Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Weg von mir, Kerl! Weg von mir mit dei-
nen Briefen! Was hast du für Recht, mich so
zu quälen - -

Meine Allerliebste, was bringen sie für
Fragen auf die Bahn! Fragen, die sie eben so
gut selbst beantworten können - -

Jch kann, ich will - - Und so beantworte
ich sie - -

Darauf fing ich geschwinde noch lauter an
zu schreyen. Sie ward also überschrien. Ange-
nehmes Kind! Es würde viel seyn, dachte ich,
ob gleich recht böse auf sie, wenn ein solches Ge-
müth, als deines ist, einem solchen, wie meines
ist, nicht nachzugeben genöthigt werden könnte!

Jch fing an, leiser zu reden: als sie stille
schwieg. Ganz sanft, ganz beweglich war
mein Ton: mein Kopf niedergebogen; die eine
Hand ausgestreckt, und die andere an mein ehr-
liches Herz geleget - - Um des Himmels willen,
mein liebster Engel, entschließen sie sich, den Ca-
pitain Tomlinson mit gutem Sinne zu sehen.
Er würde schon mit mir hergekommen seyn: wenn
ich nicht willens gewesen wäre zu versuchen, daß
ich ihr Gemüthe vorher wegen dieses unglückli-
chen Misverständnisses besänftigen möchte; und
das um ihrer eignen Wünsche willen. Denn
was geht es mich sonst an, ob ihre Freunde mit ih-
nen ausgesöhnet werden oder nicht? Brauche
ich einige Gunst von denselben?
- - Ma-
chen sie also um ihrer eignen Ruhe willen die
Unterhandlung des Capitains Tomlinsons nicht

frucht-
Q 4


Weg von mir, Kerl! Weg von mir mit dei-
nen Briefen! Was haſt du fuͤr Recht, mich ſo
zu quaͤlen ‒ ‒

Meine Allerliebſte, was bringen ſie fuͤr
Fragen auf die Bahn! Fragen, die ſie eben ſo
gut ſelbſt beantworten koͤnnen ‒ ‒

Jch kann, ich will ‒ ‒ Und ſo beantworte
ich ſie ‒ ‒

Darauf fing ich geſchwinde noch lauter an
zu ſchreyen. Sie ward alſo uͤberſchrien. Ange-
nehmes Kind! Es wuͤrde viel ſeyn, dachte ich,
ob gleich recht boͤſe auf ſie, wenn ein ſolches Ge-
muͤth, als deines iſt, einem ſolchen, wie meines
iſt, nicht nachzugeben genoͤthigt werden koͤnnte!

Jch fing an, leiſer zu reden: als ſie ſtille
ſchwieg. Ganz ſanft, ganz beweglich war
mein Ton: mein Kopf niedergebogen; die eine
Hand ausgeſtreckt, und die andere an mein ehr-
liches Herz geleget ‒ ‒ Um des Himmels willen,
mein liebſter Engel, entſchließen ſie ſich, den Ca-
pitain Tomlinſon mit gutem Sinne zu ſehen.
Er wuͤrde ſchon mit mir hergekommen ſeyn: wenn
ich nicht willens geweſen waͤre zu verſuchen, daß
ich ihr Gemuͤthe vorher wegen dieſes ungluͤckli-
chen Misverſtaͤndniſſes beſaͤnftigen moͤchte; und
das um ihrer eignen Wuͤnſche willen. Denn
was geht es mich ſonſt an, ob ihre Freunde mit ih-
nen ausgeſoͤhnet werden oder nicht? Brauche
ich einige Gunſt von denſelben?
‒ ‒ Ma-
chen ſie alſo um ihrer eignen Ruhe willen die
Unterhandlung des Capitains Tomlinſons nicht

