Ohnmachten, worein sie gestürzt war. Aber meinen Gedanken nach hatte sie zu dieser Klage keine Ursache: da sie im Stande war mich dazu zu bringen, wie sie wirklich that. Jch gestehe inzwischen, daß ich zu verschiedenen malen ihrent- wegen sehr besorgt war.
Jhr und ich! Schändlichster Kerl - -
Mein Name ist Lovelace, Madame - -
Eben deswegen nenne ich euch den schänd- lichsten Kerl. War das zu verzeihen, Bruder? - - Jhr und ich wissen die Wahrheit, die reine Wahrheit von allem - - Jch brauche nicht, bey diesen Frauenzimmern meinen guten Namen zu rechtfertigen - - der schon bey allen, die ich am mei- sten zu achten Ursache hatte, verloren ist. Aber laßt mich diese neue Probe sehen, was ihr zu thun im Stande seyd. - - Sage, elender Kerl, sage, Love- lace, wenn du lieber so heißen willst, bist du wirk- lich und wahrhaftig mein angetraueter Ehemann? - Sage! Antworte ohne zu stocken! - -
Sie zitterte vor Ungeduld und Widerwillen: hatte aber etwas wildes in ihrem Wesen, welches ich mir einiger maßen zu Nutze machte, diesen verfluchten Stoß abzuwehren - - Es war in der That ein verfluchter Stoß. Denn hätte ich es ausdrücklich bekräftiget; so würde sie nimmermehr etwas, das ich gesagt hätte, geglaubt haben. Und hätte ich gestanden, daß ich nicht mit ihr vermählet wäre: so hätte ich meine eigne Anschläge, so wohl in Ansehung der Weibsleute, als in Ansehung ihrer, zu nichte gemacht, und würde keinen Vorwand
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Ohnmachten, worein ſie geſtuͤrzt war. Aber meinen Gedanken nach hatte ſie zu dieſer Klage keine Urſache: da ſie im Stande war mich dazu zu bringen, wie ſie wirklich that. Jch geſtehe inzwiſchen, daß ich zu verſchiedenen malen ihrent- wegen ſehr beſorgt war.
Jhr und ich! Schaͤndlichſter Kerl ‒ ‒
Mein Name iſt Lovelace, Madame ‒ ‒
Eben deswegen nenne ich euch den ſchaͤnd- lichſten Kerl. War das zu verzeihen, Bruder? ‒ ‒ Jhr und ich wiſſen die Wahrheit, die reine Wahrheit von allem ‒ ‒ Jch brauche nicht, bey dieſen Frauenzimmern meinen guten Namen zu rechtfertigen ‒ ‒ der ſchon bey allen, die ich am mei- ſten zu achten Urſache hatte, verloren iſt. Aber laßt mich dieſe neue Probe ſehen, was ihr zu thun im Stande ſeyd. ‒ ‒ Sage, elender Kerl, ſage, Love- lace, wenn du lieber ſo heißen willſt, biſt du wirk- lich und wahrhaftig mein angetraueter Ehemann? ‒ Sage! Antworte ohne zu ſtocken! ‒ ‒
Sie zitterte vor Ungeduld und Widerwillen: hatte aber etwas wildes in ihrem Weſen, welches ich mir einiger maßen zu Nutze machte, dieſen verfluchten Stoß abzuwehren ‒ ‒ Es war in der That ein verfluchter Stoß. Denn haͤtte ich es ausdruͤcklich bekraͤftiget; ſo wuͤrde ſie nimmermehr etwas, das ich geſagt haͤtte, geglaubt haben. Und haͤtte ich geſtanden, daß ich nicht mit ihr vermaͤhlet waͤre: ſo haͤtte ich meine eigne Anſchlaͤge, ſo wohl in Anſehung der Weibsleute, als in Anſehung ihrer, zu nichte gemacht, und wuͤrde keinen Vorwand
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Ohnmachten, worein ſie geſtuͤrzt war. Aber
meinen Gedanken nach hatte ſie zu dieſer Klage
keine Urſache: da ſie im Stande war mich dazu
zu bringen, wie ſie wirklich that. Jch geſtehe
inzwiſchen, daß ich zu verſchiedenen malen ihrent-
wegen ſehr beſorgt war.
Jhr und ich! Schaͤndlichſter Kerl ‒ ‒
Mein Name iſt Lovelace, Madame ‒ ‒
Eben deswegen nenne ich euch den ſchaͤnd-
lichſten Kerl. War das zu verzeihen, Bruder?
‒ ‒ Jhr und ich wiſſen die Wahrheit, die reine
Wahrheit von allem ‒ ‒ Jch brauche nicht, bey
dieſen Frauenzimmern meinen guten Namen zu
rechtfertigen ‒ ‒ der ſchon bey allen, die ich am mei-
ſten zu achten Urſache hatte, verloren iſt. Aber laßt
mich dieſe neue Probe ſehen, was ihr zu thun im
Stande ſeyd. ‒ ‒ Sage, elender Kerl, ſage, Love-
lace, wenn du lieber ſo heißen willſt, biſt du wirk-
lich und wahrhaftig mein angetraueter Ehemann?
‒ Sage! Antworte ohne zu ſtocken! ‒ ‒
Sie zitterte vor Ungeduld und Widerwillen:
hatte aber etwas wildes in ihrem Weſen, welches
ich mir einiger maßen zu Nutze machte, dieſen
verfluchten Stoß abzuwehren ‒ ‒ Es war in
der That ein verfluchter Stoß. Denn haͤtte ich es
ausdruͤcklich bekraͤftiget; ſo wuͤrde ſie nimmermehr
etwas, das ich geſagt haͤtte, geglaubt haben. Und
haͤtte ich geſtanden, daß ich nicht mit ihr vermaͤhlet
waͤre: ſo haͤtte ich meine eigne Anſchlaͤge, ſo wohl in
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/306>, abgerufen am 24.11.2024.
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