men, es gelegentlich mit einfließen zu lassen - - Und was meynest du, Bruder? Sie hasset Hick- mannen gewiß: Mägdchen aber, die noch frey sind, hassen selten; wenn sie gleich etwa nicht lieben möchten. Und hätte sie lieber einen an- dern gehabt: warum sollte ich nicht dieser an- dre seyn können? Denn bin ich nicht ein witzi- ger Kopf und ein liederlicher Bruder? Und ha- ben unsre muntern Frauenzimmer nicht gern un- sre witzigen Köpfe und liederlichen Brüder? Was ist es außer dem wohl für ein Wunder, daß der Mann, der die Gunst der Fräulein Harlowe zu gewinnen gewußt, auch die Zuneigung einer an- dern Fräulein, mit ihrem Ach(*), welche von der Erniedrigung ihrer Mitbuhlerinn Ehre ha- ben würde, gewinnen sollte?
Beschuldige du mich deswegen nicht einer ausnehmenden Eitelkeit bey dieser Vermuthung, Belford. Solltest du die geheime Eitelkeit ken- nen, die in den Herzen dererjenigen verborgen liegt, welche sie verdecken, oder auf das beste bemänteln: so würdest du hohe Ursache finden, mich loszusprechen oder mir wenigstens nachzusehen. Denn eben das Bewußtseyn des Heuchlers, daß er über und über von Ein- bildung für sich voll ist, macht ihn überhaupt am meisten behutsam, es zu verbergen - - Den-
noch
(*) Siehe den XI. Brief dieses Theils, wo die Fräu- lein Howe schreibt: Ach meine Wertheste, ich wußte es schon, daß sie ihn liebten.
men, es gelegentlich mit einfließen zu laſſen ‒ ‒ Und was meyneſt du, Bruder? Sie haſſet Hick- mannen gewiß: Maͤgdchen aber, die noch frey ſind, haſſen ſelten; wenn ſie gleich etwa nicht lieben moͤchten. Und haͤtte ſie lieber einen an- dern gehabt: warum ſollte ich nicht dieſer an- dre ſeyn koͤnnen? Denn bin ich nicht ein witzi- ger Kopf und ein liederlicher Bruder? Und ha- ben unſre muntern Frauenzimmer nicht gern un- ſre witzigen Koͤpfe und liederlichen Bruͤder? Was iſt es außer dem wohl fuͤr ein Wunder, daß der Mann, der die Gunſt der Fraͤulein Harlowe zu gewinnen gewußt, auch die Zuneigung einer an- dern Fraͤulein, mit ihrem Ach(*), welche von der Erniedrigung ihrer Mitbuhlerinn Ehre ha- ben wuͤrde, gewinnen ſollte?
Beſchuldige du mich deswegen nicht einer ausnehmenden Eitelkeit bey dieſer Vermuthung, Belford. Sollteſt du die geheime Eitelkeit ken- nen, die in den Herzen dererjenigen verborgen liegt, welche ſie verdecken, oder auf das beſte bemaͤnteln: ſo wuͤrdeſt du hohe Urſache finden, mich loszuſprechen oder mir wenigſtens nachzuſehen. Denn eben das Bewußtſeyn des Heuchlers, daß er uͤber und uͤber von Ein- bildung fuͤr ſich voll iſt, macht ihn uͤberhaupt am meiſten behutſam, es zu verbergen ‒ ‒ Den-
noch
(*) Siehe den XI. Brief dieſes Theils, wo die Fraͤu- lein Howe ſchreibt: Ach meine Wertheſte, ich wußte es ſchon, daß ſie ihn liebten.
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men, es gelegentlich mit einfließen zu laſſen ‒ ‒
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ſind, haſſen ſelten; wenn ſie gleich etwa nicht
lieben moͤchten. Und haͤtte ſie lieber einen an-
dern gehabt: warum ſollte ich nicht dieſer an-
dre ſeyn koͤnnen? Denn bin ich nicht ein witzi-
ger Kopf und ein liederlicher Bruder? Und ha-
ben unſre muntern Frauenzimmer nicht gern un-
ſre witzigen Koͤpfe und liederlichen Bruͤder? Was
iſt es außer dem wohl fuͤr ein Wunder, daß der
Mann, der die Gunſt der Fraͤulein Harlowe zu
gewinnen gewußt, auch die Zuneigung einer an-
dern Fraͤulein, mit ihrem Ach (*), welche von
der Erniedrigung ihrer Mitbuhlerinn Ehre ha-
ben wuͤrde, gewinnen ſollte?
Beſchuldige du mich deswegen nicht einer
ausnehmenden Eitelkeit bey dieſer Vermuthung,
Belford. Sollteſt du die geheime Eitelkeit ken-
nen, die in den Herzen dererjenigen verborgen
liegt, welche ſie verdecken, oder auf das beſte
bemaͤnteln: ſo wuͤrdeſt du hohe Urſache finden,
mich loszuſprechen oder mir wenigſtens
nachzuſehen. Denn eben das Bewußtſeyn
des Heuchlers, daß er uͤber und uͤber von Ein-
bildung fuͤr ſich voll iſt, macht ihn uͤberhaupt
am meiſten behutſam, es zu verbergen ‒ ‒ Den-
noch
(*) Siehe den XI. Brief dieſes Theils, wo die Fraͤu-
lein Howe ſchreibt: Ach meine Wertheſte, ich
wußte es ſchon, daß ſie ihn liebten.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/332>, abgerufen am 24.11.2024.
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