blicke des elenden Kerls zu groß, und meine Zeit hier zu kurz, daß ich mich um meinetwillen dar- über einlassen sollte. Hat er bey seiner Rechtfer- tigung eine Absicht, wobey ich nur nicht persön- lich leiden werde: so mag er sich so weiß machen, als einen Engel; ich will es ihm von ganzem Herzen gönnen.
Hierauf wurde meine Liebe gegen sie und die vortreffliche Abschilderung, die ich von ihrer Ge- müthsart gemacht hätte, zu meiner Vertheidigung vorgestellet.
Cl. O der scheinbare Verführer! - - Sa- gen sie mir nur, ob ich nicht durch einen Neben- weg von ihm kommen kann?
Wie pochte und klopfte mir hiebey das Herze!
Cl. Lassen sie mich einmal heraussehen - - Jch hörte, daß das Fenster aufgeschoben wurde. - - Wo geht der Fußsteig hin? Jst es nicht möglich dadurch an eine Kutsche zu kom- men? - - Jn Wahrheit, er muß mit dem bösen Feinde zu thun haben: wie hätte er mich sonst aufspüren können? - - Kann ich nicht unver- merkt zu eines Nachbarn Hause schleichen, wo ich so lange verborgen seyn mag, bis es möglich wird, gänzlich wegzukommen? - - Sie sind gu- te Leute! - - Jch bin nicht allezeit unter solchen gewesen! - - O helfen sie mir, helfen sie mir, meine lieben Frauenzimmer; das sagte sie mit einer Stimme, die von großer Ungeduld zeugte; oder ich bin verlohren!
Nach-
blicke des elenden Kerls zu groß, und meine Zeit hier zu kurz, daß ich mich um meinetwillen dar- uͤber einlaſſen ſollte. Hat er bey ſeiner Rechtfer- tigung eine Abſicht, wobey ich nur nicht perſoͤn- lich leiden werde: ſo mag er ſich ſo weiß machen, als einen Engel; ich will es ihm von ganzem Herzen goͤnnen.
Hierauf wurde meine Liebe gegen ſie und die vortreffliche Abſchilderung, die ich von ihrer Ge- muͤthsart gemacht haͤtte, zu meiner Vertheidigung vorgeſtellet.
Cl. O der ſcheinbare Verfuͤhrer! ‒ ‒ Sa- gen ſie mir nur, ob ich nicht durch einen Neben- weg von ihm kommen kann?
Wie pochte und klopfte mir hiebey das Herze!
Cl. Laſſen ſie mich einmal herausſehen ‒ ‒ Jch hoͤrte, daß das Fenſter aufgeſchoben wurde. ‒ ‒ Wo geht der Fußſteig hin? Jſt es nicht moͤglich dadurch an eine Kutſche zu kom- men? ‒ ‒ Jn Wahrheit, er muß mit dem boͤſen Feinde zu thun haben: wie haͤtte er mich ſonſt aufſpuͤren koͤnnen? ‒ ‒ Kann ich nicht unver- merkt zu eines Nachbarn Hauſe ſchleichen, wo ich ſo lange verborgen ſeyn mag, bis es moͤglich wird, gaͤnzlich wegzukommen? ‒ ‒ Sie ſind gu- te Leute! ‒ ‒ Jch bin nicht allezeit unter ſolchen geweſen! ‒ ‒ O helfen ſie mir, helfen ſie mir, meine lieben Frauenzimmer; das ſagte ſie mit einer Stimme, die von großer Ungeduld zeugte; oder ich bin verlohren!
Nach-
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blicke des elenden Kerls zu groß, und meine Zeit
hier zu kurz, daß ich mich um meinetwillen dar-
uͤber einlaſſen ſollte. Hat er bey ſeiner Rechtfer-
tigung eine Abſicht, wobey ich nur nicht perſoͤn-
lich leiden werde: ſo mag er ſich ſo weiß machen,
als einen Engel; ich will es ihm von ganzem
Herzen goͤnnen.
Hierauf wurde meine Liebe gegen ſie und die
vortreffliche Abſchilderung, die ich von ihrer Ge-
muͤthsart gemacht haͤtte, zu meiner Vertheidigung
vorgeſtellet.
Cl. O der ſcheinbare Verfuͤhrer! ‒ ‒ Sa-
gen ſie mir nur, ob ich nicht durch einen Neben-
weg von ihm kommen kann?
Wie pochte und klopfte mir hiebey das Herze!
Cl. Laſſen ſie mich einmal herausſehen ‒ ‒
Jch hoͤrte, daß das Fenſter aufgeſchoben
wurde. ‒ ‒ Wo geht der Fußſteig hin? Jſt
es nicht moͤglich dadurch an eine Kutſche zu kom-
men? ‒ ‒ Jn Wahrheit, er muß mit dem boͤſen
Feinde zu thun haben: wie haͤtte er mich ſonſt
aufſpuͤren koͤnnen? ‒ ‒ Kann ich nicht unver-
merkt zu eines Nachbarn Hauſe ſchleichen, wo
ich ſo lange verborgen ſeyn mag, bis es moͤglich
wird, gaͤnzlich wegzukommen? ‒ ‒ Sie ſind gu-
te Leute! ‒ ‒ Jch bin nicht allezeit unter ſolchen
geweſen! ‒ ‒ O helfen ſie mir, helfen ſie mir,
meine lieben Frauenzimmer; das ſagte ſie mit
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/300>, abgerufen am 24.11.2024.
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