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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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legen, unter was für Umständen sie sind. Jch
erwarte jeden Augenblick den Capitain Tomlin-
son. Bey meiner Seele, ich erwarte ihn. Er
hat versprochen das, was vorgegangen ist, vor
ihrem Onkel zu verhelen. - - Aber was wird er
denken, wenn er findet, daß sie bey diesem wun-
derlichen Sinne bleiben?

Cl. Jch will mich bemühen, mein Herr, auf
einen oder zween Augenblicke mit ihnen Geduld
zu haben, da ich Jhnen in Gegenwart dieser Jung-
fer und der Frau Moore; die damals eben
hereinkam;
welche sie beyde durch ihre schein-
bare Histörchen zum voraus für sich eingenom-
men haben, einige Fragen zu beantworten gebe.
- - Wollen sie sagen, mein Herr, daß wir mit
einander verheyrathet sind? Legen sie die Hand
an ihre Brust und antworten mir. Bin ich ih-
re angetraute Frau?

Jch bin zu weit gegangen, dachte ich, daß ich
mich durch einen solchen Streich, als dieser ist,
zurücktreiben ließe - - so derbe und eintreibend
er auch ist.

Mein werthestes Leben, wie können sie eine
solche Frage auf die Bahn bringen? - - Macht
es ihnen oder mir selbst Ehre, daß daran ge-
zweifelt werde? - - Gewiß, gewiß, Madame, sie
müssen auf den Jnnhalt des Briefes von Capi-
tain Tomlinson gar nicht Acht gegeben haben.

Sie beklagte sich oft, so lange unser Streit
wehrte, über Mangel an Munterkeit und über
Schwäche des Leibes und Gemüths, wegen der

Ohn-



legen, unter was fuͤr Umſtaͤnden ſie ſind. Jch
erwarte jeden Augenblick den Capitain Tomlin-
ſon. Bey meiner Seele, ich erwarte ihn. Er
hat verſprochen das, was vorgegangen iſt, vor
ihrem Onkel zu verhelen. ‒ ‒ Aber was wird er
denken, wenn er findet, daß ſie bey dieſem wun-
derlichen Sinne bleiben?

Cl. Jch will mich bemuͤhen, mein Herr, auf
einen oder zween Augenblicke mit ihnen Geduld
zu haben, da ich Jhnen in Gegenwart dieſer Jung-
fer und der Frau Moore; die damals eben
hereinkam;
welche ſie beyde durch ihre ſchein-
bare Hiſtoͤrchen zum voraus fuͤr ſich eingenom-
men haben, einige Fragen zu beantworten gebe.
‒ ‒ Wollen ſie ſagen, mein Herr, daß wir mit
einander verheyrathet ſind? Legen ſie die Hand
an ihre Bruſt und antworten mir. Bin ich ih-
re angetraute Frau?

Jch bin zu weit gegangen, dachte ich, daß ich
mich durch einen ſolchen Streich, als dieſer iſt,
zuruͤcktreiben ließe ‒ ‒ ſo derbe und eintreibend
er auch iſt.

Mein wertheſtes Leben, wie koͤnnen ſie eine
ſolche Frage auf die Bahn bringen? ‒ ‒ Macht
es ihnen oder mir ſelbſt Ehre, daß daran ge-
zweifelt werde? ‒ ‒ Gewiß, gewiß, Madame, ſie
muͤſſen auf den Jnnhalt des Briefes von Capi-
tain Tomlinſon gar nicht Acht gegeben haben.

Sie beklagte ſich oft, ſo lange unſer Streit
wehrte, uͤber Mangel an Munterkeit und uͤber
Schwaͤche des Leibes und Gemuͤths, wegen der

Ohn-
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[299/0305] legen, unter was fuͤr Umſtaͤnden ſie ſind. Jch erwarte jeden Augenblick den Capitain Tomlin- ſon. Bey meiner Seele, ich erwarte ihn. Er hat verſprochen das, was vorgegangen iſt, vor ihrem Onkel zu verhelen. ‒ ‒ Aber was wird er denken, wenn er findet, daß ſie bey dieſem wun- derlichen Sinne bleiben? Cl. Jch will mich bemuͤhen, mein Herr, auf einen oder zween Augenblicke mit ihnen Geduld zu haben, da ich Jhnen in Gegenwart dieſer Jung- fer und der Frau Moore; die damals eben hereinkam; welche ſie beyde durch ihre ſchein- bare Hiſtoͤrchen zum voraus fuͤr ſich eingenom- men haben, einige Fragen zu beantworten gebe. ‒ ‒ Wollen ſie ſagen, mein Herr, daß wir mit einander verheyrathet ſind? Legen ſie die Hand an ihre Bruſt und antworten mir. Bin ich ih- re angetraute Frau? Jch bin zu weit gegangen, dachte ich, daß ich mich durch einen ſolchen Streich, als dieſer iſt, zuruͤcktreiben ließe ‒ ‒ ſo derbe und eintreibend er auch iſt. Mein wertheſtes Leben, wie koͤnnen ſie eine ſolche Frage auf die Bahn bringen? ‒ ‒ Macht es ihnen oder mir ſelbſt Ehre, daß daran ge- zweifelt werde? ‒ ‒ Gewiß, gewiß, Madame, ſie muͤſſen auf den Jnnhalt des Briefes von Capi- tain Tomlinſon gar nicht Acht gegeben haben. Sie beklagte ſich oft, ſo lange unſer Streit wehrte, uͤber Mangel an Munterkeit und uͤber Schwaͤche des Leibes und Gemuͤths, wegen der Ohn-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/305>, abgerufen am 24.11.2024.