o!
daß es in meiner Gewalt ſtuͤnde, zum Beſten
meines Geſchlechtes dich erſt zu Schaam und
Reue und alsdenn zu Tode zu ſehen.
Dieſe heftige Sprache, die aus den Trauer-
ſpielen geborget ſchiene, und die hohe Art, womit
ſie dieſelbe vorbrachte, hatten ihre gewuͤnſchte
Wirkung. Jch ſahe die beyden Weibsperſonen
und die Fraͤulein wechſelsweiſe mit einem mitlei-
digen Auge an, und jene ſchuͤttelten ihre weiſen
Haͤupter, und baten mich, daß ich wegginge,
und ſie, daß ſie ſich niederlegen moͤchte, damit ſie
in Ruhe und zu ſich ſelbſt kaͤme.
Dieſer Sturm legte ſich alsbald, wie bey
Stuͤrmen gewoͤhnlich iſt, mit einem Platzregen.
Sie warf ſich noch einmal in ihren Lehnſtuhl und
bat die Frauenzimmer, ihrer heftigen Ausſchwei-
fung wegen, um Entſchuldigung; mich aber nicht:
und ich vermuthete gleichwohl, wenn es zu Com-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/247>, abgerufen am 24.11.2024.
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