frucht-
Q 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0253" n="247"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Weg von mir, Kerl! Weg von mir mit dei-<lb/>
nen Briefen! Was ha&#x017F;t du fu&#x0364;r Recht, mich &#x017F;o<lb/>
zu qua&#x0364;len &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Meine Allerlieb&#x017F;te, was bringen &#x017F;ie fu&#x0364;r<lb/>
Fragen auf die Bahn! Fragen, die &#x017F;ie eben &#x017F;o<lb/>
gut &#x017F;elb&#x017F;t beantworten ko&#x0364;nnen &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Jch <hi rendition="#fr">kann,</hi> ich <hi rendition="#fr">will</hi> &#x2012; &#x2012; Und <hi rendition="#fr">&#x017F;o</hi> beantworte<lb/>
ich &#x017F;ie &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Darauf fing ich ge&#x017F;chwinde noch lauter an<lb/>
zu &#x017F;chreyen. Sie ward al&#x017F;o u&#x0364;ber&#x017F;chrien. Ange-<lb/>
nehmes Kind! Es wu&#x0364;rde viel &#x017F;eyn, dachte ich,<lb/>
ob gleich recht bo&#x0364;&#x017F;e auf &#x017F;ie, wenn ein &#x017F;olches Ge-<lb/>
mu&#x0364;th, als deines i&#x017F;t, einem &#x017F;olchen, wie meines<lb/>
i&#x017F;t, nicht nachzugeben geno&#x0364;thigt werden ko&#x0364;nnte!</p><lb/>
          <p>Jch fing an, lei&#x017F;er zu reden: als &#x017F;ie &#x017F;tille<lb/>
&#x017F;chwieg. Ganz &#x017F;anft, ganz <hi rendition="#fr">beweglich</hi> war<lb/>
mein Ton: mein Kopf niedergebogen; die eine<lb/>
Hand ausge&#x017F;treckt, und die andere an mein ehr-<lb/>
liches Herz geleget &#x2012; &#x2012; Um des Himmels willen,<lb/>
mein lieb&#x017F;ter Engel, ent&#x017F;chließen &#x017F;ie &#x017F;ich, den Ca-<lb/>
pitain Tomlin&#x017F;on mit gutem Sinne zu &#x017F;ehen.<lb/>
Er wu&#x0364;rde &#x017F;chon mit mir hergekommen &#x017F;eyn: wenn<lb/>
ich nicht willens gewe&#x017F;en wa&#x0364;re zu ver&#x017F;uchen, daß<lb/>
ich ihr Gemu&#x0364;the vorher wegen die&#x017F;es unglu&#x0364;ckli-<lb/>
chen Misver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es be&#x017F;a&#x0364;nftigen mo&#x0364;chte; und<lb/>
das um ihrer eignen Wu&#x0364;n&#x017F;che willen. Denn<lb/>
was geht es mich &#x017F;on&#x017F;t an, ob ihre Freunde mit ih-<lb/>
nen ausge&#x017F;o&#x0364;hnet werden oder nicht? <hi rendition="#fr">Brauche<lb/>
ich einige Gun&#x017F;t von den&#x017F;elben?</hi> &#x2012; &#x2012; Ma-<lb/>
chen &#x017F;ie al&#x017F;o um ihrer eignen Ruhe willen die<lb/>
Unterhandlung des Capitains Tomlin&#x017F;ons nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 4</fw><fw place="bottom" type="catch">frucht-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0253] Weg von mir, Kerl! Weg von mir mit dei- nen Briefen! Was haſt du fuͤr Recht, mich ſo zu quaͤlen ‒ ‒ Meine Allerliebſte, was bringen ſie fuͤr Fragen auf die Bahn! Fragen, die ſie eben ſo gut ſelbſt beantworten koͤnnen ‒ ‒ Jch kann, ich will ‒ ‒ Und ſo beantworte ich ſie ‒ ‒ Darauf fing ich geſchwinde noch lauter an zu ſchreyen. Sie ward alſo uͤberſchrien. Ange- nehmes Kind! Es wuͤrde viel ſeyn, dachte ich, ob gleich recht boͤſe auf ſie, wenn ein ſolches Ge- muͤth, als deines iſt, einem ſolchen, wie meines iſt, nicht nachzugeben genoͤthigt werden koͤnnte! Jch fing an, leiſer zu reden: als ſie ſtille ſchwieg. Ganz ſanft, ganz beweglich war mein Ton: mein Kopf niedergebogen; die eine Hand ausgeſtreckt, und die andere an mein ehr- liches Herz geleget ‒ ‒ Um des Himmels willen, mein liebſter Engel, entſchließen ſie ſich, den Ca- pitain Tomlinſon mit gutem Sinne zu ſehen. Er wuͤrde ſchon mit mir hergekommen ſeyn: wenn ich nicht willens geweſen waͤre zu verſuchen, daß ich ihr Gemuͤthe vorher wegen dieſes ungluͤckli- chen Misverſtaͤndniſſes beſaͤnftigen moͤchte; und das um ihrer eignen Wuͤnſche willen. Denn was geht es mich ſonſt an, ob ihre Freunde mit ih- nen ausgeſoͤhnet werden oder nicht? Brauche ich einige Gunſt von denſelben? ‒ ‒ Ma- chen ſie alſo um ihrer eignen Ruhe willen die Unterhandlung des Capitains Tomlinſons nicht frucht- Q 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/253
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/253>, abgerufen am 24.11.2024.