nige Hoffnung haben: wenn meine unglücklich zärtliche Gemahlinn so weit gebracht werden könn- te, daß sie mir den unnatürlichen Eid, wodurch sie mich gebunden hat, erließe. Sie sehen, unter was für Umständen ich bin. Glauben sie, daß ich nicht darauf dringen möge, von diesem ab- scheulichen Eide durch sie selbst losgesprochen zu werden? Wollen sie so gütig seyn, die Anstalten machen zu lassen, daß um Schlafenszeit nur ein Zimmer für einen Mann und seine Frau bereit sey? - - Das war bescheiden gegeben, Belford! - - Erlaube mir hier zu bemerken, daß außer mir wenige freye Liebhaber eine so anständige Sprache finden würden, wodurch sie schamhafti- ge Weibspersonen bereden könnten, sich mit ihnen in solchen Fällen einzulassen.
Sie lächelten beyde und sahen einander an.
Die Dinge, wovon die Rede war, machen al- lezeit, daß Weibsleute wenigstens ins Lächeln ge- rathen. Man darf ihnen nur die verstecktesten Winke davon geben. Eine Mannsperson, die in Frauenzimmer-Gesellschaft ungeschliffen ist, verdient mit einer Keule zu Boden geschlagen zu werden. Denn es ist mit ihnen nicht anders, als wenn so viele musikalische Jnstrumente da wären. Man darf nur eine Saite rühren: so sind die lieben Seelen alle über und über em- pfindlich.
Gewiß, sagte Jungfer Rawlins auf gelehrte Art bey ihrem Fecherspiel, ein Rechtserfahrner würde die Entscheidung geben, daß das eheliche
Ge-
nige Hoffnung haben: wenn meine ungluͤcklich zaͤrtliche Gemahlinn ſo weit gebracht werden koͤnn- te, daß ſie mir den unnatuͤrlichen Eid, wodurch ſie mich gebunden hat, erließe. Sie ſehen, unter was fuͤr Umſtaͤnden ich bin. Glauben ſie, daß ich nicht darauf dringen moͤge, von dieſem ab- ſcheulichen Eide durch ſie ſelbſt losgeſprochen zu werden? Wollen ſie ſo guͤtig ſeyn, die Anſtalten machen zu laſſen, daß um Schlafenszeit nur ein Zimmer fuͤr einen Mann und ſeine Frau bereit ſey? ‒ ‒ Das war beſcheiden gegeben, Belford! ‒ ‒ Erlaube mir hier zu bemerken, daß außer mir wenige freye Liebhaber eine ſo anſtaͤndige Sprache finden wuͤrden, wodurch ſie ſchamhafti- ge Weibsperſonen bereden koͤnnten, ſich mit ihnen in ſolchen Faͤllen einzulaſſen.
Sie laͤchelten beyde und ſahen einander an.
Die Dinge, wovon die Rede war, machen al- lezeit, daß Weibsleute wenigſtens ins Laͤcheln ge- rathen. Man darf ihnen nur die verſteckteſten Winke davon geben. Eine Mannsperſon, die in Frauenzimmer-Geſellſchaft ungeſchliffen iſt, verdient mit einer Keule zu Boden geſchlagen zu werden. Denn es iſt mit ihnen nicht anders, als wenn ſo viele muſikaliſche Jnſtrumente da waͤren. Man darf nur eine Saite ruͤhren: ſo ſind die lieben Seelen alle uͤber und uͤber em- pfindlich.
Gewiß, ſagte Jungfer Rawlins auf gelehrte Art bey ihrem Fecherſpiel, ein Rechtserfahrner wuͤrde die Entſcheidung geben, daß das eheliche
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nige Hoffnung haben: wenn meine ungluͤcklich
zaͤrtliche Gemahlinn ſo weit gebracht werden koͤnn-
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ſie mich gebunden hat, erließe. Sie ſehen, unter
was fuͤr Umſtaͤnden ich bin. Glauben ſie, daß
ich nicht darauf dringen moͤge, von dieſem ab-
ſcheulichen Eide durch ſie ſelbſt losgeſprochen zu
werden? Wollen ſie ſo guͤtig ſeyn, die Anſtalten
machen zu laſſen, daß um Schlafenszeit nur ein
Zimmer fuͤr einen Mann und ſeine Frau bereit
ſey? ‒ ‒ Das war beſcheiden gegeben, Belford!
‒ ‒ Erlaube mir hier zu bemerken, daß außer
mir wenige freye Liebhaber eine ſo anſtaͤndige
Sprache finden wuͤrden, wodurch ſie ſchamhafti-
ge Weibsperſonen bereden koͤnnten, ſich mit ihnen
in ſolchen Faͤllen einzulaſſen.
Sie laͤchelten beyde und ſahen einander an.
Die Dinge, wovon die Rede war, machen al-
lezeit, daß Weibsleute wenigſtens ins Laͤcheln ge-
rathen. Man darf ihnen nur die verſteckteſten
Winke davon geben. Eine Mannsperſon, die
in Frauenzimmer-Geſellſchaft ungeſchliffen iſt,
verdient mit einer Keule zu Boden geſchlagen zu
werden. Denn es iſt mit ihnen nicht anders,
als wenn ſo viele muſikaliſche Jnſtrumente da
waͤren. Man darf nur eine Saite ruͤhren: ſo
ſind die lieben Seelen alle uͤber und uͤber em-
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Gewiß, ſagte Jungfer Rawlins auf gelehrte
Art bey ihrem Fecherſpiel, ein Rechtserfahrner
wuͤrde die Entſcheidung geben, daß das eheliche
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/288>, abgerufen am 24.11.2024.
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