Jungf. Rawl. Der Herr hat weder das Ansehen noch die Sprache von einem bösen Man- ne - - Er ist eben kein gar böser Mann: wie es mit den Männern geht.
Wie es mit den Männern geht! - - Arme Jungfer Rawlins, dachte ich! - - Und weist du, wie es mit den Männern geht?
Cl. O Mademoiselle, sie kennen ihn nicht - - Er kann sich in einen Engel des Lichts ver- stellen: aber er hat ein scheusliches, ein recht scheus- liches Herze.
Jch armer Schelm! - -
Jungf Rawl. Jch hätte es in der That nicht denken sollen - - Allein es ist eine betrüg- liche Sache mit den Männern heut zu Tage!
Heut zu Tage! - - eine Thörinn! - - Ha- ben ihre Geschichtbücher sie nicht gelehret, daß es allezeit so gewesen ist?
Fr. Moore holte einen tiefen Seufzer. Jch habe es gewiß zu meinem Schaden erfah- ren! - -
Wer weiß, ob die arme gute Fr. Moore nicht zu ihrer Zeit an einen Lovelace, oder einen Bel- ford oder einen dergleichen ehrlosen Bruder ge- rathen seyn mag? - - Meine kleine wunderlich schüchterne Schöne weis nicht, was für seltsame Begebenheiten ihr ein jedes Frauenzimmer in der Welt, das sich nur im geringsten selbst gelas- sen gewesen, erzählen könnte, wenn solche Perso- nen eben so offenherzig mit ihren Schicksalen wä- ren, als sie ist. - - Allein hier liegt der Hund
begra-
Jungf. Rawl. Der Herr hat weder das Anſehen noch die Sprache von einem boͤſen Man- ne ‒ ‒ Er iſt eben kein gar boͤſer Mann: wie es mit den Maͤnnern geht.
Wie es mit den Maͤnnern geht! ‒ ‒ Arme Jungfer Rawlins, dachte ich! ‒ ‒ Und weiſt du, wie es mit den Maͤnnern geht?
Cl. O Mademoiſelle, ſie kennen ihn nicht ‒ ‒ Er kann ſich in einen Engel des Lichts ver- ſtellen: aber er hat ein ſcheusliches, ein recht ſcheus- liches Herze.
Jch armer Schelm! ‒ ‒
Jungf Rawl. Jch haͤtte es in der That nicht denken ſollen ‒ ‒ Allein es iſt eine betruͤg- liche Sache mit den Maͤnnern heut zu Tage!
Heut zu Tage! ‒ ‒ eine Thoͤrinn! ‒ ‒ Ha- ben ihre Geſchichtbuͤcher ſie nicht gelehret, daß es allezeit ſo geweſen iſt?
Fr. Moore holte einen tiefen Seufzer. Jch habe es gewiß zu meinem Schaden erfah- ren! ‒ ‒
Wer weiß, ob die arme gute Fr. Moore nicht zu ihrer Zeit an einen Lovelace, oder einen Bel- ford oder einen dergleichen ehrloſen Bruder ge- rathen ſeyn mag? ‒ ‒ Meine kleine wunderlich ſchuͤchterne Schoͤne weis nicht, was fuͤr ſeltſame Begebenheiten ihr ein jedes Frauenzimmer in der Welt, das ſich nur im geringſten ſelbſt gelaſ- ſen geweſen, erzaͤhlen koͤnnte, wenn ſolche Perſo- nen eben ſo offenherzig mit ihren Schickſalen waͤ- ren, als ſie iſt. ‒ ‒ Allein hier liegt der Hund
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Jungf. Rawl. Der Herr hat weder das
Anſehen noch die Sprache von einem boͤſen Man-
ne ‒ ‒ Er iſt eben kein gar boͤſer Mann: wie
es mit den Maͤnnern geht.
Wie es mit den Maͤnnern geht! ‒ ‒ Arme
Jungfer Rawlins, dachte ich! ‒ ‒ Und weiſt du,
wie es mit den Maͤnnern geht?
Cl. O Mademoiſelle, ſie kennen ihn nicht
‒ ‒ Er kann ſich in einen Engel des Lichts ver-
ſtellen: aber er hat ein ſcheusliches, ein recht ſcheus-
liches Herze.
Jch armer Schelm! ‒ ‒
Jungf Rawl. Jch haͤtte es in der That
nicht denken ſollen ‒ ‒ Allein es iſt eine betruͤg-
liche Sache mit den Maͤnnern heut zu Tage!
Heut zu Tage! ‒ ‒ eine Thoͤrinn! ‒ ‒ Ha-
ben ihre Geſchichtbuͤcher ſie nicht gelehret, daß es
allezeit ſo geweſen iſt?
Fr. Moore holte einen tiefen Seufzer.
Jch habe es gewiß zu meinem Schaden erfah-
ren! ‒ ‒
Wer weiß, ob die arme gute Fr. Moore nicht
zu ihrer Zeit an einen Lovelace, oder einen Bel-
ford oder einen dergleichen ehrloſen Bruder ge-
rathen ſeyn mag? ‒ ‒ Meine kleine wunderlich
ſchuͤchterne Schoͤne weis nicht, was fuͤr ſeltſame
Begebenheiten ihr ein jedes Frauenzimmer in
der Welt, das ſich nur im geringſten ſelbſt gelaſ-
ſen geweſen, erzaͤhlen koͤnnte, wenn ſolche Perſo-
nen eben ſo offenherzig mit ihren Schickſalen waͤ-
ren, als ſie iſt. ‒ ‒ Allein hier liegt der Hund
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/296>, abgerufen am 24.11.2024.
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