noch wird es bisweilen bey diesen Leuten, so de- müthigstolz sie seyn mögen, trotz aller Bemänte- lung ausbrechen: sollte es auch nur in Selbst- verleugnung, in rühmsüchtiger Selbsterniedri- gung seyn.
Da ich mich aber in dieser Sache auf dich selbst berufen habe: so muß ich zum Behuf mei- ner Anmerkung, daß die Frauenzimmer über- haupt einen liederlichen Kerl einem ordentlichen Manne vorziehen, und meiner darauf gebaueten Vermuthung, daß die Fräulein Howe in mich verliebt ist, einen andern Grund anführen. Es ist dieser: Es geht die gemeine Sage, daß Hick- mann ein sehr tugendhafter, ein sehr unschuldiger Mann ist - - ein reiner Junggeselle: Jch bin Bürge dafür! - - Für einen albernen Kna- ben habe ich ihn allezeit angesehen - - Nun, Bruder, haben die Frauenzimmer nicht gern Lehr- linge. Jhnen gefällt eine Liebe gegen ihr Ge- schlecht, die sich auf die Erkenntniß von demsel- ben gründet. Jhre Ursache dazu ist gut. Lehr- linge erwarten nach ihren Vorstellungen mehr, als sie in der Gemeinschaft mit ihnen vielleicht finden können. Eine Mannsperson, die sie ken- net und doch von Flammen gegen sie brennet, doch hitzig liebet; daß ich von der Fräulein Ho- we (*) ein Wort borge; ist der Mann, den sie am liebsten reden hören: ob schon überhaupt die- se Flammen mehr von dem Teufel in ihm, als von dem armen Kinde außer ihm herrühren.
Er
(*) Siehe den IV. Th. S. 106. 204. 209.
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noch wird es bisweilen bey dieſen Leuten, ſo de- muͤthigſtolz ſie ſeyn moͤgen, trotz aller Bemaͤnte- lung ausbrechen: ſollte es auch nur in Selbſt- verleugnung, in ruͤhmſuͤchtiger Selbſterniedri- gung ſeyn.
Da ich mich aber in dieſer Sache auf dich ſelbſt berufen habe: ſo muß ich zum Behuf mei- ner Anmerkung, daß die Frauenzimmer uͤber- haupt einen liederlichen Kerl einem ordentlichen Manne vorziehen, und meiner darauf gebaueten Vermuthung, daß die Fraͤulein Howe in mich verliebt iſt, einen andern Grund anfuͤhren. Es iſt dieſer: Es geht die gemeine Sage, daß Hick- mann ein ſehr tugendhafter, ein ſehr unſchuldiger Mann iſt ‒ ‒ ein reiner Junggeſelle: Jch bin Buͤrge dafuͤr! ‒ ‒ Fuͤr einen albernen Kna- ben habe ich ihn allezeit angeſehen ‒ ‒ Nun, Bruder, haben die Frauenzimmer nicht gern Lehr- linge. Jhnen gefaͤllt eine Liebe gegen ihr Ge- ſchlecht, die ſich auf die Erkenntniß von demſel- ben gruͤndet. Jhre Urſache dazu iſt gut. Lehr- linge erwarten nach ihren Vorſtellungen mehr, als ſie in der Gemeinſchaft mit ihnen vielleicht finden koͤnnen. Eine Mannsperſon, die ſie ken- net und doch von Flammen gegen ſie brennet, doch hitzig liebet; daß ich von der Fraͤulein Ho- we (*) ein Wort borge; iſt der Mann, den ſie am liebſten reden hoͤren: ob ſchon uͤberhaupt die- ſe Flammen mehr von dem Teufel in ihm, als von dem armen Kinde außer ihm herruͤhren.
Er
(*) Siehe den IV. Th. S. 106. 204. 209.
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noch wird es bisweilen bey dieſen Leuten, ſo de-
muͤthigſtolz ſie ſeyn moͤgen, trotz aller Bemaͤnte-
lung ausbrechen: ſollte es auch nur in Selbſt-
verleugnung, in ruͤhmſuͤchtiger Selbſterniedri-
gung ſeyn.
Da ich mich aber in dieſer Sache auf dich
ſelbſt berufen habe: ſo muß ich zum Behuf mei-
ner Anmerkung, daß die Frauenzimmer uͤber-
haupt einen liederlichen Kerl einem ordentlichen
Manne vorziehen, und meiner darauf gebaueten
Vermuthung, daß die Fraͤulein Howe in mich
verliebt iſt, einen andern Grund anfuͤhren. Es
iſt dieſer: Es geht die gemeine Sage, daß Hick-
mann ein ſehr tugendhafter, ein ſehr unſchuldiger
Mann iſt ‒ ‒ ein reiner Junggeſelle: Jch
bin Buͤrge dafuͤr! ‒ ‒ Fuͤr einen albernen Kna-
ben habe ich ihn allezeit angeſehen ‒ ‒ Nun,
Bruder, haben die Frauenzimmer nicht gern Lehr-
linge. Jhnen gefaͤllt eine Liebe gegen ihr Ge-
ſchlecht, die ſich auf die Erkenntniß von demſel-
ben gruͤndet. Jhre Urſache dazu iſt gut. Lehr-
linge erwarten nach ihren Vorſtellungen mehr,
als ſie in der Gemeinſchaft mit ihnen vielleicht
finden koͤnnen. Eine Mannsperſon, die ſie ken-
net und doch von Flammen gegen ſie brennet,
doch hitzig liebet; daß ich von der Fraͤulein Ho-
we (*) ein Wort borge; iſt der Mann, den ſie
am liebſten reden hoͤren: ob ſchon uͤberhaupt die-
ſe Flammen mehr von dem Teufel in ihm, als
von dem armen Kinde außer ihm herruͤhren.
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(*) Siehe den IV. Th. S. 106. 204. 209.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/333>, abgerufen am 24.11.2024.
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