dem ich sie vorher ohne ihn besucht hätte, seine Worte und Handlungen so zu richten, wie es ih- re Gesinnung erforderte.
Jch war bey allem dem doch von Herzen froh, daß Fr. Moore eben so zu rechter Zeit her- auf kam und die Mittagsmahlzeit ansagte. Die entlaufne Schöne war ganz in Bewegung. Sie hatte das Spiel in ihren Händen. Da sie mir nun eine so gute Entschuldigung wegzugehen ge- geben hatte: so gewann ich Zeit, mich gesetzter zu machen; der Capitain, zu kommen; und die Fräulein, sich abzukühlen. Shakespeare giebt ei- nen guten Rath.
Bestürme keine Wuth, wenn ihre Kraft sie nährt. Gieb ihr ein wenig Raum: so leget sie sich wieder. Der hohen Fluth wird nicht durch Dämme vorgekehrt: Darüber steigt sie weg und schlägt die Saaten nieder. Man theilet sie vielmehr, so wie die Klugheit zeigt, Und sucht sie sicherer durch Schleussen abzu- leiten. Wenn sie nun so geschwächt, und nicht von neuem steigt: So lässet sich der Rest durch Wälle schon be- streiten, Und man kann durch die Furth bald trocknes Fußes gehn.
Jch ging mit den Weibsleuten herunter zu Tische. Fr. Moore sandte ihrer schönen Kost-
gän-
Fünfter Theil. X
dem ich ſie vorher ohne ihn beſucht haͤtte, ſeine Worte und Handlungen ſo zu richten, wie es ih- re Geſinnung erforderte.
Jch war bey allem dem doch von Herzen froh, daß Fr. Moore eben ſo zu rechter Zeit her- auf kam und die Mittagsmahlzeit anſagte. Die entlaufne Schoͤne war ganz in Bewegung. Sie hatte das Spiel in ihren Haͤnden. Da ſie mir nun eine ſo gute Entſchuldigung wegzugehen ge- geben hatte: ſo gewann ich Zeit, mich geſetzter zu machen; der Capitain, zu kommen; und die Fraͤulein, ſich abzukuͤhlen. Shakeſpeare giebt ei- nen guten Rath.
Beſtuͤrme keine Wuth, wenn ihre Kraft ſie naͤhrt. Gieb ihr ein wenig Raum: ſo leget ſie ſich wieder. Der hohen Fluth wird nicht durch Daͤmme vorgekehrt: Daruͤber ſteigt ſie weg und ſchlaͤgt die Saaten nieder. Man theilet ſie vielmehr, ſo wie die Klugheit zeigt, Und ſucht ſie ſicherer durch Schleuſſen abzu- leiten. Wenn ſie nun ſo geſchwaͤcht, und nicht von neuem ſteigt: So laͤſſet ſich der Reſt durch Waͤlle ſchon be- ſtreiten, Und man kann durch die Furth bald trocknes Fußes gehn.
Jch ging mit den Weibsleuten herunter zu Tiſche. Fr. Moore ſandte ihrer ſchoͤnen Koſt-
gaͤn-
Fuͤnfter Theil. X
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dem ich ſie vorher ohne ihn beſucht haͤtte, ſeine
Worte und Handlungen ſo zu richten, wie es ih-
re Geſinnung erforderte.
Jch war bey allem dem doch von Herzen
froh, daß Fr. Moore eben ſo zu rechter Zeit her-
auf kam und die Mittagsmahlzeit anſagte. Die
entlaufne Schoͤne war ganz in Bewegung. Sie
hatte das Spiel in ihren Haͤnden. Da ſie mir
nun eine ſo gute Entſchuldigung wegzugehen ge-
geben hatte: ſo gewann ich Zeit, mich geſetzter zu
machen; der Capitain, zu kommen; und die
Fraͤulein, ſich abzukuͤhlen. Shakeſpeare giebt ei-
nen guten Rath.
Beſtuͤrme keine Wuth, wenn ihre Kraft ſie
naͤhrt.
Gieb ihr ein wenig Raum: ſo leget ſie ſich
wieder.
Der hohen Fluth wird nicht durch Daͤmme
vorgekehrt:
Daruͤber ſteigt ſie weg und ſchlaͤgt die Saaten
nieder.
Man theilet ſie vielmehr, ſo wie die Klugheit
zeigt,
Und ſucht ſie ſicherer durch Schleuſſen abzu-
leiten.
Wenn ſie nun ſo geſchwaͤcht, und nicht von
neuem ſteigt:
So laͤſſet ſich der Reſt durch Waͤlle ſchon be-
ſtreiten,
Und man kann durch die Furth bald trocknes
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/327>, abgerufen am 24.11.2024.
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