Jch habe allezeit bemerket, und ich glaube, ich habe dir schon längst einen Wink davon gege- ben (*), daß alle Handelsleute, wenn es auch nur mit Stecknadeln wäre, sich viel eher durch Kund- leute bey ihren Stecknadeln mit einer Kleinigkeit ge- winnen lassen, als durch ein eigentliches Geschenk, das zehen mal so viel werth seyn möchte; sonderlich wenn sie gewissenhaft seyn wollen. Denn ein angebotenes Geschenk würde nicht allein zum Verdacht Anlaß geben; sondern auch ihre Be- denklichkeit rege und aufrührisch machen: da hin- gegen der hohe Preis, um den man etwas kau- fet, nur als eine Willigkeit anzusehen ist, sich auf die Art, wie jemand seiner Handthierung nach, etwas zu gewinnen suchet, hintergehen zu lassen. Habe ich nicht gesagt, daß das menschliche Herz schelmisch ist (**)? - - Und weiß ich das nicht?
Jch will dir ein höheres Beyspiel geben. Wie viele stolze Rathsglieder ließen sich im 1720 Jahr durch Geschenke von Zetteln oder durch Anweisungen auf das Capital bey der Handels- gesellschaft der Süd-See verleiten, einen Vorschlag zu befördern, der den Untergang der Nation nach sich ziehen mußte: welche doch einen jeden über Hals und Kopf von sich gejagt haben würden, der sich unterstanden hätte, ihnen zweymal so viel gewiß anzubieten, als sie auf ungewisses Glück durch jenes Capital gewinnen konnten? - -
Je-
(*) Siehe den III. Th. S. 270.
(**) Siehe den III. Th. S. 279. und den IV. Th. S. 25.
Jch habe allezeit bemerket, und ich glaube, ich habe dir ſchon laͤngſt einen Wink davon gege- ben (*), daß alle Handelsleute, wenn es auch nur mit Stecknadeln waͤre, ſich viel eher durch Kund- leute bey ihren Stecknadeln mit einer Kleinigkeit ge- winnen laſſen, als durch ein eigentliches Geſchenk, das zehen mal ſo viel werth ſeyn moͤchte; ſonderlich wenn ſie gewiſſenhaft ſeyn wollen. Denn ein angebotenes Geſchenk wuͤrde nicht allein zum Verdacht Anlaß geben; ſondern auch ihre Be- denklichkeit rege und aufruͤhriſch machen: da hin- gegen der hohe Preis, um den man etwas kau- fet, nur als eine Willigkeit anzuſehen iſt, ſich auf die Art, wie jemand ſeiner Handthierung nach, etwas zu gewinnen ſuchet, hintergehen zu laſſen. Habe ich nicht geſagt, daß das menſchliche Herz ſchelmiſch iſt (**)? ‒ ‒ Und weiß ich das nicht?
Jch will dir ein hoͤheres Beyſpiel geben. Wie viele ſtolze Rathsglieder ließen ſich im 1720 Jahr durch Geſchenke von Zetteln oder durch Anweiſungen auf das Capital bey der Handels- geſellſchaft der Suͤd-See verleiten, einen Vorſchlag zu befoͤrdern, der den Untergang der Nation nach ſich ziehen mußte: welche doch einen jeden uͤber Hals und Kopf von ſich gejagt haben wuͤrden, der ſich unterſtanden haͤtte, ihnen zweymal ſo viel gewiß anzubieten, als ſie auf ungewiſſes Gluͤck durch jenes Capital gewinnen konnten? ‒ ‒
Je-
(*) Siehe den III. Th. S. 270.
(**) Siehe den III. Th. S. 279. und den IV. Th. S. 25.
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Jch habe allezeit bemerket, und ich glaube,
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mit Stecknadeln waͤre, ſich viel eher durch Kund-
leute bey ihren Stecknadeln mit einer Kleinigkeit ge-
winnen laſſen, als durch ein eigentliches Geſchenk,
das zehen mal ſo viel werth ſeyn moͤchte; ſonderlich
wenn ſie gewiſſenhaft ſeyn wollen. Denn ein
angebotenes Geſchenk wuͤrde nicht allein zum
Verdacht Anlaß geben; ſondern auch ihre Be-
denklichkeit rege und aufruͤhriſch machen: da hin-
gegen der hohe Preis, um den man etwas kau-
fet, nur als eine Willigkeit anzuſehen iſt, ſich auf
die Art, wie jemand ſeiner Handthierung nach,
etwas zu gewinnen ſuchet, hintergehen zu laſſen.
Habe ich nicht geſagt, daß das menſchliche Herz
ſchelmiſch iſt (**)? ‒ ‒ Und weiß ich das nicht?
Jch will dir ein hoͤheres Beyſpiel geben.
Wie viele ſtolze Rathsglieder ließen ſich im 1720
Jahr durch Geſchenke von Zetteln oder durch
Anweiſungen auf das Capital bey der Handels-
geſellſchaft der Suͤd-See verleiten, einen Vorſchlag
zu befoͤrdern, der den Untergang der Nation nach
ſich ziehen mußte: welche doch einen jeden uͤber
Hals und Kopf von ſich gejagt haben wuͤrden,
der ſich unterſtanden haͤtte, ihnen zweymal ſo viel
gewiß anzubieten, als ſie auf ungewiſſes Gluͤck
durch jenes Capital gewinnen konnten? ‒ ‒
Je-
(*) Siehe den III. Th. S. 270.
(**) Siehe den III. Th. S. 279. und den IV. Th.
S. 25.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/380>, abgerufen am 24.11.2024.
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